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WÜRZBURG
HaLT-Projekt: Wenn die Faschingsfeier im Krankenhaus endet
Alkoholkonsum       -  Kein Fasching ohne Alkohol? Um Jugendliche für das Thema zu sensibilisieren, startet in Stadt und Landkreis eine Postkartenaktion, bei der Jugendliche gerade auch in der närrischen Zeit alkoholfreie Tage sammeln können. Archivfoto: Roland Weihrauch/dpa
Foto: Roland Weihrauch (dpa) | Kein Fasching ohne Alkohol? Um Jugendliche für das Thema zu sensibilisieren, startet in Stadt und Landkreis eine Postkartenaktion, bei der Jugendliche gerade auch in der närrischen Zeit alkoholfreie Tage sammeln können.
Julia Back
 |  aktualisiert: 27.04.2023 06:13 Uhr

In der Missio Kinderklinik am Mönchberg werden in der Regel Babys und Kleinkinder mit Krankheiten wie Lungen- oder Blinddarmentzündung behandelt. Doch zur Faschingszeit bekommen es Ärzte und Pfleger mit ganz anderen Patienten zu tun: betrunkenen Jugendlichen.

Kiliani – Fasching – Silvester

Zwischen 30 und 40 junge Menschen mit einer Alkoholvergiftung werden im Jahr dort eingeliefert. „An Fasching steigt die Zahl ordentlich an“, sagt Chefärztin Prof. Dr. Christina Kohlhauser-Vollmuth. Denn zu bestimmten Zeiten häufen sich die Fälle, erklärt sie: „Allen voran an Kiliani, dann an Fasching und mit großem Abstand folgt Silvester.“

Um junge Menschen für das Thema Alkohol zu sensibilisieren, gibt es in Bayern seit zehn Jahren das „HaLT – Hart am Limit“-Projekt, erklärt Magdalena Schlereth, die als Referentin für Gesundheitsförderung und Prävention am Landratsamt arbeitet.

Wichtigste Kooperationspartner in Stadt und Landkreis sind das Bayerische Rote Kreuz sowie die Uni-Klinik, das Klinikum Würzburg Mitte und die Main-Klinik in Ochsenfurt.

„Alkoholfreie Tage sammeln“

Da gerade zur Faschingzeit der Alkohol für viele Jugendliche zum Feiern dazu gehört, hat nun im Zuge des Präventionsprojekts die Aktion „Alkoholfreie Tage sammeln“ begonnen: Im Februar und März sind Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren aufgefordert, bewusst auf den Genuss von Alkohol zu verzichten. Wer dies mindestens 30 Tage schafft, kann die alkoholfreien Tage auf einer Postkarte ankreuzen, an das Landratsamt schicken – und etwas gewinnen.

„Es ist eine Aktion ohne erhobenen Zeigefinger“, erklärt Schlereth. 7500 Postkarten wurden an alle weiterführenden Schulen in Stadt und Landkreis geschickt, die von den beauftragten Lehrern für Suchtprävention an die Schüler verteilt werden. „Uns ist der Zeitraum Fasching wichtig. Die Faschingszeit darf und soll voll berauschend sein – aber bitte ohne Vollrausch“, sagt die HaLT-Projektkoordinatorin.

Jugendliche können die Wirkung schwer einschätzen

Denn auch wenn Alkohol für manche zum Fasching dazu zu gehören scheint– der Rausch kann gerade für junge Menschen direkt ins Krankenhaus führen. „Das Hauptproblem besteht darin, dass Jugendliche das gar nicht einschätzen können“, so die Chefärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Kohlhauser-Vollmuth: „Sie trinken das gesüßte Zeug bis zu einem bestimmten Punkt – dann kippen sie um.“

Die Jugendlichen werden nach ihrer Einlieferung gründlich untersucht, Mädchen auch nach Spuren sexueller Übergriffe. Im Zuge des Klinikaufenthaltes wird ihnen und ihren Eltern ein Beratungsgespräch mit HaLT-Mitarbeitern angeboten. „Die Mitarbeiter sind ständig in Dienstbereitschaft, sodass in der Regel ein Gespräch noch in der Klinik geführt werden kann“, erklärt Schlereth. Im vergangenen Jahr hatten die Mitarbeiter des Präventionsprojektes zehn Einsätze zur Faschingszeit, 53 im gesamten Jahr. Die Jugendlichen, deren Durchschnittsalter bei 15,5 Jahren lag, hatten einen durchschnittlichen Promillewert von 1,4. Bei acht Jugendlichen wurden im Krankenhaus sogar über zwei Promille festgestellt.

Drei Promille mit 14 Jahren

Manch ein Fall ist den Beteiligten im Gedächtnis geblieben. „Ein 14-Jähriger hatte an Silvester einmal einen Wert von drei Promille“, erzählt der kommunale Jugendpfleger Stephan Junghans, der ebenfalls Koordinator des HaLT-Projekts ist.

Nach dem Gespräch in der Klinik wird den Patienten auch eine Nachbesprechung – der Risikocheck – angeboten. „Es ist ein Gruppenangebot, bei dem Zielvereinbarungen besprochen werden. Was ist seitdem passiert und wie gehen die Jugendlichen damit um?“, so Schlereth. Doch je größer der Zeitraum zwischen Klinikaufenthalt und Risikocheck ist, desto mehr wird das einschneidende Erlebnis verharmlost. „Es nehmen weniger teil, dafür dann aber intensiv“, sagt Schlereth.

Detailwissen über Alkohol fehlt

Bei den Risikocheck-Seminaren ist die Referentin des Landratsamtes immer wieder überrascht, wie wenig konkretes Wissen die Teenager über Alkohol besitzen. „Sie können die Wirkung nicht einschätzen“, sagt sie. „Da fehlt das Detailwissen.“ Auch fangen viele an zu reflektieren. Zum Beispiel über ihren Freundeskreis, der sie hilflos hat liegen lassen.

Bisher sind der Chefärztin in der Missio-Kinderklinik noch keine Patienten ein zweites Mal mit einer Alkoholvergiftung wieder begegnet. „Es gibt jedoch immer wieder Fälle, die zwei bis drei Promille haben und noch ganz normal reden. Bei ihnen kann man davon ausgehen, dass sie das gewohnt sind“, so Junghans. „Andere kippen dagegen mit 0,4 Promille um.“

Für viele Jugendliche ist das Aufwachen im Krankenhausbett ein einschneidendes Erlebnis. „Wenn sie sehen, dass sie in einer vollen Windel da liegen und erbrochen haben, sind sie plötzlich nicht mehr so cool“, erzählt Kohlhauser-Vollmuth. Die Scham und die Kopfschmerzen am Tag danach seien für viele heilsam, so die Chefärztin.

Alkoholkonsum hat Auswirkungen

Je jünger und je häufiger desto schlimmer ist der Alkoholkonsum für die Entwicklung der Jugendlichen. „Je früher Suchterfahrungen gemacht werden desto größer ist die Wahrscheinlichkeit später eine Sucht zu entwickeln“, sagt Schlereth. Auch auf die psychische Entwicklung kann sich das auswirken: wenn Alkohol zur Frust- und Problembewältigung getrunken wird, werden andere Strategien gar nicht erst entwickelt.

Dass Alkoholkonsum auch tödlich ausgehen kann, zeigt ein Fall von 2008. Damals war vom Verbindungssteg zwischen Margetshöchheim und Veitshöchheim ein 17-Jähriger von einem 19-Jährigen in den Main geschubst worden und ertrunken. Beide hatten Alkohol getrunken.

Weniger Patienten für die Klinik

Mit dem erhobenen Zeigefinger wollen die Verantwortlichen des HaLT-Projekts die Jugendlichen jedoch nicht belehren. „Fasching darf ja auch Spaß machen. Sie sollen feiern und eben nicht die andere Seite der Medaille kennenlernen“, sagt Schlereth. „Es geht darum ein Bewusstsein zu entwickeln und den verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol zu lernen“, so Jugendpfleger Junghans. Beide erhoffen sich nun, dass möglichst viele Jugendliche sich mit dem Thema auseinandersetzen und auch bewusst alkoholfreie Tage für die Postkartenaktion sammeln. „Ich wünsche mir ehrliche Antworten und dafür dann lieber weniger Rücklauf“, sagt Schlereth. Vor allem wünschen sich heuer alle Beteiligten weniger volltrunkene Patienten in der Kinderklinik.

HaLT-Projekt

HaLT – Hart am LimiT ist ein kommunales Alkoholpräventionsprogramm für Kinder und Jugendliche. Bei der Aktion „Alkoholfreie Tage sammeln" werden über einen Zeitraum von zwei Monaten Tage gesammelt, an denen kein Alkohol getrunken wurde und auf der Sammelpostkarte angekreuzt. Die Gewinnübergabe findet am 15.Mai im Rahmen der Jubiläumsfeier des HaLT-Projekts statt.

Kontakt der Projekt-Koordinatoren: Gesundheitsamt - Kommunale Jugendarbeit Landratsamt Würzburg, Zeppelinstr. 15, 97074 Würzburg. Ansprechpartner: Stephan Junghans, Tel. 0931 (8003 293), E-Mail: s.junghans@lra-wue.bayern.de; Magdalena Schlereth, Tel. 0931 (8003 663), E-Mail: m.schlereth@lra-wue.bayern.de.

„Die Faschingszeit darf und soll voll berauschend sein – aber bitte ohne Vollrausch.“
Magdalena Schlereth, HaLT-Projektkoordinatorin
Prof. Dr. Christina Kohlhauser-Vollmuth, Chefärztin Kinder- und Jugendmedizin der Kinderklinik am Mönchberg (links) und die beiden HaLT-Koordinatoren Stephan Junghans und Magdalena Schlereth stellen die Postkarten-Aktion vor.
Foto: Julia Back | Prof. Dr. Christina Kohlhauser-Vollmuth, Chefärztin Kinder- und Jugendmedizin der Kinderklinik am Mönchberg (links) und die beiden HaLT-Koordinatoren Stephan Junghans und Magdalena Schlereth stellen die ...
 
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