Der ewige Rebell. Der Stachel im Popo der Christsozialen. Der Reggae-Liedermacher. Der Kiffer. Der Söllners Hans halt. Seit 40 Jahren ätzt er gegen das Spießertum, macht er sich für die Legalisierung von Marihuana stark - und genau so lang trägt er publikumswirksam seine Händel mit der Staatsmacht aus. Es ist ein typischer Söllner-Abend auf Gut Wöllried vor den Toren Rottendorfs: Starke Töne dank seiner Band Bayaman' Sissdem, dazu mächtig Schimpfe für "die da oben", im Hintergrund ein Leintuch mit einem urbajuwarischen Steinbock in den panafrikanischen Farben grün, gelb und rot. Spektakulärer sind die gewaltigen Gewitter-Blitze im Dauerregen.
Er hängt irgendwie fest in den Achtzigern. Als es politische Charakterköpfe gegeben hat, denen Hans Söllner verbal das Haupthaar waschen durfte. "Marihuana für Herrn Zimmermann" war freilich ein solideres Shampoo als die wenig gender-korrekte, kaum durch den Satire-Begriff gedeckte Gift-und-Galle-Plörre, die der 65-Jährige am Donnerstagabend der Kanzlerin überkippt: "Ich darf ja nicht mehr 'der Merkel' sagen. Was soll ich denn sonst sagen? Das Merkel?" Er habe ja viele Frauen kennengelernt, "aber so was war nie dabei". Zu faltig sei ihm die Angelegenheit. Erstaunlicherweise nicht zu geschmacklos ist das vielen der ursprünglich 350 Fans, von denen letztlich nur gut die Hälfte durchnässt ausharren.
Die Vorteile eines Schottenrocks
Nicht die einzige Zote, der es am hintergründigen Biss alter Tage fehlt. "Gut, dass ich einen Rock trage", findet Söllner - am Heiligen Abend 1955 geboren und quasi ein Christkind. Der Schottenrock ließe sich lupfen, was es "denen da oben" erleichtere, ihn "am Arsch zu lecken". Die Krawallschachtel aus Bad Reichenhall ist tatsächlich gewillt, im Zehn-Minuten-Takt dem gelungenen Liederabend jegliche Harmonie zu entreißen. An sich nicht verkehrt - und manchmal klappt das auch niveauvoller.
Immer dann nämlich, wenn's humoresk statt stänkernd wird. Herrlich sein Ratschlag, nach dem Konzert einfach mal zu einer im Auto wartenden Polizeistreife zu schlendern, die hintere Tür auf- und sogleich wieder zuzumachen. "Es kann sein, dass ihr dann drei Tage nicht nach Hause kommt. Und acht Monate später bei der Verhandlung gefragt werdet: Was haben Sie sich dabei gedacht?" Sein Tipp für eine gelungene Antwort: Man habe nur schauen wollen, ob die Tür funktioniere. Ja, lustig.
Thermomix-Abend statt Impftermin
Mächtig viel liegt dem Mundart-Musiker an Zivilcourage. "Habt den Mut, etwas zu tun" - die Botschaft ist der Rote Faden der knapp zwei Stunden. Das Eintreten für Freiheit dürfe ruhig weh tun. "Mut haben, egal wie kindisch er ist" - ach, bliebe der Hans doch die ganze Zeit bei dieser Botschaft. Es kämen mehr solche Schenkelklopfer rum: "Immer wenn einer fragt: Bist du geimpft? Dann sag ich: Ich mach erst mal einen Thermomix-Abend."
Hans Söllner ist am stärksten, wenn er reduziert - nicht gegen die Impfpolitik - stichelt, wenn er seinen eigenen Lebensstil präsentiert, zu dem auch bewusstseinserweiternde Substanzen gehören. Wenn er singt, wie sein "Vodda" aufblüht, seit er "an Marihuanabam" hat. Oder sich dankend verbeugt vor Gott und der Welt ("Loben und preisen"). Dann wird fröhlich getanzt. Und plötzlich ist da doch Harmonie. Passt ja auch besser zum Kiffen.
mit dem Katzeklosänger verwandt?
unterirdisch, genau das hab ich auch gedacht, als ich diesen Konzertverriss gelesen habe.
Es kann gut sein, dass die Ausdrucksweise des Herrn Söllner manchmal etwas sehr deftig ist, und die Polarisierung als Stilmittel wird gelegentlich auch arg strapaziert; trotzdem hat Herr Söllner etwas ganz ausserordentliches geleistet, was im Artikel leider keine Erwähnung findet:
Gerade durch seine Aufmüpfigkeit, das beharrliche Stänkern gegen "die da oben", die penetrante Aufforderung zum mutig und vor allem ehrlich sein, und durch seine Eulenspiegel-gleiche Fähigkeit, die Welt realistisch zu betrachten hat Herr Söllner die letzten 35 Jahre versucht, aus der Welt einen besseren Ort zu schaffen.
Und genau dafür hat Herr Söllner Respekt verdient.
Naja, und wenn's dem Herrn Bauer halt nicht so getaugt hat, dann war's eben schad' ums Eintrittsgeld.
Is halt einfach so, wer auf ein Söllner Konzert geht, hört genau das, was die eigene Interpretationsfähigkeit draus zu schaffen vermag.