Das bisschen Deutsch, das Suzanne Vega kann, ist auf der Bühne nicht allzu hilfreich: "Mein Bruder ist ein Kellner." Oder besser: "Mein Bruder ist kein Kellner." Das macht aber nichts, das hingerissene Publikum auf der dicht besetzten Treppe beim Würzburger Hafensommer versteht sie auch so. Ihren lakonischen New Yorker Humor, ihre schnörkellose Herzlichkeit, vor allem aber die Poesie ihrer Kunst.
Und die ist einzigartig. Mal erzählen ihre Songs Geschichten, mal beschreiben sie Zustände. Einsamkeit zum Beispiel. Suzanne Vega, 64, hat sich im Laufe ihrer langen Karriere nie auf ein Erfolgsrezept verlassen. Hätte sie einfach an Hits wie "Luka" oder "Tom's Diner" angeknüpft, würde sie auch heute möglicherweise Stadien füllen. Dann wäre der Welt aber ein Song wie "Blood Makes Noise" entgangen, den sie als vierte Zugabe spielt - auf dieser Europa-Tour durchaus nicht die Regel. Es scheint also, als sei das Verstehen zwischen schwimmender Bühne (eröffnet hatte das Würzburger Projekt Circle & Wind) und Publikum gegenseitig.
Ihre poetischen und musikalischen Mittel sind faszinierend vielfältig
"Blood Makes Noise", fast atemlos gesungen zur massiv übersteuerten Gitarre von Gerry Leonard, beschreibt eine Angstattacke. Ein bedrohliches Dröhnen im Kopf, das so gar nicht dem üblichen Singer/Songwriter-Repertoire entsprechen will.
Suzanne Vegas poetische und musikalische Mittel sind faszinierend vielfältig und doch immer ganz und gar ihre. "Caramel" hat diesen wohlig nostalgischen Touch, "In Liverpool" fast surreale Schärfe. "The Queen and the Soldier" sagt sie an, als wäre gerade Vorleserstunde für Kinder: "Ein sehr alter, sehr trauriger, sehr langer Song mit einem tragischen Ende." Das Lied erzählt, wie ein Soldat an die Tür der Königin klopft und ihr mitteilt, er werde nicht mehr für sie in den Krieg ziehen. Die Königin lässt ihn töten, die Kriege gehen weiter.
Eine menschliche Existenz, in der Liebe, Verletzlichkeit und Hoffnung eine Bedeutung haben
Wenn Suzanne Vega politisch wird, dann auf diese Weise: Einfache Geschichten in einfachen Worten. So wie das neue "Last Train From Mariupol", das sie unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine geschrieben hat. Oder "Tombstone" (Grabstein): "Wir haben das früher an Halloween gesungen, seit Covid singen wir es jeden Tag."
Aber der aktuelle Bezug in der Ansage ist natürlich eine Finte: Suzanne Vegas Songs sind zeitlos. Sie nehmen nie Bezug auf ein letztlich begrenztes Phänomen wie eine Pandemie. Sie handeln immer von der menschlichen Existenz. Zumindest einer, in der Liebe, Verletzlichkeit und Hoffnung eine Bedeutung haben. Das Publikum braucht und liebt sie dafür.