Bis zu neun Stunden bei hohen Temperaturen, herumfliegende Blätter, ohrenbetäubender Krach. So sieht derzeit ein gewöhnlicher Wochenendtag von Matthäus Flohr aus. Die Obsternte in Sommerhausen ist in vollem Gange, was für ihn lange Schichten, auch an Wochenenden, bedeutet. Mit seinem maschinellen Erntehelfer, der "Bumba 1", fährt er derzeit über die Plantagen von Obsterzeugern der Absatzgenossenschaft Sommerhausen und erntet dabei täglich bis zu 20 Tonnen Kirschen, Mirabellen und Zwetschgen.
Die Erntemaschine "Bumba 1" ist bereits seit 2001 im Besitz der Genossenschaft Sommerhausen und mit Baujahr 1999 genauso alt wie Matthäus Flohr. Seit er 16 Jahre alt ist, bedient er den Schüttler und beherrscht ihn inzwischen nahezu blind. Die Beziehung zu seinem gleichaltrigen Helfer bezeichnet Flohr als "Hassliebe". Er liebe das Fahren und die Zusammenarbeit mit den Leuten und schätze die traditionsreiche Obsternte sehr. "Wenn die Maschine einmal läuft, dann läuft sie. Dann sind die Erzeuger gut drauf, die Ernte läuft und ich bin gut drauf", so der gebürtige Sommerhäuser, "aber wenn sie eben mal steht, dann steht sie auch"
Die Erntemaschine "Bumba 1" gibt es nur noch zweimal auf der Welt
Schuld daran ist die Geschichte der Maschine. "Bumba 1" war einer von drei Prototypen, die eine dänische Firma in den 1990er Jahren produzierte. Eine davon ist nicht mehr in Betrieb, die andere im Ausland im Einsatz. Die Firma, die den Schüttler produzierte, ist bereits vor zehn Jahren pleite gegangen und der Besitzer zwischenzeitlich gestorben, weiß Matthäus Flohr. Das macht es umso schwerer, an Ersatzteile zu kommen. Bis er da ein passendes Teil findet, könnten schon mal einige Tage bis Wochen vergehen. Vor allem in der Erntezeit seien solche langen Ausfälle problematisch.
Eine weitere Herausforderung sei die Bedienungsanleitung. Diese ist auf Dänisch verfasst, was oftmals zu Verständnisproblemen führt. Dabei hilft Matthäus Flohr jedoch auch seine berufliche Ausbildung: Als gelernte Fachkraft für Agrarservice versteht er glücklicherweise die Wartung und Instandhaltung landwirtschaftlicher Maschinen. "Blå, rød, sort": Die wichtigsten Farben der Stromkabel - blau, rot, schwarz - beherrsche er zwischenzeitlich übrigens trotzdem auf Dänisch.
Sobald die Schüttelmaschine einmal angelaufen ist, ist sie bis zu neun Stunden am Stück im Einsatz. Dafür fährt Matthäus Flohr bis zu drei Plantagen an und erntet dabei teilweise über 1000 Bäume ab. Dazu kommt die gründliche Reinigung der Maschine, die nach einem langen Erntetag nochmals zwei Stunden mit Hochdruckreiniger und heißem Wasser beansprucht. Die "Bumba 1" hat zudem eine Höchstgeschwindigkeit von nur 20 Kilometern pro Stunde, weshalb Matthäus Flohr überwiegend Plantagen in Sommer- und Winterhausen anfährt, um lange Fahrtzeiten zu vermeiden.
Freizeit habe er in der Hauptsaison keine, meint der 24-Jährige, der nebenbei auch noch Weinprinz von Sommerhausen ist. Urlaube oder Festivals, die den Sommer vieler Gleichaltriger eigentlich ausmachen, müssen sich bei ihm dann hinten anstellen. Er habe sich jedoch daran gewöhnt, weil ihm die Arbeit Spaß mache.
Ein Greifarm und zwei Planen erledigen die Ernte
Das neun Meter lange Gefährt funktioniert nach einem einfachen Prinzip. Matthäus Flohr fährt mit seiner Bumba einen Baum an. Deren Greifarm umfasst den Stamm und schüttelt ihn kräftig. Das herunterfallende Obst wird dabei von zwei Planen aufgefangen, welche rechts und links des Baumes ausgefahren werden. Anschließend transportiert ein Fließband das Obst weiter, wo dieses zunächst grob ausgelesen und mit einem Gebläse von Ästen und Blättern getrennt wird. Wenn es schließlich in großen Boxen landet, wird noch einmal von Hand nachgelesen.
Um von dem Schüttler geerntet zu werden, muss die Plantage einige Voraussetzungen erfüllen. So muss ein Baum mindestens fünf Jahre alt sein, um ausreichend verwurzelt zu sein und durch das Schütteln keinen Schaden zu nehmen. Auch ein Mindestabstand muss gewährleistet sein, doch die meisten Plantagen seien bereits auf eine maschinelle Ernte ausgelegt und entsprechend mit speziellen Zuchtbäumen bepflanzt.
Für die Obsterzeuger spare die Ernte mit der Schüttelmaschine eine Menge Zeit und Geld, sagt Matthäus Flohr. Der Maschineneinsatz hat aber auch Grenzen. Makelloses Obst für die Frischtheke im Supermarkt lasse sich damit nur schwer ernten. Was in den großen grauen Kisten landet, endet zumeist als Konserve, Konfitüre oder in destillierter Form als Obstbrand.