Deutsche Krankenhäuser sollen ihre Patientinnen und Patienten künftig mehr nach medizinischen und weniger nach wirtschaftlichen Kriterien behandeln. Um dieses Ziel zu erreichen, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach umfassende Reformvorschläge, "eine Revolution im Krankenhaussektor", vorgestellt. Besonders im Fokus stehen dabei die Fallpauschalen, über die sich die Krankenhäuser seit fast zwei Jahrzehnten finanzieren - und die schon länger in der Kritik stehen.
Hierbei bekommen die Kliniken von den Krankenkassen pro Behandlungsfall einen pauschalen Betrag, über den sie aber auch weitgehend feste Kosten der Grundausstattung wie beispielsweise Medizintechnik finanzieren müssen. Dieses System soll sich nun ändern. Wir befragten die Krankenhäuser in Würzburg und Ochsenfurt, wie notwendig die Krankenhausreform ist und was sie für ihre Krankenhäuser bedeutet. Antworten gaben Volker Sauer und Dominik Landeck von der Geschäftsführung des Klinikum Mitte (KWM), der Ärztliche Direktor des Uniklinikums Würzburg (UKW), Professor Dr. Jens Maschmann sowie der Geschäftsführer der Main-Klinik Ochsenfurt, Christian Schell.
Ist eine Krankenhausreform in Ihren Augen unbedingt notwendig und warum?
Die Geschäftsführung des KWM sieht "eine echte Krankenhausreform inklusive Strukturveränderungen als absolut sinnvoll und notwendig". Das bisherige System, das Vergütung nur nach Leistungsmenge richtet, sei spätestens in der Corona-Pandemie an sein Ende gekommen, so Volker Sauer. Vorhalteleistungen, Notfallmedizin und Daseinsfürsorge seien bisher gar nicht oder nicht annähernd auskömmlich finanziert worden. "Um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, muss festgelegt werden, welche Leistungen vorgehalten werden sollen und dann müssen diese auch vergütet werden", heißt es weiter aus dem KWM.
Beschreiben Sie bitte kurz die Problematik der Fallpauschalen, wie Sie es in Ihrer Klinik erleben.
"Die Fallpauschalen sind die einzige Vergütung für die stationäre Behandlung eines Patienten", so die Geschäftsführer des KWM. Kämen weniger Patienten (z.B. in der Corona-Zeit) oder müsse man Betten sperren, um Patienten zu isolieren, habe das Krankenhaus sofort weniger Erlöse. "Notfallvorhaltungen sind damit nicht möglich. Jede Klinik ist (fast) gezwungen eine stetige Leistungsausweitung durchzuführen, um sich finanzieren zu können", so Dominik Landeck. "Wenn ein System nur rein wirtschaftlich funktioniert, bedient es halt nur den Regelfall", sagt Christian Schell dazu.
Kliniken sollen nun nach drei neuen Kriterien honoriert werden: Vorhalteleistungen, Versorgungsstufen und Leistungsgruppen. Welche Vorteile sehen Sie darin (oder auch nicht)?
Die grundsätzliche Idee könnte sinnvoll und zielführend sein, heißt es aus dem KWM. Durch die Vorhalteleistungen sei eine Grundversorgung der Bevölkerung sichergestellt. "Durch die Versorgungsstufe und Leistungsgruppen könnte zudem dem Qualitätsanspruch der bestmöglichen Behandlung besser Rechnung getragen werden, wenn die Kriterien maßvoll und gut erarbeitet sind und umgesetzt werden."
Von Prof. Dr. Maschmann heißt es: "Als Maximalversorger ist es für uns wichtig, dass besonders die Vorhaltekosten vernünftig finanziert werden: Universitätsklinika mit ihren besonderen Leistungsstrukturen behandeln mehr als andere Kliniken komplexe und hochaufwendige Erkrankungen. Hierfür müssen sie permanent kostenintensive Strukturen, zum Beispiel Personal, Geräte, Notfallbetten, vorhalten. Diesen Punkt greifen die vorgestellten Pläne auf, er weist in die richtige Richtung."
Ist die Einteilung der Versorgungsstufen in Grundversorgung, Regel- und Schwerpunktversorgung und Maximalversorgung sinnvoll, um einheitliche Standards zu schaffen?
Auch dies könnte grundsätzlich sinnvoll sein, so Volker Sauer vom KWM. Es gelte dabei aber genau abzuwägen, "welche Klinik zu welcher Kategorie zählt und wie man in Grenzfällen mit der Möglichkeit der Leistungserbringung umgeht". Es komme sehr auf die Ausgestaltung der Versorgungsstufen und auch der Leistungsgruppen an, "um am Ende tatsächlich einen Mehrwert zu erhalten und die Thematik nicht zu verschlimmbessern".
Bei den vorgestellten Versorgungsstufen, so der Ärztliche Direktor der Uniklinik, werde zutreffend die besondere Rolle der Universitätsmedizin mit einer eigenen Versorgungsstufe herausgestellt. Diese Sonderaufgaben der Universitätsmedizin sollten eine gesonderte Finanzierung erhalten, sagt Maschmann. "Gerade die Jahre der Corona-Pandemie haben deutlich gezeigt, dass Unikliniken neben der Patientenversorgung wichtige Aufgaben zur Weiterentwicklung der regionalen Versorgung übernehmen, etwa durch Netzwerke oder im Rahmen der Telemedizin. Auch dieser Schritt ist eine wichtige Grundlage. Gleichwohl bedarf es nun natürlich sicherlich einen langen Atem bei der Umsetzung dieser Pläne."
Derzeit behandeln Krankenhäuser gewisse Fälle häufig auch ohne passende personelle und technische Ausstattung. Die bisher grobe Zuweisung von Fachabteilungen soll nun durch genauer definierte Leistungsgruppen abgelöst werden. Wie bewerten Sie dies?
"Wenn die Leistungsgruppen sauber und gut definiert sind, kann dies durchaus zur Qualitätssteigerung beitragen. Sind sie zu großzügig formuliert, ändert sich am jetzigen System wenig bis nichts", so die Geschäftsführer des KWM. Seien sie zu eng formuliert, so könnten schnell Versorgungslücken entstehen, "wenn einzelne Leistungen nur noch in wenigen Oberzentren abgebildet werden dürfen, deren Kapazitäten für das entsprechende Patientenaufkommen gar nicht ausreichen", sagt Volker Sauer. Es gelte, sehr sorgfältig bei der Definition der Kriterien und Leistungsgruppen zu sein. Ein Schnellschuss müsse unbedingt vermieden werden.
Behandlungen sollen künftig nur noch abgerechnet werden können, wenn dem Krankenhaus die entsprechende Leistungsgruppe zugeteilt wurde. Was bedeutet das für Häuser, die nur die Basisversorgung anbieten?
Die Geschäftsführer des KWM erklären, dass diese Häuser zu einer Erstversorgungseinheit der wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung würden. "Blickt man in andere Länder, so existiert ein solches oder ähnlich geartetes System durchaus häufiger. Wenn dies gut ausgestaltet ist, sichert man die heimatnahe Versorgung und steigert die Qualität der erbrachten Leistungen in den Fachzentren", so die fachliche Meinung von Sauer und Landeck .
Die Häuser der Basisversorgung müssten dann konsequenterweise viel stärker im Bereich der ambulanten Medizin tätig werden und möglichst die starren Grenzen zwischen ambulantem und stationärem Sektor aufheben, so die Ansicht der Geschäftsführung des KWM weiter. Auch hier komme es sehr darauf an, wie die Ausgestaltung sein soll. "Wichtig zu betonen ist dabei, dass die Krankenhausplanung per se Aufgabe der Bundesländer, nicht des Bundes ist. Daher muss zwingend eine intensive Einbindung der Bundesländer erfolgen. Dies scheint bisher nicht der Fall zu sein."
Schell sieht dem kritisch entgegen. "Wir haben viele Notfälle, bei denen Patienten mit einem Problem kommen, dass sie schwer beschreiben können. Das müssen wir uns natürlich erst einmal ansehen. Wir haben einen Versorgungsauftrag. Man kann nicht sagen, dass man den Notfall behandelt und im Nachhinein schaut, was er eigentlich hatte und dann bekommt man Geld oder nicht. Da halte ich sehr wenig von."
Wie lange wird es dauern, bis die Reform wirklich umgesetzt ist?
Die Reformbemühungen seien grundsätzlich aus Sicht der Kliniken zu begrüßen, heißt es aus dem Klinikum Mitte. Der Zeitraum bis zur Umsetzung erster Reformschritte betrage jedoch mindestens ein, normalerweise mehrere Jahre, schildert Volker Sauer. "Die Kliniken benötigen bis dahin zwingend und kurzfristig finanzielle Hilfe, die deutlich über die bisherigen Ankündigungen der Bundesregierung hinaus gehen", fordern die Geschäftsführer des KWM. Dies reiche nicht ansatzweise aus, um das Überleben der Kliniken in Deutschland zu sichern. Sollten keine weiteren Unterstützungen erfolgen, würden zahlreiche Kliniken in Deutschland die Krankenhausreform nicht miterleben, da sie zuvor Insolvenz anmelden müssen, so die Geschäftsführer des KWM weiter. "Die Politik ist hier zwingend gefordert."
Der Ärztliche Direktor des UKW Maschmann merkt zudem an, dass es sich bei den Vorschlägen um Eckpunkte der Regierungskommission handelt, "entscheidend wird dann zum späteren Zeitpunkt ein Referentenentwurf sein, da es sehr viel auf konkrete Umsetzung ankommen wird".
Da erzählen einige Leute noch von Erfahrungen, die sie vor 30/40 Jahren gemacht haben und beeinflussen so das Image der Krankenhäuser.
Krankheiten, Operationen und Erfahrungen mit Ärzten scheinen ein Lieblingsthema vor allem der deutschen Rentner*Innen zu sein. Ich muss mir da auch oft ganze Arztromane anhören.
Heute haben wir uns sehr dem britischen System angenähert und unser "weltbestes" Gesundheitswesen hat viel von seinem einstigen Glanz verloren, obwohl die Beiträge (gemeint sind die Sozialabgaben) seit damals nicht gesunken, sondern rasant gestiegen sind.
Sie ziehen über pflegende Familienangehörige her. Bääh