Deutschunterricht in der freien Natur, auf zusammengezimmerten Balken sitzend. Für die Schüler der Realschule am Maindreieck in Ochsenfurt ist dies nichts Ungewöhnliches mehr. Die Hälfte der rund 40 Lehrkräfte nutzen regelmäßig eine kleine Waldfläche neben dem Sportgelände am Lindhard, um an warmen Tagen der Enge des Klassenzimmers zu entfliehen, sagt Martin Schmitt, Mitglied der Schulleitung. Aus dem Fitness-Parcours, den Schülerinnen und Schüler der Realschule und der Mittelschule vor zwei Jahren gemeinsam geschaffen haben, ist inzwischen ein grünes Klassenzimmer geworden, das gerade in Vertretungsstunden gerne besucht werde.
Die Idee für das Projekt "Fit im Wald" war vom Leiter der Mittelschule, Michael Hümmer, ausgegangen, sagt Martin Schmitt. "Nach Lockdowns und Homeschooling während der Corona-Pandemie haben wir nach einem Projekt gesucht, um die Kinder wieder nach draußen zu bringen", so Schmitt. Gleichzeitig habe man ein Zeichen für die Zusammenarbeit der beiden Schulen setzen wollen, "ein Signal, dass nicht jeder vor sich hin wurstelt", wie es Martin Schmitt ausdrückt.
Fündig wurden die beiden Lehrer während eines Waldspaziergangs am Lindhard in einer ebenen Senke am Rand des Sportgeländes. Eigentümer Lorenz Krämer willigte ein, die Fläche kostenlos zur Verfügung zu stellen. Planung und Bau erledigten die Schülerinnen in Eigenregie, berichtet Martin Schmitt. Hilfe in Rat und Tat, auch im Umgang mit Werkzeugen und Maschinen, erhielten sie dabei von Matthias "Ossi" Sauer von der Ochsenfurter Spielebaustelle, einem ausgewiesenen Fachmann für erlebnisorientierte Bauprojekte.
In ersten Projektabschnitt entstand ein Calisthenics-Parcours, an dem sich Jugendliche richtig auspowern können. Inzwischen kamen in einem zweiten Bauabschnitt unter anderem eine Kletterwand und eine kleine Hütte hinzu. 135 der insgesamt rund 500 Schülerinnen und Schüler der Realschule beteiligten sich an den Planungs- und Bauarbeiten. Material und Maschinen stellte zum Teil der Bauhof.
Trotzdem entstanden Kosten von rund 17.000 Euro, so Martin Schmitt. Froh ist der Projektleiter deshalb über Spenden des Realschul-Fördervereins und des Elternbeirats von jeweils 5000 Euro. 5500 Euro Zuschuss kamen aus dem Regionalbudget der kommunalen Allianz Maindreieck. Wie schon beim ersten Bauabschnitt steuerte die Sparkasse Mainfranken auch diesmal 1000 Euro bei.
Nun geht es darum, den Parcours auch zu pflegen und zu unterhalten. Eigens für das Projekt wurde deshalb das Wahlfach "Fit im Wald" eingerichtet. Der städtische Bauhof überprüft regelmäßig, ob die selbstgebauten Spielgeräte noch sicher sind.
Der pädagogische Wert des Projekts ist für Martin Schmitt unbestritten. "Wir haben gezeigt, dass man in der Schule ein Projekt machen kann, das einen völlig neuen Bildungsansatz verfolgt", sagt er. Es gehe darum, die Jugendlichen in ihren Interessen und Fähigkeiten zu unterstützen und praktisches Alltagswissen zu vermitteln. "Wir hatten auch Schüler dabei, die im Unterricht eher schwierig sind und sich hier bestens eingefügt haben", so Schmitt. Insgeheim hoffe er, damit vielleicht in dem einen oder anderen Jugendlichen Interesse für einen handwerklichen Beruf geweckt zu haben.
Auch Erlebnispädagoge Matthias Sauer unterstreicht: "Wir müssen den Kindern viel mehr Freiraum lassen und das Spiel beim Lernen in den Vordergrund rücken." So werde fachübergreifendes Basiswissen vermittelt und Alternativen zur digitalen Welt aufgezeigt. Den Ansatz unterstützen auch Bürgermeister Peter Juks und stellvertretender Landrat Alois Fischer. "Ich finde es schön, dass das Projekt junge Menschen raus in die Natur bringt", so Juks.
Der Ministerialbeauftragte für die unterfränkischen Realschulen, Marcus Ramsteiner, spricht von einem Vorzeigeprojekt, das er auch anderen bayerischen Schulen empfehlen will. "Durch so ein Projekt erfahren Kinder Selbstbestätigung und Alltagskompetenz, gerade im digitalen Zeitalter ist das sehr wichtig", so Ramsteiner.
Das Projekt "Fit im Wald" soll weiterwachsen. "Wir werden es langfristig mit neuen Ideen weiterentwickeln" sagt Martin Schmitt. So soll beispielsweise eine Treppe gebaut werden, um das Gelände öffentlich besser zugänglich zu machen. Außerdem denkt er darüber nach, auch im Pausenhof der Realschule gemeinsam mit den Schülerinnen und Schüler einen Fitness-Parcours zu bauen.
