
"Esst Fleisch für den Klimaschutz": Mit dieser Aussage machte kürzlich der bayerische Bauernpräsident Günther Felßner Schlagzeilen. Der Mittelfranke pries die deutsche Landwirtschaft als "Wirtschaftssektor, der den Pariser Klimaschutzzielen schon am nächsten" sei. Seiner Meinung nach ist der Verzicht auf Fleischkonsum fürs Klima "völlig falsch". Ob der Bauernpräsident mit dieser Behauptung richtig liegt, fragten wir den Agrarökonom Dr. Claus Deblitz.
Deblitz arbeitet seit über 20 Jahren am Thünen-Institut, einer Forschungseinrichtung des Bundes in Braunschweig. Sein Spezialgebiet sind Analysen der Rindfleisch- und Schafproduktion, ihrer Wirtschaftlichkeit, Rahmenbedingungen und Perspektiven im weltweiten Zusammenhang. Sein Fazit: Die Viehwirtschaft in Deutschland sei zwar effizienter und damit emissionsärmer als in vielen anderen Ländern und daher unbedingt zu erhalten. Von Klimaneutralität könne aber keine Rede sein. Nur eine geringere Nachfrage der Verbraucher nach tierischen Produkten weltweit könne die Emissionen aus der Landwirtschaft weltweit senken. Ein Interview.

Dr. Claus Deblitz: Ich halte sie für nicht hilfreich.
Deblitz: Das Thema ist sehr komplex. Es geht schon bei der Frage los: Wie definiert man Landwirtschaft? Der Bauernpräsident spricht wohl von der "Urproduktion" in Bayern und dann im Idealfall auch noch von extensiver Grünlandwirtschaft, also von Kühen auf der Weide. Rechnet man aber beispielsweise die Futtermittel, den Pflanzenschutz, die Landnutzungsänderungen (Äcker statt Wald), die lebensmittelverarbeitende Industrie oder die Nahrungsmittelverluste in die landwirtschaftlichen Emissionen hinein, dann können wir nicht von Klimaneutralität sprechen.
Deblitz: Nein. Denn Kühe sind Wiederkäuer. Sie rülpsen und stoßen dabei Methan aus. Dazu kommen Methan- und Lachgasemissionen über den Wirtschaftsdünger, bei Rinderhaltung also über die Gülle. 2021 kamen laut Umweltbundesamt 65 Prozent der Methan- und 77 Prozent der Lachgas-Emissionen in Deutschland aus der Landwirtschaft. In jedem Fall verursacht die Produktion von Futtermitteln CO2-Emissionen. Diese Emissionen werden fast ausschließlich durch die Verbrennung fossiler Energien verursacht. Hier hat der Bauernpräsident Recht.
Deblitz: Der Treibhauseffekt von Methan ist zunächst 28 Mal stärker als der von CO2. Auf der anderen Seite ist Methan ein Treibhausgas, das in der Atmosphäre innerhalb eines Zeitraums von 30 Jahren wieder zerfällt – wohingegen jedes Kilo CO2, das mit dem Auto, dem Flugzeug oder dem Kohlekraftwerk freigesetzt wird, länger als 1000 Jahre in unserer Atmosphäre bleibt. Manche fordern, den Rinderbestand abzubauen, weil uns das durch einen "Cooling-Effekt" Zeit verschaffen würde, bis wir eine Technologie haben, mit der wir CO2 aus der Atmosphäre herausbekommen.

Deblitz: Nein - und darauf hat der Bauernpräsident vermutlich abgezielt. Wir brauchen eine globale Sichtweise! Es nützt nichts, all unsere Rinder zu schlachten, solange die weltweite Nachfrage nach Fleisch nicht sinkt. Die Emissionen pro Kilogramm erzeugtes Rindfleisch sind zum Beispiel in Brasilien etwa sieben Mal höher als bei uns. Unsere Rinderhaltung in Deutschland ist viel effizienter. Schaffen wir unsere Rinder ab und bleibt die Nachfrage aber gleich, wird dieses Fleisch in weniger effizienten Systemen produziert und die Emissionen könnten weltweit sogar steigen.
Deblitz: Pflanzen binden CO2. Sobald die Kuh das Gras aber gefressen hat oder der Bauer die Ackerpflanze geerntet hat, wird dieses CO2 wieder freigesetzt. Das ist also tatsächlich ein Kreislauf. Böden können ebenfalls Kohlenstoff speichern. Aber auch nur bis zu einem gewissen Grad. Irgendwann hat der Boden einen so hohen Humusgehalt, dass er "gesättigt" ist und kein zusätzliches CO2 mehr aufnimmt. Man kann mit Humusanreicherung also Zeit gewinnen, langfristig ist aber beides ein Nullsummenspiel. Das gilt in Brasilien wie in Deutschland.
Deblitz: Ja und nein. Biofleisch wächst langsamer. Ein Bioschwein hat eine schlechtere Futterverwertung als ein Schwein aus konventioneller Haltung. Man braucht also mehr Fläche mit normalerweise geringeren Ökoerträgen, um dieses Ökoschwein zu füttern. Andererseits ist die Umweltwirkung auf der Anbaufläche geringer als in konventioneller Produktion. Und bio ist in der Regel besser für die Biodiversität und das Tierwohl.
Deblitz: Was Methan betrifft, stimmt das. Schweine und Hühner emittieren zwar kein Methan, ihre Treibhausgasemissionen pro Kilogramm Fleisch sind also wesentlich niedriger als bei einem Rind, doch dafür haben sie durch ihre Futtermittel eine Wirkung aufs Klima. Laut Statistischem Bundesamt werden auf 60 Prozent unserer Ackerflächen in Deutschland Futtermittel angebaut. Das ist vor allem Getreide. Und der Großteil dieser Futtermittel wird an Schweine und Hühner verfüttert. Dazu kommt: Wenn Sie die Emissionen nicht auf ein Kilogramm Produkt, sondern auf Nährstoffe beziehen, dreht sich das Verhältnis praktisch um. Rotes Fleisch, wie Rind oder auch Wild, enthält Eisen, die Vitamine B6 und B12, Mineralstoffe wie Zink. Hühnerfleisch ist vor allem Eiweiß. Da können Sie eigentlich auch Erbsen essen. Die haben eine bessere CO2-Bilanz.
Deblitz: Es kommt – wie bei fast allen Lebensmitteln – auf die Menge an, die Sie essen. Der Durchschnittsdeutsche verzehrte im Jahr 2022 etwa 52 Kilogramm Fleisch. Folgen Sie den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, reichen aus ernährungsphysiologischer Sicht 30 Kilogramm pro Jahr für eine vollwertige Ernährung aus. Das wären knapp 600 Gramm – also nicht mehr als zwei bis drei Steaks – pro Woche.
Aber es lebe die Bratwurst.
https://www.landwirtschaft.de/diskussion-und-dialog/umwelt/energie-aus-nachwachsenden-rohstoffen
https://www.dvtiernahrung.de/aktuelles-detail/zu-viel-fuer-futteranbau-in-deutschland-agrarflaechen-und-ihre-nutzung
https://www.naturschutz-energiewende.de/fragenundantworten/147-vergleich-flaecheneffizienz-bioenergie-photovoltaik-windenergie/
(diese Tage erst wieder live gesehen, es ist zum k.....!)
Mit gesunden Menschenverstand macht man das, gerade in Zeiten von Starkregen der alles gleich wegschwemmt, neben aktiven Bachläufen nicht. Da könnte man die Gülle auch gleich in den Main kippen.
Sie diskreditieren einen Berufsstand!
Das ist schlicht eine falsche Behauptung, die alle Landwirte an den Pranger stellt! Das was Sie beschreiben gibt es in der Realität nicht!
"Dem Klima ist es egal wo die Kuh furzt"
Deutsche Standards in der Tierhaltung sind und bleiben einfach mit die besten.
Dass auch Agrarökonom Dr. Claus Deblitz unzutreffende Zahlen nennt, erstaunt mich.
Laut Deblitz ist der Treibhauseffekt (auf 100 Jahre betrachtet) von Methan 28-mal stärker als der von CO2. Methan zerfällt nach seiner Aussage nach 30 Jahren. Was soll dann der Betrachtungszeitraum von 100 Jahren.
Unter https://de.wikipedia.org/wiki/Treibhauspotential steht Treibhauseffekt von Methan von 84 (bezogen auf 20 Jahre). Das ist für die aktuelle Klimasituation relevanter.