zurück
Würzburg
"Glücksspielsucht tritt in allen Bevölkerungsschichten auf": Woran man erkennt, dass jemand spielsüchtig ist
Sportwetten, Automaten, Poker: Die Gefahr, in eine Abhängigkeit zu rutschen, besteht bei jedem Glücksspiel. Was Betroffene und Angehörige wissen sollten.
Wenn wir bei einem Glücksspiel gewinnen, gibt uns das ein Gefühl von Glück und Zufriedenheit. Manche Menschen werden süchtig danach.
Foto: Getty Images | Wenn wir bei einem Glücksspiel gewinnen, gibt uns das ein Gefühl von Glück und Zufriedenheit. Manche Menschen werden süchtig danach.
Dorothea Fischer
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:30 Uhr

Glücksspiel kann süchtig machen. Dieser Satz beendet Werbespots für Lottospiele und Sportwetten. Die Präventionskampagnen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) weisen zwar auf Gefahren hin, dennoch werden viele Menschen glücksspielsüchtig. Beim Verein Condrobs in München kümmert sich der Sozialpädagoge Benjamin Klenke um Glücksspielsüchtige. Im Interview erklärt er, wie Menschen in die Abhängigkeit geraten und wo sich Betroffene sowie Angehörige Unterstützung holen können.

Frage: Warum faszinieren Sportwetten, Automaten und Poker viele Menschen?

Benjamin Klenke: Das hat etwas mit dem Belohnungssystem in unserem Gehirn zu tun. Egal ob bei einer Abhängigkeit im Bereich Glücksspiel, einer Substanz oder Medien: In dem Moment, in dem wir gewinnen, gibt uns das ein Gefühl von Glück und Zufriedenheit. Und das mögen wir.

Benjamin Klenke ist Experte für Glücksspielsucht und Leiter der Suchtberatungsstelle Condrobs in Pasing bei München.
Foto: Paula Fischer | Benjamin Klenke ist Experte für Glücksspielsucht und Leiter der Suchtberatungsstelle Condrobs in Pasing bei München.
Wie wird man süchtig nach Glücksspiel?

Klenke: In unserer Fachstelle erleben wir häufig, dass die Menschen, die extensives Glücksspiel betreiben, alle eine Sache gemeinsam haben: Sie haben am Anfang gewonnen.

Wer ist besonders gefährdet, in eine Abhängigkeit zu rutschen?

Klenke: Es ist wissenschaftlich nicht erwiesen, ob es Veranlagungen zu Suchtkrankheiten gibt. Meiner Meinung nach spielen Resilienz und der individuelle Umgang mit Emotionen eine Rolle. Ich gehe davon aus, dass eine Sucht in erster Linie erlerntes Verhalten ist.

Haben Alter, Geschlecht oder Herkunftsfamilie Einfluss darauf, ob man glücksspielsüchtig wird?

Klenke: Glücksspielsucht tritt in allen Bevölkerungsschichten auf. Tendenziell sind mehr Männer als Frauen betroffen. Es kommen mehr Männer als Frauen zur Suchtberatung. Ich vermute, Frauen holen sich anderweitig Unterstützung, etwa im Gespräch mit anderen.

Nehmen wir an, ein Freund verhält sich anders als früher. Woran erkenne ich, ob er glücksspielsüchtig ist?

Klenke: Er fragt Sie nach Geld. Weitere wesentliche Kriterien: Der Freund spielt, obwohl er weiß, dass es ihm nicht guttut. Er steigert die Dosis, spielt mit immer höheren Einsätzen. Und er wird sich auch im sozialen Kontakt rarmachen, nicht mehr erreichbar sein. Betroffene vernachlässigen die Körperpflege und gehen nicht zur Gesundheitsvorsorge, weil die Sucht nach dem Spiel dominiert.

Was sind das für Menschen, die zu Ihnen in die Fachstelle für Glücksspielsucht kommen?

Klenke: Das Gros derer, die zu uns kommen, sind Betroffene. Etwa 80 Prozent von ihnen sind Männer im Alter von 25 bis 45 Jahren. Es kommen aber auch Angehörige von Erkrankten.

Wie können Sie helfen?

Klenke: Unser primärer Auftrag ist es, in weiterführende Hilfsangebote zu vermitteln: Kliniken, Selbsthilfegruppen, Netzwerke. Wir beraten auch selbst, wenn es um Reduktion und Prävention geht. Wir führen selbst ambulante Behandlungen durch für Menschen, die im Alltag abstinent sein können, sozial und beruflich eingebettet sind. Im Substanzbereich würden wir sagen: eine abstinenzorientierte Maßnahme. Es geht darum, das Spielen einzustellen.

Spielen Sie selbst Lotto oder am Poker-Tisch?

Klenke: Mir ist der Reiz des Glücksspiels fremd. Ich spiele weder an Automaten noch Roulette oder etwas anderes. An einer Tabaksucht bin ich wesentlich näher dran, da ich viele Jahre lang geraucht habe. Es ist allerdings nicht erforderlich, selbst süchtig zu sein oder gewesen zu sein, um jemanden gut beraten zu können. Ich spiele hin und wieder Lotto. Häufigkeit und Regelmäßigkeit sind wesentlich geringer als bei Sportwetten oder Automaten. In der Beratung spielt Lotto deshalb eine untergeordnete Rolle.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Dorothea Fischer
Angehörige
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Glücksspielsucht
Lotto
Poker
Sportwetten
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top