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Würzburg
Freiheitsstrafe auf Bewährung: Würzburger Schmerzpatient unterliegt in Cannabis-Berufungsprozess
"Ein kleiner Vorrat wäre okay gewesen", urteilte das Würzburger Landgericht. Doch weil die selbstangebaute Menge Cannabis höher war, blieb es bei der Haftstrafe. 
Aus Angst vor Versorgungsengpässen selbst Hanf angebaut: Ein Würzburger Schmerzpatient, der einen größeren Vorrat an Cannabis hatte, wurde am Donnerstag erneut verurteilt. 
Foto: Sebastian Kahnert | Aus Angst vor Versorgungsengpässen selbst Hanf angebaut: Ein Würzburger Schmerzpatient, der einen größeren Vorrat an Cannabis hatte, wurde am Donnerstag erneut verurteilt. 
Patrick Wötzel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:08 Uhr

Günter W. war nicht überrascht: Der Schmerzpatient ist auch in der Berufungsinstanz wegen Betäubungsmittelbesitz in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. "Wir sind in Bayern. Woanders wäre es vermutlich anders ausgegangen, aber in Würzburg habe ich nichts anderes erwartet", sagte der 57-Jährige unmittelbar nach dem Urteil des Landgerichts am Donnerstag.

Mehr als zwei Kilogramm geerntet

Günter W. leidet seit einem Motorradunfall vor knapp 20 Jahren an schweren chronischen Schmerzen und erhält zur Therapie 90 Gramm medizinisches Cannabis pro Monat – ärztlich verordnet und von seiner Krankenkasse bezahlt. Trotzdem pflanzte er auf einem Acker, auf dem ein Landwirt Nutzhanf angebaut hatte, mehrere Cannabis-Pflanzen an, die auch prächtig gediehen und ihm im Herbst 2020 eine Ernte von mehr als zwei Kilogramm Marihuana einbrachten.

Als die Polizei im Februar 2021 in seiner Garage das selbstangebaute Marihuana fand, kam der 57-Jährige erst zwei Monate in Untersuchungshaft und dann auf die Anklagebank. Das Amtsgericht verurteilte ihn zu einem Jahr und zehn Monaten Haft auf Bewährung, W. legte Berufung ein. Sein Ziel: ein glatter Freispruch. Als Begründung gibt er die schlechte Versorgungslage von Cannabis-Patienten in Deutschland vor zwei Jahren an. Weil er Versorgungslücken befürchtete, habe er sich einen Vorrat anlegen wollen.

Argument: Abgabe von Cannabis durch Apotheken nicht gesichert 

"Er leidet an unerträglichen Schmerzen, hat Angst vor diesen Schmerzen und braucht seine Hanfblüten, um am Leben teilnehmen zu können", betont Verteidiger Matthias Schillo aus Potsdam, der bundesweit Schmerzpatienten vertritt und für Günter W. bereits 2016 eine Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis vor dem Verwaltungsgericht Köln erstritten hat. Das Urteil wurde hinfällig, weil die Bundesregierung kurze Zeit später die Kostenerstattung von Cannabis-Produkten zu medizinischen Zwecken durch die Kassen gestattete.

"Die Versorgung funktioniert aber nicht", sagt Schillo. Deutsche Erzeuger könnten den aktuellen Jahresbedarf von rund acht Tonnen nicht decken: "Das meiste wird aus Holland importiert, hat aber teilweise eine unterirdische Qualität." Tatsächlich bestätigte jetzt in der Berufungsverhandlung ein Cannabis-Patient aus Schweinfurt im Zeugenstand, dass zumindest bis Herbst 2020 die regelmäßige Abgabe durch unterfränkische Apotheken nicht gesichert war.

Würzburger Apotheker kurzfristig als Zeuge gerufen

Der Inhaber der Würzburger Röntgen-Apotheke, die sich auf die Hanfblüten-Therapie spezialisiert hat, wurde daher vom Vorsitzenden am dritten Verhandlungstag kurzfristig per Telefon als Zeuge geladen. "Selbst bei uns sind die Lager 2020 teilweise leer gewesen", gab der Apotheker am Donnerstag zu Protokoll. "Die Versorgungslage war schwierig und wurde durch Corona noch schwieriger. Man konnte nicht vorhersehen, welche Sorten wann zu bekommen waren."

Aufgrund dieser Situation habe bei Günter W. ein rechtfertigender Notstand vorgelegen, der Besitz von Betäubungsmitteln sei daher nicht strafbar, argumentierte Anwalt Schillo. Dem wollte sich das Gericht vor allem wegen der großen Menge nicht anschließen. "Um Sicherheit zu haben, hätte ein Bruchteil davon gereicht. Ein kleiner Vorrat wäre okay gewesen", sagte der Vorsitzende Richter Konrad Döpfner. Dem toxikologischen Gutachten kann entnommen werden, dass in den sichergestellten Pflanzen und Haschisch-Brocken knapp 250 Gramm des berauschenden Wirkstoffs THC enthalten waren. Bei Marihuana liegt bereits ab 7,5 Gramm keine geringe Menge zum Eigenverbrauch mehr vor, bei der die Justiz von einer Bestrafung absehen kann.

Minder schwerer Fall: Strafe auf 15 Monate Bewährungshaft reduziert

Immerhin gingen die Würzburger Richter wegen der Gesamtumstände von einem minder schweren Fall aus und reduzierten die Strafe auf 15 Monate Haft auf Bewährung, außerdem verzichteten sie auf eine Bewährungsauflage. Der Verteidiger wird trotzdem Revision einlegen: "Die Strafe wurde unmerklich reduziert, aber es ist in diesem Fall keine strafrechtlich relevante Situation", sagte Schillo. Er wird für Günter W. auch weiterhin um die Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis kämpfen.

 
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Kommentare
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  • mainpost@swamp.franken.de
    Es wäre interessant, wenn ergänzt werden könnte, wie die Mengen zusammenhängen.

    Mal ist die Rede von 90 g Cannabis , mal von 2 kg Marihuana, mal von 250 g THC. Wie kann man das "umrechnen"?
    Oder wieviele Monate würden ihm die 2 kg reichen?
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