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Giebelstadt
Gedenken an Opfer des letzten Luftangriffs vor 80 Jahren in Giebelstadt
Kerzen und Rosen wurden zum Gedenken an die Verstorbenen niedergelegt.
Foto: Nicole Schmidt | Kerzen und Rosen wurden zum Gedenken an die Verstorbenen niedergelegt.
Bearbeitet von Katja Glatzer
 |  aktualisiert: 17.04.2025 02:39 Uhr

Neun Zivilisten haben beim vierten und letzten Luftangriff auf den Fliegerhorst und Giebelstadt am 22. März 1945 ihr Leben verloren. Ihnen wurde bei einer Gedenkveranstaltung an der Linde in der Unteren Kirchgasse gedacht. Wo vor 80 Jahren mehrere Gebäude zerstört wurden, fanden sich rund 40 Menschen ein, um die Worte von Bürgermeister Helmut Krämer, Kirchenvertretern und Angehöriger betroffener Familien zu hören, heißt es in einer Pressemitteilung der Verwaltungsgemeinschaft. Musikalisch umrahmt wurde das Gedenken von Yvonne Göbel und Michael Schäffner.

Die Berichte über bereits verstorbene Zeitzeugen direkt an Ort und Stelle zu hören, habe laut Krämer noch einmal eine ganz andere Wirkung. Er betont: „Wir müssen alles dafür tun, dass Frieden bleibt." Die Veranstaltung, die von Gemeinderatsmitglied Helmut Mantel initiiert und organisiert wurde, ist eine „würdige Fortführung der Erinnerungskultur“. Bereits in den letzten Wochen fanden in Giebelstadt Veranstaltungen statt, die sich mit den Ereignissen rund um das Kriegsende im Ort auseinandergesetzt hatten, darunter auch ein Zeitzeugen-Gespräch.

Martin Richter, Helmut Mantel und Roland Mark trugen Zeitzeugenberichte vor.
Foto: Nicole Schmidt | Martin Richter, Helmut Mantel und Roland Mark trugen Zeitzeugenberichte vor.

Geschichten von Zeitzeugen

Die Familie des ehemaligen Leiters des Standesamtes, Roland Mark, zum Beispiel wohnte 1945 in der Unteren Kirchgasse. Dass sein Elternhaus bei den Luftangriffen fast komplett zerstört wurde, davon ist heute nichts mehr zu sehen. Mark ging auf der Gedenkveranstaltung nicht nur auf die Schäden im Ort ein, sondern nannte auch die Namen der Verstorbenen, unter denen sich auch zwei Kinder sowie ein 19-jähriger italienischer Staatsangehöriger befanden. „Auf dem Feld gegenüber dem Anwesen von Otto Scheer, war eine vom Fliegerhorst ausgelagerte Fliegerkompanie, in der italienische Militärinternierte beschäftigt waren“, schilderte er. „Nachdem das Schulhaus von Bomben beschädigt worden war, ist einer von ihnen schutzsuchend über die Reichsstraße 19 zum Nachbaranwesen gelaufen und in den Trümmern der von einer Bombe getroffenen, dortigen Maschinenhalle ums Leben gekommen.“

Im Foto v.l.: Pastoralreferent Benedikt Glaser, Pfarrerin Christine Schlör und Bürgermeister Helmut Krämer sprachen auf der Gedenkveranstaltung.
Foto: Nicole Schmidt | Im Foto v.l.: Pastoralreferent Benedikt Glaser, Pfarrerin Christine Schlör und Bürgermeister Helmut Krämer sprachen auf der Gedenkveranstaltung.

Es folgte Helmut Mantel, der stellvertretend für Familie Sichel, den Zeitzeugenbericht von Louise Müller wiedergab. Müller berichtete über „riesige Rauchwolken“ im Unterdorf. „Papa dachte sofort, dass es im Zobelhof brennen würde. Dies war aber nicht der Fall, dafür brannte es im Wohnhaus des Schwab‘schen Hofes lichterloh und in der nächsten Gasse die Straße hinunter brannten auch mehrere kleine Häuser“, heißt es dort. Überall habe es laut ihr „furchtbar“ ausgesehen. Als letztes sprach Martin Richter, der den Bericht von Rosel Richter, der Tochter des damaligen Bürgermeisters Otto Scheer vortrug.

Lange militärische Geschichte

Pastoralreferent Benedikt Glaser blickte auf das bröckelnde deutsch-amerikanische Verhältnis, bevor er auf die Rolle des Fliegerhorsts und den Einzug der US-Soldaten im Ort einging. Gerade Giebelstadt sei aufgrund seiner militärischen Geschichte eng mit dem Nationalsozialismus verknüpft gewesen. Er sprach von einer „kollektiven Schuld, der wir uns heute stellen müssen“. Doch gerade viele Jüngere seien mit Blick auf die Aufarbeitung unzufrieden. Als Vorbild könne laut ihm die jüdische Erinnerungskultur dienen, wo „Gott selbst Bezugspunkt ist“.

Die evangelische Pfarrerin Christine Schlör rief das Schicksal des Theologen Dietrich Bonhoeffer in Erinnerung, der gegen die Nazis kämpfte und hingerichtet wurde. Dieser sagte einst: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will“. Laut ihr gebe es neben dem Schweren auch Schönes, auf das man sich freuen könne – gerade auch mit Blick in die Zukunft. Hoffnungsvolle Worte zum Ende einer emotionalen, 60-minütigen Gedenkveranstaltung.

 
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