Funkelnde Sterne am dunklen Himmelszelt dürften so ziemlich jeden faszinieren und kaum jemand würde bestreiten, dass er sich beim Anblick einer Sternschnuppe noch nie etwas gewünscht hat. Doch in die Tiefen des Weltraums tauchen nur wenige ein. Vielen fehlt die Geduld und auch das Equipment scheint zu teuer zu sein. Georg Keller ist das schnuppe - wann immer es geht, baut er sein Teleskop auf und blickt gen Himmel.
"Ich war fünf oder sechs Jahre alt, als mich mein Bruder, der bei den Pfadfindern war, auf einen nächtlichen Ausflug mitnahm. Das an sich war schon cool, aber er erklärte mir auch die Sternenbilder - ab da war es um mich geschehen", erklärt er sein beginnendes Interesse für die Astronomie. "Mich hat es fasziniert, wie er aufgrund der Sterne den Weg aus dem Wald zurückfand." Neben Pfadfindern würden sich heute nur noch Seefahrer danach richten. Ein bedeutender Wegweiser dabei ist der Polarstern, denn der ist immer an der gleichen Stelle am Himmel zu finden- nämlich im Norden, weshalb er auch Nordstern genannt wird.
Der Polarstern ist der Fixstern am Himmel
Dieser sei sogar im Sommer leicht zu finden, in den Wintermonaten allerdings - wenn es besonders und lange dunkel ist - besticht er durch seine ausdrucksvolle Strahlkraft. Ebenso wie viele andere Sterne beziehungsweise Galaxien wie beispielsweise der Orion- oder Pferdekopfnebel. Deshalb ist der Winter die Jahreszeit für Georg Keller schlechthin - wie für alle Astronomen. "Doof wird es nur, wenn der Himmel bedeckt ist", meint der 61-jährige Gärtnermeister und schaut missmutig nach draußen. Der Himmel ist tief verhangen und es regnet.
Überhaupt wohne er im nördlich gelegenen Thüngersheim ungünstig, wie er sagt. "Am nördlichen Sternenhimmel bewegt sich nicht viel – auch im Winter nicht." Er erklärt es mittels einer drehbaren Himmelscheibe, ein astronomisches Hilfsmittel, an dem sich jeder orientieren kann. Der Polarstern dient dabei als Fixstern, um den sich alle Himmelskörper drehen. Damit lässt sich fast jedes Sternenbild leicht finden.
Bei klaren Sichtverhältnissen hält es den sonst eher ruhigen Mann nicht länger drinnen. Dann schnappt er sich seine Ausrüstung, stellt sich nächtens stundenlang in den heimischen Garten oder baut das Teleskop am örtlichen Modellflugplatz oder woanders auf – und wartet. Zunächst einmal darauf, dass sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnen. "Profis nehmen sich dafür gerne bis zu einer Dreiviertelstunde Zeit. Erst dann hat sich die Pupille so geweitet, dass man überhaupt etwas erkennt", erklärt Keller. Dazu muss man wissen, dass Galaxien aus vielen Milliarden Sternen bestehen. Was man mit "bloßem Auge" am Himmel erkennt, sei meistens nicht nur ein Stern, sondern eben eine Galaxie.
Galaxien bestehen aus Milliarden von Sternen
Ein Beispiel dafür ist der Andromeda-Nebel, den viele Menschen zwar schon gesehen haben, sich aber dessen nicht bewusst sind, weil sie die Sternenbilder nicht mehr kennen. "Die meisten erkennen nicht einmal mehr den kleinen oder großen Wagen am Himmel." Mit Sternenbildern kennt sich Georg Keller aus. Welche westlich oder östlich vom Polarstern wann zu sehen sind, muss er nach über 50 Jahren Erfahrung nicht mehr nachschlagen. Anders sieht es da schon auf die Nachfrage aus, wie viele Lichtjahre beispielsweise der Andromeda-Nebel von unserem Sonnensystem entfernt ist? "Das ist und bleibt für mich eine so unvorstellbare Größe, dass ich es zu müßig finde, um mich damit zu beschäftigen." Dann greift er aber doch zum Buchregal und schlägt in einem der vielen Lexika nach. Allerdings: "Was hilft es mir weiter, wenn ich weiß, dass diese Galaxie 2,5 Millionen Lichtjahre entfernt ist und eine Gesamtmasse von 800 Milliarden Sonnenmassen besitzt?"
Vielmehr interessiert den passionierten Hobby-Astronomen, bestimmte Galaxien und Planeten aufs Foto zu bannen. "Denn erst durch eine lange Belichtungszeit mit der Kamera erhalten die Sternenbilder die fantastischen Farben" erklärt er. Rein durch das Teleskop betrachtet sehe man nur schwarz-weiß. Und um Planeten scharf festzuhalten, fotografiert man sie nicht, sondern "man muss sie filmen, um ein Einzelbild herausfiltern zu können", weiß er. Um aber genau diese Bilder zu erhalten, bedarf es einer Ausrüstung, die man erst einmal beisammen haben muss. Das kostet Geld. "In den vergangenen 40 Jahren habe ich eine fünfstellige Summe ausgegeben", sagt er fast ein wenig verlegen." Seiner Frau habe er bislang nie verraten, wie lieb und teuer ihm sein Hobby ist. "Aber ich kaufe auch viele Dinge gebraucht oder baue sie teils selbst."
Der Saturn ist eine Herausforderung für jeden Astronomen
Das ist ohne Hilfe jedoch kaum möglich. Vieles habe er von Pater Christoph aus dem Kloster Münsterschwarzach gelernt, der dort eine eigene Sternwarte betreibt. Zudem treffe er sich mit 15 bis 20 Gleichgesinnten aus der gesamten Region einmal im Monat zum Stammtisch, an dem über die neuesten technischen Errungenschaften ebenso wie über aktuelle Himmelsereignisse gefachsimpelt wird. Ein solches Ereignis zieht Tausende von Menschen im Juli 2018 in seinen Bann. Allein 50 bis 60 Hobby-Astronomen sind laut Keller auf die Erhöhung des Thüngersheimer Modellflugplatzes gepilgert, um die Mondfinsternis zu bestaunen. "Erwachsene Männer kriegen da leuchtende Augen wie Kinder zu Weihnachten, wenn sich dieser Planet hinter dem Schatten der Erde versteckt."
Ein Funken blitzt in seinen Augen auf, als man ihn nach weiteren Höhepunkten in seiner Astronomie-Laufbahn fragt. Der Orionnebel, das typische Winter-Sternenbild, sei schon etwas ganz Besonderes, aber der Saturn, dessen Bild er erst nach mehrmaligen Versuchen eingefangen hat, verzückt ihn bis heute. "Es dauert so lange, bis man den Ring um diesen Planeten sieht - das ist einfach fantastisch."
Unfassbar schön bleiben ihm aber auch die Erinnerungen an seinen Aufenthalt in Lappland. Dort verbrachte er 2017 zwei Wochen mit Freunden, um endlich einmal die Polarlichter einzufangen. "Du sitzt stundenlang jede Nacht da und kannst es kaum fassen", schwärmt er. Auch in Deutschland könne man Polarlichter theoretisch beobachten - die starke Lichtverschmutzung aber vergelle einem das Vergnügen.
Die Magellanischen Wolken wären ein Traum
Wovon träumt dieser Mann aber noch, wenn er auf der Couch im Wohnzimmer nickert? Welches Sternenbild ist so schwierig zu erhaschen, dass es ihm immer noch nicht geglückt ist, es einzufangen? Und glaubt er an Außerirdische? Haben Astronomen eigentlich vor Himmelsereignissen Angst?
"Ein Aufenthalt in Südafrika wäre ein Traum." Dort könne man die Magellanschen Wolken besonders gut beobachten. Nach der Milchstraße, dem Andromedanebel und dem Dreiecksnebel sind die Magellanschen Wolken die viertgrößte Galaxie. Bei Betrachtung all dieser scheinbar unwirklichen Welt am Firmament stellt sich die Frage: Gibt es nun Außerirdische oder nicht? "Jeder Astronom glaubt an Außerirdische. Das erklärt sich allein schon aus den physikalischen und biochemischen Prozessen. Wenn bestimmte Voraussetzungen wie Sauerstoff, flüssiges Wasser (also kein Eis), Kohlenstoff und Methan auf einem Planten vorhanden sind, entsteht Leben. Wie das allerdings aussieht, weiß niemand von uns."
Angst vor diesen unbekannten Wesen – sofern sie wirklich existent sind – scheint er nicht zu haben. Vielmehr sorgt ihn die Zukunft, wenn wieder mal eine Supernova – eine Sternenexplosion - auf die Erde niederprasselt. "Allein durch die elektromagnetischen Wellen würde alles zerstört werden", erklärt Keller. Einzig die riesigen Gesteinsbrocken, sofern sie nicht in der Atmosphäre verglühen, würden etliches Leben auf der Erde auslöschen." Bis dahin aber dürfte es noch einige Lichtjahre dauern. Denn selbst Experten sind sich uneinig, wann eine solche Supernova wieder geschieht und gar darüber, welche Auswirkungen sie hat. Für das Jahr 2019 muss sich offenbar niemand sorgen.
Wer Interesse am Stammtisch oder anderweitiger Fachsimpelei hat, kann sich unter www.forum-stellarum.de informieren.