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Würzburg
Hausfrau, Mutter, Karriere? 5 Würzburger Frauen berichten von ihrem Leben zwischen Erwartungen und Selbstbestimmung
Fünf Würzburgerinnen berichten von gesellschaftlichen Erwartungen, Unabhängigkeit, Stärke und dem Kampf um Gleichberechtigung.
Sie berichten von ihrem Leben zwischen Erwartungen und Selbstbestimmung: Miram Ahmed, Pia Beckmann, Amani Al-Baadani, Kerstin Celina, Silia Rüttiger (von links).
Foto: Thomas Obermeier, Silvia Gralla, René Ruprecht | Sie berichten von ihrem Leben zwischen Erwartungen und Selbstbestimmung: Miram Ahmed, Pia Beckmann, Amani Al-Baadani, Kerstin Celina, Silia Rüttiger (von links).
Sandra Allmann
 |  aktualisiert: 01.11.2024 02:41 Uhr

Die moderne Frau soll erfolgreich, fürsorglich und selbstbestimmt sein – zugleich soll sie den gesellschaftlichen Normen entsprechend leben: "Frauen sehen sich oft mit widersprüchlichen Erwartungen konfrontiert", erklärt Freya Altenhöner. Sie ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Würzburger Frauen. Trotz vieler Fortschritte in der Gleichstellung seien traditionelle Rollenbilder weiterhin fest verankert.

Dazu betont Doktorin Laura Zapfe, Bildungssoziologin und Genderforscherin an der Universität Würzburg, dass Frauen oft unsichtbare Aufgaben wie Sorgearbeit übernehmen, die kaum Anerkennung fänden und ihr Stresslevel erhöhten. Vor allem Mütter in Beziehungen mit Männern seien stark belastet. Wiederum stünden laut Zapfe auch kinderlose Frauen unter Druck, da Mutterschaft und Fortpflanzung oft als zentraler Teil eines erfüllten weiblichen Lebens gelten würden.

Die Bundeszentrale für politische Bildung nennt das "Normenkonflikt": Frauen sind permanent mit unerfüllbaren Erwartungen konfrontiert. Das bestätigt auch Altenhöner: "Rollenbilder sind nicht individuell genug und deshalb selten erfüllend". Die Redaktion hat mit fünf Würzburger Frauen über ihre Herausforderungen und ihren persönlichen Weg zu mehr Selbstbestimmung gesprochen.

1. Kerstin Celina: "Gerade als Frau ist es wichtig, die eigenen Interessen zu verteidigen."

Kerstin Celina setzt sich als Landtagsabgeordnete der Grünen für die Gleichberechtigung von Frauen ein.
Foto: Thomas Obermeier | Kerstin Celina setzt sich als Landtagsabgeordnete der Grünen für die Gleichberechtigung von Frauen ein.

Kerstin Celina, Landtagsabgeordnete bei Bündnis 90/Die Grünen und Mutter zweier Töchter, wurde von ihren berufstätigen Eltern geprägt. "Meine Eltern haben mir vorgelebt, dass Frauen den gleichen Platz in der Gesellschaft einnehmen können wie Männer", sagt sie. Insbesondere, weil sie sich als Frau im gebärfähigen Alter im Beruf benachteiligt fühlte, habe sie Ende der 90er begonnen, sich aktiv politisch zu engagieren, um die Umstände für Frauen in ähnlichen Situationen zu verbessern.

Sie habe sich immer für ihre Überzeugungen eingesetzt – in ihrer politischen Karriere genauso wie im Angestelltenverhältnis und Ehrenamt. Konflikte mit Arbeitgebern habe sie dabei in Kauf genommen. "Manchmal muss man, gerade als Frau, hartnäckig für die eigene Stimme kämpfen", sagt Celina.

2. Miram Ahmed: "Ich lasse mich als zugewanderte Frau nicht unterschätzen."

Miram Mahmoud Abd El Rahman Ahmed ist Juristin und spüre oft Vorurteile.
Foto: Thomas Obermeier | Miram Mahmoud Abd El Rahman Ahmed ist Juristin und spüre oft Vorurteile.

Miram Ahmed, Juristin aus Ägypten, zog 1997 der Liebe wegen nach Deutschland und gründete hier eine Familie mit mittlerweile drei erwachsenen Kindern. Um ihre Deutschkenntnisse zu verbessern, nahm sie einen Nebenjob im Einzelhandel an. Heute engagiert sie sich zusätzlich als Projektassistenz im Würzburger interkulturellen Frauenprojekt "Blickpunkt".

Trotz überwiegend positiver Erfahrungen spüre sie oft Vorurteile gegenüber Frauen mit Migrationsgeschichte, insbesondere jenen mit Kopftuch. Sie erinnere sich an ihre frühen Erfahrungen beim Arbeitsamt, als ihr niemand geglaubt habe, dass sie Jura studiert hatte: "Ich musste alle Dokumente vorlegen, um ernst genommen zu werden." Auch wenn sich schon vieles verbessert habe und Frauen wiederholt gezeigt hätten, dass man sie nicht unterschätzen darf, lautet ihr Appell an die Gesellschaft: "Traut zugewanderten Frauen mehr zu, sie können mehr als nur Haushalt und Kochen."

3. Silia Rüttiger: "Ich habe großen Respekt vor allen Frauen in der Selbstständigkeit."

Silia Rüttinger erfüllte der Beruf der Anwältin nicht und eröffnete deswegen ihr eigenes Café.
Foto: René Ruprecht | Silia Rüttinger erfüllte der Beruf der Anwältin nicht und eröffnete deswegen ihr eigenes Café.

Silia Rüttiger, Gründerin des Café Barrossi in Würzburg, entschied sich nach ihrem Jurastudium und einigen Jahren als Anwältin für die Gastronomie. "Der Anwaltsberuf erfüllte mich nicht. Ich habe damals dem Druck nachgegeben, etwas 'Anständiges' zu tun", erzählt sie. 2001 eröffnete sie ihr erstes Café, inspiriert von der italienischen Lebensfreude.

Rückblickend auf 20 Jahre Selbstständigkeit erzählt sie von Höhen und Tiefen, aber der mutige Schritt habe sich gelohnt. Besonders als Frau sei es nicht immer leicht gewesen, den Erwartungen gerecht zu werden. "Es gab Zeiten, in denen ich dachte, ohne Kinder nichts erreicht zu haben. Ein guter Freund ermutigte mich, stolz auf meine Erfolge zu sein." Heute blicke sie glücklich auf ihre Entscheidungen zurück und betont: "Ich habe großen Respekt vor Frauen in der Selbstständigkeit und bin froh, diesen Weg gegangen zu sein."

4. Amani Al-Baadani: "Selbstbestimmung bedeutet auch, Familienprioritäten zu setzen."

Amani Al-Baadani legt nach der Karriere jetzt den Fokus auf die Familie.
Foto: Silvia Gralla | Amani Al-Baadani legt nach der Karriere jetzt den Fokus auf die Familie.

Amani Al-Baadani, Informatikerin aus dem Jemen, lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Würzburg. Ab 2015 arbeitete sie mehrere Jahre als Dolmetscherin für Asylbewerber und -bewerberinnen. Die Geburt ihres Sohnes 2021, ein Frühchen, stellte sie vor große Herausforderungen. Viele Termine hätten wahrgenommen werden müssen, ihr Mann arbeite in einer anderen Stadt, sagt sie. "Wir haben hier keine Familie und ich bin oft auf mich allein gestellt." Trotz allem bleibe sie optimistisch: "Mein Mann und ich geben unser Bestes, um unseren Kindern eine schöne Kindheit zu bieten. Das erfordert manchmal Opfer."

Von gesellschaftlichen Erwartungen, beruflich erfolgreich zu sein, lasse sie sich nicht beeinflussen: "Im Jemen habe ich Karriere gemacht, jetzt ist meine Familie dran." Dennoch freue sie sich über die dazugewonnene Zeit, seitdem beide Kinder im Kindergarten und der Schule sind. Diese möchte sie nutzen, um ihre Deutschkenntnisse zu verbessern und sich einen Teilzeitjob zu suchen, der ihr Spaß macht.

5. Pia Beckmann: "Bildung und Vorsorge sind der Schlüssel zur Unabhängigkeit."

Pia Beckmann war als vierfache Mutter Oberbürgermeisterin von Würzburg.
Foto: Thomas Obermeier | Pia Beckmann war als vierfache Mutter Oberbürgermeisterin von Würzburg.

Pia Beckmann, ehemalige Oberbürgermeisterin und Mutter von vier Kindern, lernte von ihrer Mutter, dass Bildung der Weg zu Selbstbestimmung ist. Als Erste in ihrer Familie habe sie studiert und sei sie, wie sie selbst von sich sagt, ihrer Liebe zum Lernen bis heute treu geblieben. Als sie 2002 als vierfache Mutter Oberbürgermeisterin werden wollte, habe ihr damaliger Mann die Kinderbetreuung übernommen – wofür sie im Wahlkampf auch kritisiert wurde. 

Beckmann sagt, dass es unmöglich sei, es als Frau allen recht zu machen: "Wer immer danach schaut, was andere wollen, verpasst sein Leben." Sie fordert mehr Frauen in Entscheidungsgremien, um die Interessen von Frauen und Müttern stärker zu vertreten. Außerdem hebt sie hervor, wie wichtig materielle Unabhängigkeit und Altersvorsorge für Frauen sind. "Besonders im letzten Drittel des Lebens sind Frauen anfällig für Altersarmut", erklärt sie. Als Frau würde es nie schaden, ein Augenmerk auf den Rentenausgleich zu werfen.

 
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  • Dominik Temming
    Stellt euch so einen Artikel mit Männern vor.... In der Mainpost undenkbar
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  • Ferdinand Gruß
    O mein Gott; fällt einem zu diesem Artikel solch ein Kommentar ein; Herr lass Hirn regnen!!!
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  • Ulrike Herold-Zehentner
    Sehr geehrter Herr Dobat,
    widerspricht es der Bibel, dass Frauen Bildung erwerben? Ist es Gottes Wille, dass Frauen im Alter arm sind, weil sie nicht genug Rentenanwartschaften erworben haben?
    Die gesellschaftlichen Verhältnisse der Bibel entsprechen absolut nicht mehr den heutigen. Wer sie heute wieder herstellen möchte, unterstützt die Unterdrückung von Frauen.
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  • Martin Dobat
    Liebe Würzburgerinnen, wenn die gesellschaftlichen Anforderungen nicht mit der Bibel übereinstimmen, geht es eher in die "Dunkelheit". Manfred Siebald singt: "ohne Gott geht es in die Dunkelheit!"
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