
Hermann Kolesch sitzt zum letzten Mal in seinem Büro, am großen Schreibtisch mit dem Blick über die fränkische Weinlandschaft am Rande Veitshöchheims (Lkr. Würzburg). Er arbeitet noch an seiner Videobotschaft für die 300 Mitarbeiter der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG). Sieben Jahre lang hat Kolesch diese Behörde als Präsident geleitet. Durch die Corona-Pandemie aber gibt es an diesem Donnerstag keine große Verabschiedung, keinen Festakt und keine wirkliche Amtsübergabe. Kaum vorstellbar, dass ein Mann wie Hermann Kolesch, der immer überall präsent war, den fast jeder in Mainfranken kennt, der auch mal laut war und sich immer für den Frankenwein und die fränkische Weinwirtschaft einsetzte, jetzt still und leise gehen soll.
Wurst, Weck und Wein gibt es Corona bedingt nicht
"Eigentlich hätte ich mich mit einem Fest mit Wurst, Weck und Wein bei meinen Mitarbeitern verabschiedet", sagt Kolesch ein wenig traurig. "Vielleicht wird es im Herbst eine kleine Feier geben." Stattdessen gibt es am letzten Arbeitstag für die Mitarbeiter erst einmal ein Video. "Ich bin ja nicht total weg hier", meint Kolesch. An der Meister- und Technikerschule für Weinbau und Gartenbau wird er weiter unterrichten, zwei Stunden die Woche. Darauf freut er sich. "Das hält mich auch fachlich frisch." Und er wird er weiter als externer Berater für das Landwirtschaftsministerium arbeiten. "Ich kann mir nicht vorstellen, einfach nur zu Hause zu sitzen."
Geboren und aufgewachsen ist Kolesch mit seinem Bruder Horst, heute Direktor des Weinguts Juliusspital, im elterlichen Weinbaubetrieb in Iphofen (Lkr. Kitzingen). Zur Hochzeit waren seine Eltern gefragt worden, was sie sich wünschten: ein Grundig-Radio oder einen Weinberg? Obwohl der fränkische Weinbau nach dem Krieg am Boden lag, wählten die Eltern den Weinberg. Diese Geschichte erzählt der LWG-Präsident gerne. "Die Arbeit im Weinberg hat mich geprägt." Er selbst studierte Landwirtschaft, wie sein Bruder. Doch den elterlichen Betrieb übernehmen, das wollten beide Söhne nicht. "Mein Ziel war die Forschung", sagt der 65-Jährige.

Die große Schrankwand im Büro hat Kolesch schon im Laufe der Woche ausgeräumt. Über seinem Schreibtisch hängt noch ein Plattencover von Bob Dylan. "The times, they're a changing", die Zeiten ändern sich, steht dort – passend zum Abschied.. "Ich höre gerne Musik!", sagt der 65-Jährige. Später muss er noch seine Paul-Klee-Drucke von der Wand nehmen. Leicht fällt ihm das nicht.
Eine letzte Überraschung für den Chef
Früh um 9 Uhr sind zwei Mitarbeiter ins Büro gekommen und haben Kolesch gebeten, auf den Balkon zu kommen. Als letzte Überraschung für den Chef haben sich alle Mitarbeiter im Hof der Landesanstalt versammelt – mit Masken und ausreichend Abstand. Aus großen Boxen tönt "The times, they're changing", Koleschs Lieblingslied. Der sonst so taffe LWG-Präsident ist sichtlich gerührt. Damit hätte er nicht gerechnet.
"Meine Tür steht euch immer offen, hast du von Anfang an zu den Mitarbeitern gesagt", sagt Gerd Sander, Leiter des Instituts für Erwerbs- und Freizeitgartenbau. Und zitiert Bob Dylan: "Ein Mensch ist dann erfolgreich, wenn er zwischen Aufstehen und Schlafengehen das tun, was ihm gefällt. Bei dir Hermann war das so", sagt Sander. Alle Mitarbeiter applaudieren lautstark.

Weintourismus und die Entwicklung des ländlichen Raums, das waren Koleschs Lieblingsthemen, als er Ende der 1990er Jahre an der LWG begann. "Es ist wichtig, unsere Dörfer lebendig zu halten, in dem wir Gäste in die Region bringen", sagt er. Der Frankenwein steckte damals in einer großen Identitäts- und Qualitätskrise. "Die Deutschen tranken mehr Pinot Grigio als Silvaner, der Bocksbeutel wirkte althergebracht. Franken bestand damals nur aus den drei Bs: Bocksbeutel, Bratwurst und Barock", sagt der LWG-Chef im Rückblick. Für den jungen Kolesch war es eine spannende Zeit.
Als Präsident war die Umstrukturierung der Behörde eine seiner Hauptaufgaben: Aus vier Abteilungen sind vier Institute entstanden: Weinbau, Gartenbau, Landespflege und Bienenkunde. Mehr als zuvor wird fachübergreifend gearbeitet. "Dafür nutzen wir den größten Schatz, den wir haben: das Know-how jedes einzelnen Mitarbeiters.“ Die Forschung stehe immer im Mittelpunkt: "Wir werden dafür bezahlt, dass wir fünf Jahre im Voraus denken.“ Stolz zählt Kolesch auf, was baulich in seiner Amtszeit entstanden ist: der Neubau am Stutel, der Amphorenkeller, das Sensorikzentrum. Auch der Weinkeller von 1978 wurde komplett saniert.
Die Weinbauern plagen Zukunftssorgen
Den Frankenwein sieht Kolesch gut aufgestellt. "Wir werden zwar nicht so gehypt wie andere Weinbaugebiete, aber wir gelten als Geheimtipp." Trotzdem plagen die Weinbauern Zukunftssorgen. Die Corona-Pandemie hat zum Einbruch der Direktvermarktung und des Tourismus geführt, die Eisheilgen haben dem Wein zugesetzt und die Winzer erwartet das möglicherweise dritte Trockenjahr in Folge. "Was die Bewässerung angeht, haben wir in Veitshöchheim bundesweit die fachliche Kompetenz", so Kolesch. Wenn man ihn so sprechen hört, kann man sich diesen Mann gar nicht ohne seine Arbeit vorstellen.

Den Geist der Landesanstalt, den wird er vermissen, gesteht er. "Wir müssen immer wieder den Dialog mit der Gesellschaft suchen. Die Aufgabe der LWG wird es auch weiter sein, das Fachwissen weiterzugeben." Im Ruhestand will Kolesch mit seiner BMW R51/3 Motorrad fahren, reisen und sich Kunst und Kultur widmen. Und wenn er einmal Zeit findet, will er noch ein Buch über den Weinbau schreiben. "Da kann ich aus dem Nähkästchen plaudern."
Auch bei seinem Abschied am Donnerstag möchte Kolesch das letzte Wort haben. Er bedankt sich, sichtlich gerührt, bei allen Mitarbeitern. "Es ändert sich viel und es wird sich zum Besseren ändern. Macht weiter so!"