
Keine guten Zeiten für den Chorgesang. Viele Chöre leiden unter Nachwuchsmangel und drohen zu überaltern. Die Sing- und Spielgemeinschaft Ochsenfurt (SSO) will aus der Not nun eine Tugend machen und mit einem zeitlich begrenzten Chorprojekt speziell Sängerinnen und Sängerinnen über 60 ansprechen. Dabei geht es nicht nur um Musik, sondern auch um die Vorteile des Gesangs für die Gesundheit und das seelische Wohlbefinden - um die Lebensqualität insgesamt.
"Unsere Stimme verändert sich im Alter", sagt Chorleiterin Bettina Winkler. Regelmäßiges Training trage dazu bei, dass die Sing- und Sprechstimme kraftvoll bleiben. Auch Körperhaltung und Atmung profitieren, so die ausgebildete Gesangspädagogin und Stimmtrainerin. "Es ist erwiesen, dass auch kognitive Fähigkeiten durch den Gesang erhalten oder verbessert werden."
Gesang erhält und steigert die kognitiven Fähigkeiten im Alter
Vor kurzem hat Bettina Winkler die Leitung der beiden SSO-Chöre übernommen. Sie folgte damit Olga Jakob nach, die 14 Jahre lang den Taktstock bei der Sing- und Spielgemeinschaft geschwungen hatte. Winkler hat Jazz-Gesang studiert und danach eine Chorleiterausbildung absolviert. Zehn Jahre lang führte sie in Würzburg ihren eigenen Chor, die Main Stream Singers.
Darüber hinaus leitete Bettina Winkler Chöre in Helmstadt und Erlabrunn und unterrichtet an der Uni Würzburg angehende Grundschullehrerinnen und -lehrer im Fach Musikpädagogik. Sie selbst hat ebenfalls eine weitere Ausbildung zur Musik-Geragogin begonnen, ein Fachgebiet, das sich speziell mit der musikalischen Bildung reiferer Menschen beschäftigt. Das Chorprojekt, das sie bei der SSO initiiert hat, soll Teil ihrer Abschlussarbeit werden.
"Die Menschen, die ich ansprechen will, sind die, die in Rente gehen und sich gerne weiterentwickeln wollen", sagt Bettina Winkler. Dabei kommt es ihr vor allem auf die Freude am Singen an. "Nichts Kompliziertes, sondern Lieder, die jeder kennt", beschreibt sie deshalb das geplantes Repertoire. Vor allem Hits aus den 50er und 60er Jahren möchte sie mit dem Projektchor einüben.
Offenes Angebot: Jeder kann beim Chorprojekt mitmachen
Wichtig auch: Niemand soll sich verpflichtet fühlen, dauerhaft einem Chor oder Verein beizutreten. Zwar bilden Sängerinnen und Sänger der SSO sozusagen das Fundament für den Projektchor. Zu den Chorproben alle zwei Wochen in der Roten Schule am Ochsenfurter Kirchplatz könne aber jede und jeder unangemeldet vorbeikommen und mitmachen. "Jeder, der Lust hat, ist eingeladen", sagt die Chorleiterin. Natürlich hat der Chor auch ein Ziel. Zum Abschluss des Projekts im kommenden Frühjahr soll ein öffentlicher Auftritt stattfinden.
"Wir wollen die Leute etwas herauslocken und sie ermutigen, sich für das Singen zu öffnen", sagt SSO-Vorstandsmitglied und Chorsänger Toni Gernert. "Das kann ein tolles Projekt werden." Insgeheim hofft er natürlich, das eine oder andere neue Mitglied für die Sing- und Spielgemeinschaft gewinnen zu können. Auch dort sei das Interesse an einem modernen, unkomplizierten Repertoire groß. "Nicht jeder hat Lust auf Hochleistungsgesang", so Gernert. Schließlich gehe es - wie der Name schon sagt - bei der SSO auch um die Pflege von Geselligkeit und Gemeinschaft.
Chöre sollten ein populäres Repertoire bieten
Bettina Winkler begrüßt die Entwicklung. "In den Chören sollte ein Umdenken stattfinden, hin zu mehr populären Liedern", sagt sie, "wenn wir das nicht tun, werden wir auch keine jüngeren Sängerinnen und Sänger mehr finden."
Zwei Chorproben finden noch vor der Sommerpause statt, am 11. und 25. Juli, jeweils von 17.30 Uhr bis 19 Uhr im ersten Stock der Roten Schule. Als Werbemaßnahme für ihren Projektchor setzt Bettina Winkler dabei auf die geöffneten Fenster. Hin und wieder sei es schon vorgekommen, dass Passanten Applaus geklatscht haben.
Nähere Informationen gibt Chorleiterin Bettina Winkler unter Tel. (01 72) 578 32 18.