Eines sei vorweg gesagt: Mit der wahren Historie haben die Giebelstadter Florian-Geyer-Festspiele in diesem Jahr rein gar nichts zu tun. "Zobels Zoff" heißt das Musical im Stil einer Screwball-Komödie vor mittelalterlichem Hintergrund, das Regisseur Renier Baaken seinen Darstellern auf den Leib geschrieben hat – ein gewagter Bruch mit der Tradition und ein ziemlich schräges Vergnügen für's Premierenpublikum.
Laut Lexikon ist die Screwball-Komödie eine Gattung der leichten Muse, deren wichtigste Elemente respektloser Humor, schneller Rhythmus, exzentrische Charaktere und der Kampf der Geschlechter sind. Insofern ist Baaken ein Stück wie aus dem Lehrbuch gelungen. "Du musst verrückt sein, so etwas mit Laiendarstellern und großer Besetzung zu inszenieren", hätten ihn Kollegen gewarnt, erzählt Renier Baaken. Doch nach 32 Jahren, in denen er die Geyer-Saga nach historischem Vorbild auf die Bühne gebracht hat, wollte sich der Regisseur diesen Wunsch unbedingt erfüllen - und strahlt, als nach zweieinhalb Stunden der letzte Ton verklungen ist.
Das Stück beginnt wie eine Revueshow. "Es muss nicht immer Geyer sein, zieht euch mal was andres rein", stimmen die rund 60 Darsteller ihre Zuschauer auf das folgende Spektakel ein. Der Kern der folgenden Geschichte ist schnell erzählt: Der reiche Augustus von Zobel (Rüdiger Scheer) möchte seinen trotteligen Sohn Tobias (Tobias Ulmann) zum Mann machen und lässt ihn im Turnier gegen den armen Ansgar von Geyerswörth antreten.
Um dem Schicksal auf die Sprünge zu helfen, nimmt er die Hilfe des kiffenden Alchimisten Morbus Cron (Gerhard Leber) in Anspruch – einer Mischung aus Merlin und Miraculix, der dem Kontrahenten ein Abführmittel einflößt. Der Schwertkampf endet ohne einen einzigen Hieb im Patt, weil Geyerswörth der Darm grimmt und Tobias die Blasenschwäche übermannt.
Zwischendurch schleicht sich Ansgar von Geyerswörth in ein Nonnenkloster ein und entfacht die Leidenschaft seiner Mitschwestern. Als Augustus von Zobel die schöne Elsbeth (Sandra Leber) für sich gewinnen will, muss der Zauberer nachhelfen. Doch den Liebestrank, den er mischt, schütten seine Gesellen in ein großes Fass Freibier. Der zunächst handgreifliche Streit zwischen den Giebelstadter Hausfrauen, die Gleichberechtigung fordern, und der Zobel'schen Leibgarde endet in einem fröhlichen Liebesreigen.
Gelegentlich brechen die Darsteller nach den Worten des Regisseurs "aus unerfindlichen Gründen in Gesang aus". Die Lieder, die vor allem nach Pause sehr rockig daherkommen und das Talent zum Ohrwurm haben, haben Rudolf Peters und Kai Liekenbröcker nach den Texten von Renier Baaken komponiert. Eingesungen wurden sie von Profis, doch auch beim Playback erweisen sich die Akteure auf der Bühne als textsicher.
Tatsächlich hat Renier Baaken gemeinsam mit seinem Ensemble aus ambitionierten Laien die Herausforderung gemeistert. Die Stimmung ist mitreißend, die wortwitzigen Dialoge passen und selbst der Playback-Gesang funktioniert ohne Pannen. Der Lohn für acht Monate anstrengende Probenarbeit.
Das Ergebnis ist eine wilde Mischung aus feiner Ironie und derben Zoten, gewürzt mit ein bisschen Blasphemie und jeder Menge Unsinn und Klamauk. Der Vergleich mit Monty Pythons "Ritter der Kokosnuss" drängt sich unweigerlich auf, auch wenn Renier Baaken ihn ausdrücklich verneint. Am Ende freut er sich bübisch darüber, das Publikum derart überrascht zu haben.
Die Zuschauer zollen langen Applaus, auch wenn der eine und die andere einen ganz anderen Abend erwartet hatte. Ursprünglich sollte das Stück 2020 zur 1200-Jahr-Feier der Gemeinde uraufgeführt werden. Wegen Corona musste man es zweimal verschieben. Den Traditionalisten zum Trost sei gesagt, dass "Zobels Zoff" ein einmaliger Ausflug ins Komödienfach gewesen sein soll, bevor Florian Geyer wieder auf die Festspielbühne zurückkehrt. Schon allein deshalb sollte man sich das Stück nicht entgehen lassen.
Weitere Aufführungen am 22./23./29./30. Juli, Beginn 20.30 Uhr. Karten unter www.florian-geyer-spiele.de.