Die Ermittler bekommen es im zweiten Franken-„Tatort“ gleich mit drei Fällen zu tun. Auf den ersten Blick haben diese wenig gemeinsam. Doch in den getrennten Handlungssträngen zeigen sich Parallelen. Jeweils ist die Fürsorge um einen nahestehenden Menschen das Leitmotiv, daher der passende Titel „Das Recht, sich zu sorgen“.
Die drei Fälle spielen an unterschiedlichen Orten. Im Nürnberger Umland untersucht das Ermittlerduo Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) einen Mordfall in einem Wirtshaus. Zur Hand gehen ihnen die Kommissare Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid) und Sebastian Fleischer (Andreas Leopold Schadt) sowie Michael Schatz (Matthias Egersdörfer) von der Spurensicherung – allesamt im wahren Leben gebürtige Franken.
Parallel werden die Ermittler zu einer ungewöhnlichen Aufgabe nach Würzburg beordert. Im Anatomischen Institut wurde ein ominöser Schädel gefunden, der nicht zum Rest des Skeletts passt. Und dann ist da noch die alte Frau, die ihren Sohn vermisst. Weil ihr niemand helfen will, kampiert sie in Nürnberg vor dem Polizeirevier.
Das fast perfekte Verbrechen
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Würzburger Fall. Wurde im Anatomischen Institut eine Leiche entsorgt, die Überreste unter den vielen Knochen der übrigen Körperspender versteckt? Es könnte das perfekte Verbrechen sein, sinniert Voss, wäre nicht der Schädel von einem aufmerksamen Doktoranden gefunden worden. In diesem Handlungsstrang wird von den Ermittlern einiges abverlangt. Sie müssen ihren Spürsinn benutzen und verdeckt vorgehen, um die mit dem Polizeichef befreundete Institutsleiterin Magdalena Mittlich (Sibylle Canonica) nicht in Verlegenheit zu bringen. Die improvisierte Tarnung sorgt für Schmunzler, etwa wenn sich Kommissarin Goldwasser als Tochter ihrer beiden Vorgesetzten ausgeben muss.
Situationskomik wie diese und die trockenen Sprüche der Neben-Ermittler heitern die sonst eher ernste, düstere, aber nicht depressive Handlung des Films auf.
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„Das Besondere an dem ,Tatort‘ ist, dass drei Fälle miteinander verwoben erzählt werden“, sagt die für den Film verantwortliche BR-Redakteurin Stephanie Heckner. Die Schwierigkeit sei gewesen, die lediglich thematisch zusammengehörigen Teile atmosphärisch zusammenfließen zu lassen.
Die thematische Klammer ist das Motiv der Fürsorge. Diese kann als solche kaum verwerflich sein, doch treffend sagt im Film Leichenpräparator Lando (Jan Krauter): „Nicht nur das Schönste ist im Körper des Menschen, sondern auch das Furchtbarste.“ Die barmherzige Eigenschaft Sorge kann bei Angst vor Einsamkeit eine abgründige Schattenseite miteinschließen, wie der Film zeigt.
Pietätvolle Herangehensweise
Leichen, Anatomie, Mord – der zweite Franken-„Tatort“ hätte Potenzial, sehr blutig zu sein. Zum Glück hat Regisseur Andreas Senn auf eine solche Inszenierung verzichtet. Der Film bleibt gerade in den Szenen, die in der Anatomie spielen, pietätvoll. Der Schweizer Regisseur entwirft so ein episodenhaft erzähltes Drama, das die Brutalität der Täter nur so weit, wie für das Verständnis notwendig, andeutet. Punktet der Münster-„Tatort“ mit tiefschwarzer Komik, die Dortmund-Ausgabe mit psychopathischen Ermittlern oder Nick Tschiller aus Hamburg mit Karacho, so sind es in Franken die intelligenten, feinfühligen Töne, die das Erscheinungsbild ausmachen.
Empathisch und menschlich ist auch das Ermittlerduo. Diese Eigenschaften sind hier keine Schwäche. Im Gegenteil: Zusammen mit kriminalistischem Handwerk sind sie der Schlüssel für den Ermittlungserfolg. „Im besten Sinne bestechen die Kommissare durch ihre Normalität“, sagt Produzentin Uli Putz treffend. Im Vergleich zum ersten Film haben sich die Ermittler weiter angenähert, gehen miteinander wie eng Vertraute um. Eng vertraut, nicht etwa, weil sie eine lange Vorgeschichte teilen, sondern weil ihre feinfühligen Wesenszüge harmonieren.
Allzu viel erfährt der Zuschauer über die Kommissare allerdings nicht, der Fokus liegt auf den Fällen. Das ist so gewollt, der Franken-„Tatort“ will sich laut den Machern die Zeit nehmen, behutsam entwickelt zu werden.
Einige poetische Zitate, die fast aus Literatur-Klassikern hätten stammen können, bringen noch mehr Tiefgang in die Handlung. So sagt etwa Voss bei einer Autofahrt durch einen Wald: „Das wäre toll: „Je schöner die Landschaft, desto weniger bringen die Leute sich um. Das wäre ein Grund in Franken zu arbeiten.“ Und Ringelhahn ergänzt trocken: „Ja, wäre. Ist aber nicht so.“
Ein Film zum Nachdenken
Die Zusammenhänge der Geschichte erschließen sich zwar erst beim Nachdenken, wenn bereits der Abspann über den Bildschirm flimmert. Doch am Sonntagabend darf es gerne auch etwas Anspruch sein. Immerhin bleiben keine klaffenden Plausibilitätslücken wie noch beim ersten Teil. Lediglich das Miträtseln, Kernelement eines jeden Krimis, rückt durch die getrennten Handlungen und den Fokus auf das Emotionale etwas in den Hintergrund. Die Hauptcharaktere und deren Verhaltensweisen sind jedoch nachvollziehbar skizziert – weil starke Schauspieler in starken Szenen agieren.
Die fränkische Ausgabe bereichert die „Tatort“-Reihe um eine Facette, die man nicht mehr missen mag.
„Tatort“-Drehorte in Mainfranken
Regionalität wird beim „Tatort“ großgeschrieben. Wer Spaß daran hat, kann gucken, ob er am Sonntag folgende Schauplätze aus Mainfranken wiederentdeckt:
• Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität in der Koellikerstraße, Würzburg
• Festung Marienberg Würzburg
• Mainufer beim Kanu-Club Würzburg
• Wohnhaus am Heimgarten in Würzburg, mit dem Bahndamm im Hintergrund
• Autobahnrasthof Würzburg
• Autohof Geiselwind (Lkr. Kitzingen)
• Floßanlegestelle am Altmain bei Gerlachshausen (Lkr. Kitzingen) Text: micz