Ob Deutschland, Argentinien oder Grönland: Glas- und Kunststoffprodukte von Glaskeil finden sich überall auf der Welt. „Es gibt kein bekanntes Modelabel, dessen Läden wir nicht mitgestaltet haben“, sagt Geschäftsführer Joachim Keim. Dass die Würzburger Firma heute wieder so gut dasteht, hätte vor zehn Jahren niemand gedacht. Diverse Fehlentscheidungen hatten zur Insolvenz des Betriebs geführt. Dank der Dortmunder Jaeger Gruppe ging es ab Sommer 2008 wieder aufwärts.
Erweiterung um 5000 Quadratmeter
Heute sind die Auftragsbücher wieder gut gefüllt, das Unternehmen expandiert. „Wir vergrößern uns im Moment um 5000 Quadratmeter“, berichtet Mathias Rössel, der für den Kunststoffzweig bei Glaskeil verantwortlich ist. Möglich wurde die Erweiterung, weil die Nachbarfirma Jordan, Produzent von Holz- und Laminatböden, im vergangenen Jahr einen neuen Standort im Industriegebiet Estenfeld gebaut hat.
In den neuen Hallen will Glaskeil vor allem Sicherheitsglas herstellen. Außerdem möchte das Unternehmen seine Glasprodukte bald selbst via Siebdruck veredeln. Auch Digitaldruck soll künftig im eigenen Betrieb möglich sein. Bisher kooperiert Glaskeil hier noch mit einer regionalen Online-Druckerei.
Früher gab es nicht mal einen Computer
Die Firma dahin zu bringen, wo sie heute steht, bedeutete einen Kraftakt. Bis 2008 wurde mit völlig veralteten Maschinen gearbeitet, berichtet Rössel: „Keine einzige hatte einen Computer.“ Heute gibt es keine Anlage mehr ohne Computersteuerung. „Wir haben wirklich viel gelernt in den letzten Jahren“, so der Feinmechanikermeister.
Der endgültige Niedergang von Glaskeil lag in erster Linie daran, dass auf ein falsches Pferd gesetzt wurde: Isolierglas. Zwar gab es bis zur Jahrtausendwende einen „Isolierglas-Hype“, so Joachim Keim. Doch gründeten daraufhin etliche Isolierglasproduzenten Standorte in Ostdeutschland. Zu schnell war der Markt gesättigt. Glaskeil gehörte zu den Verlierern des damals aggressiven Preiswettbewerbs.
Sogar in die Windkraft gehen Produkte
Heute punktet Glaskeil mit einem Produktmix. „Wir stellen jeweils zur Hälfte Glas- und Kunststofferzeugnisse her“, sagt Keim. Die Kundenkartei umfasst aktuell um die 3000 Namen. Selbst für die Windkraftindustrie werden Komponenten produziert.
Die Kombi aus Kunst- und Glasproduktion ist vor allem für Ladenbauer ideal. Wer einen Laden baut oder eine Bar einrichtet, benötigt Glas für Spiegel sowie für Spiegelwürfel, auf denen besonders edle Waren wie Colliers präsentiert werden. Vitrinen, Trennwände, Theken, Werbeaufsteller und Prospektständer werden teilweise aus Glas, teilweise aus Kunststoff hergestellt. „Wir können unsere Kunden völlig neutral beraten“, so Keim. Eben weil das Unternehmen alle Produkte in beiden Materialvarianten herstellen kann. Je nachdem, welchen Zwecken die Vitrine oder die Theke konkret dienen soll, wird zu einer Ausführung in Glas oder Kunststoff geraten.
Wer geblitzt wird, verdankt das auch Glaskeil
Sowohl Glas als auch Kunststoff findet sich ebenfalls in den runden „Blitzersäulen“, die an vielen Straßen in der Region zur Tempoüberwachung des Verkehrs stehen. Glaskeil liefert sogenannte Facettenscheiben aus Acrylglas, durch die die Kamera durchschießt.
Aber auch im Inneren der Säulen stößt man auf Bauteile aus Würzburg. „Zum Beispiel für die Kamerajustierung“, erläutert Rössel. Über diverse gewerbliche Kunden finden die Glas- und Kunststoffprodukte aus Würzburg zudem ihren Weg in Museen, wo die Ansprüche an die Vitrinen steigen.
Auch in Yachten wird Würzburger Glas verbaut
Glaskeil ist heute auch ein wichtiger Partner für den Yachtbau. Hier werden, ähnlich wie beim Ladenbau, wahlweise Glas- und Kunststoffkomponenten angeboten. Das Produktspektrum reicht von den Niedergangstüren über die Windschutzscheiben und Einstiegsluken bis hin zu Handschuhfächern, Klappen, Deckel und Becherhaltern.
In nur zehn Jahren gelang es laut Joachim Keim, den Umsatz des Unternehmens etwa zu verdreifachen. Im vergangenen Jahr setzte das Glaskeil-Team an den Standorten Würzburg, Ilmenau (Thüringen) und Rimbach (Lkr. Cham) rund 20 Millionen Euro um. Insgesamt 150 Menschen sind aktuell im Unternehmen beschäftigt. Weitere Facharbeiter werden gesucht. „Als wir insolvent gingen, waren wir gerade noch 35 Leute“, so Keim. Das Gros der Mitarbeiter, insgesamt 110, ist am Würzburger Standort tätig.
Trend in der Architektur kommt Glaskeil zugute
Zur Serienproduktion etwa jener Teile für die geringelten Blitzersäulen, kommen individuelle Anfertigungen für Privatkunden. Für die Glasbau-Sparte ist Sebastian Boos verantwortlich. Boos kann seinen Kunden zum Beispiel individuell hergestellte Duschen aus Glas, Ganzglastüren, gläserne Balustraden, Verglasungen für Balkone und Brüstungen, Ganzglasgeländer oder Terrassenabdeckungen aus Glas anbieten.
Glaskeil kommt, was dieses Segment anbelangt, eine Trendwende in der Architektur zugute, sagt Geschäftsführer Keim. Bauliche Transparenz wird großgeschrieben, Gebäude sollen möglichst lichtdurchflutet sein. Getrieben wird dieser Trend durch neue technische Entwicklungen in der Glasbranche. Heute gibt es beispielsweise Sonnenschutzgläser: „Die verhindern, dass sich die Räume aufheizen.“
Zu den Vorzeigeprojekten der jüngsten Zeit gehört die Glasabtrennung der „Kreativboxen“ in der ehemaligen „Picherei“ auf dem Bürgerbräugelände in Würzburg, wo früher Fässer für die Brauerei abgedichtet wurden. Gerade an diesem anspruchsvollen Projekt, über das sogar in einer renommierten Fachzeitschrift berichtet wurde, wird die qualitative Entwicklung von Glaskeil deutlich. „Früher lieferten wir einfach Scheiben“, so Keim: „Heute geht es um einsatzbereite Systeme.“
Geschichte von Glas Keil
Glasindustrie
Im Jahr 2016 (aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor) setzte die deutsche Glasindustrie rund 9,42 Milliarden Euro um. Das waren 2,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Ergebnisverbesserung war in erster Linie dem Auslandsumsatz zu verdanken. Der lag 2016 bei 3,79 Milliarden Euro, womit er um 5,1 Prozent im Vergleich zu 2015 wuchs. In 410 größeren Betrieben mit mindestens 20 Beschäftigten waren rund 53 000 Mitarbeiter tätig.
Am umsatzstärksten war letztes Jahr der Sektor „Flachglasveredelung“. Darunter fallen zum Beispiel optische Gläser, Verbundsicherheitsglas für Fahrzeuge, Fahrzeugrückspiegel oder Wärmedämmglas. Daneben boomte die Produktion von Behälterglas – also Glas für Getränkeflaschen, Gläser für Nahrungsmittel oder Verpackungsgläser für die Pharmazie. Dahinter rangierten Spezialgläser und technisches Glas wie Glasröhren oder Glas für Thermometer. (pat)