
Zwei Euro pro Semester und dafür gratis in alle Vorstellungen des Mainfranken Theaters? Was utopisch klingt, ist der Vorschlag für ein „Semesterticket Theater“, das in Würzburg eingeführt werden soll. Mittlerweile haben sich namhafte Politiker verschiedener Couleurs hinter das Projekt gestellt. Doch es gibt auch Widerstand – und zwar an entscheidender Stelle.
Die Initiative kam aus der Studierendenvertretung der Uni, die Theaterleitung nahm sie gerne auf und wirbt für das gemeinsame Konzept. Problem nur: Weil es in Bayern keine verfasste Studentenschaft gibt, bleibt nur die finanzielle Abwicklung über das Studentenwerk – und einen Zwei-Euro-Aufschlag auf dessen Semesterbeitrag von aktuell 50 Euro pro Halbjahr. Doch das Studentenwerk stellt sich quer, Geschäftsführer Michael Ullrich lehnt eine „Subventionierung eines öffentlichen Theaters durch die Studierenden“ ab.
Online-Petition der Studierenden läuft noch bis zum 4. Dezember
Am 5. Dezember befindet der siebenköpfige Verwaltungsrat des Studentenwerks über die Theater-Flatrate, die – wie das ÖPNV-Ticket auch – von allen Studierenden am Standort Würzburg zu bezahlen wäre, unabhängig von der tatsächlichen Nutzung. Studierenden-Initiator Stephan Hemmerich ist vom Erfolg des Projektes überzeugt. Mit einer Online-Petition („Lust auf Theater“) sollen noch bis 4. Dezember möglichst viele Unterschriften gesammelt werden, um dem Anliegen Nachdruck zu verleihen. 5000 Studenten-Unterschriften sind das selbstgesteckte Ziel, am Mittwochnachmittag stand man online bei 3200, plus einige hundert „analoge“ Unterschriften.
Markus Trabusch, Intendant des Mainfranken Theaters, setzt nach eigenen Worten auf eine „Öffnung unserer Bühne hin zur Stadtgesellschaft“. Man wolle den Bildungsauftrag ernst nehmen und mögliche Barrieren abbauen, um noch mehr junge Leute für das Theater zu begeistern. Auch der kaufmännische Leiter Dirk Terwey freut sich über das Interesse der Studierenden, es handele sich um ein „innovatives Projekt für Würzburg“.
Studentenkontingent: Fünf Prozent der Sitzplätze und freie Restkarten
Einen Nutzen hätte das Mainfranken Theater auch in finanzieller Hinsicht: Bei derzeit 35 000 Studierenden an den drei Würzburger Hochschulen käme das Theater auf verlässliche Einnahmen aus dem Semesterticket von jährlich rund 140 000 Euro. Dafür, so sieht es die Vereinbarung vor, müsste das Drei-Sparten-Haus in jeder Vorstellung fünf Prozent der Sitzplätze (verteilt über alle Preiskategorien) gratis für Studenten freihalten. Hinzu kämen nicht verkaufte Restkarten.
So rechnet Geschäftsführer Ullrich für das Studentenwerk mit einem Kontingent von rund 9000 Tickets pro Spielzeit. Damit käme eine – solidarisch von allen Studenten finanzierte – Einzelkarte auf 15 Euro. Diese Zahlen zugrundegelegt, hätte maximal nur ein gutes Viertel der Studenten überhaupt die Gelegenheit, das „Semesterticket Theater“ zu nutzen. Oder noch weniger, wenn kulturinteressierte Studenten gleich mehrfach ins Theater gehen.
Studentenwerk: Geschäftsführer lehnt ein Theater-Semesterticket ab
„Für mich passt hier die Gegenleistung nicht“, kritisiert der Chef des Studentenwerks. Es sei auch nicht dessen Aufgabe, „Studierende an Hochkultur heranzuführen“. Vielmehr unterstütze man aus den Beiträgen studentische Kultur wie etwa die Studiobühne als Uni-Theater mit jährlich acht Stücken. Für deren Aufführung samt Proben wird die Stadtmensa zur Verfügung gestellt. Ullrich spricht von „reinem Konsum“ und hat Probleme mit dem Gratis-Gedanken: „Was nichts kostet, ist nichts wert.“
Der Geschäftsführer wittert gar eine Verschlechterung durch das Semesterticket, denn bis dato verkauft das Mainfranken Theater für die meisten Vorstellungen sogenannte „Mensa-Tickets“ zum Preis von sechs Euro an Studierende. Außerdem können Erstsemester bei freien Plätzen einmal gratis ins Mainfranken Theater. Generell erhalten Studierende – wie auch Azubis oder Arbeitslose – eine Ermäßigung von 50 Prozent.
Das Studentenwerk schlägt eine Alternative vor: Studierende sollten einen Eigenanteil von sechs Euro pro Theaterbesuch bezahlen, und das Studentenwerk bezuschusst diese Tickets mit zwei Euro. Somit würden nur tatsächlich verkaufte Karten subventioniert. Der Semesterbeitrag müsste laut Ullrich dafür nicht angehoben werden.
Politisch ist das Studentenwerk unter Druck. Würzburger Persönlichkeiten und Landespolitiker haben sich demonstrativ hinter das Theater-Semesterticket gestellt. Unterstützt wird es von den Landtagsabgeordneten Oliver Jörg (CSU), Georg Rosenthal (SPD) und Kerstin Celina (Grüne). Sie alle treten in einem Unterstützer-Video auf, das von den Studierenden über das soziale Netzwerk Facebook veröffentlicht wurde. Auch die Staatsregierung finde das Semesterticket Theater „spitze“, wird der Hochschulpolitiker Jörg zitiert. Ähnlich der FDP-Bundestagsabgeordnete Andrew Ullmann: Das Ticket sei nicht als Subvention, sondern als „Investition in die Zukunft des Landes“ zu verstehen. Neben den Politikern befürworten auch die Würzburger Kulturschaffenden Evelyn Meining (Mozartfest), Ralf Duggen (Dachverband freier Kulturträger) und Joachim Schulz (Posthalle) die Initiative.
Initiator Stephan Hemmerich: „Das Semesterticket ist fair“
Vom Widerstand und den Zahlen des Studentenwerks will sich der Projektverantwortliche Stephan Hemmerich nicht beirren lassen, er hofft auf einen starken Endspurt bei der Online-Petition. Das Semesterticket sei fair für beide Seiten. Hemmerich geht bei einer Theaterauslastung von 75 Prozent von deutlich mehr freien Restkarten aus – bis zu fünfmal so viele wie das garantierte Fünf-Prozent-Kontingent. Jeder, der wolle, könne für zwei Euro Aufschlag auf den Semesterbeitrag die Theatervorstellungen besuchen.
Die vom Geschäftsführer des Studentenwerks angesetzten Ticketzahlen seien viel zu niedrig und „aus der Luft gegriffen“. Er selbst, so Hemmerich, verlasse sich auf die offiziellen Daten des Mainfranken Theaters. Und danach hätten Studierende zuletzt rund 140 000 Euro pro Jahr bei ihren Besuchen im Theater gelassen – diese Summe entspreche einem Gegenwert von fünf Prozent aller Sitzplätze. Und weil noch viele Restkarten dazukämen, sei das Ticket „auf jeden Fall ein Gewinn für die Studierenden“.
Fachschaften sammeln Unterschriften auch in den Vorlesungen
Hemmerich sieht eine breite Unterstützung unter den Kommilitonen. Erst an diesem Mittwoch besuchte er eine Geografie-Vorlesung und stellte das Projekt vor: Rund 500 Studierende, etwa 95 Prozent im Hörsaal, unterschrieben die Petition. Die einzelnen Fachschaften wollen dieser Tage noch weitere Unterschriften sammeln. Alle drei Studierendenvertretungen haben sich für das Zwei-Euro-Theaterticket ausgesprochen – an der Universität, der Hochschule für angewandte Wissenschaften (FHWS) und der Hochschule für Musik. Während Hemmerich für ein solches Semesterticket deutschlandweit ein gutes Dutzend vergleichbare und erfolgreiche Modelle kennt, wäre es in Bayern in dieser Art bis dato einzigartig.
Die Online-Petition im Internet:
www.openpetition.de