
Sorgsam haben sie sich vor dem Eingang eines Hauses aufgestellt: Gut 20 Männer schauen erwartungsvoll in die Linse des Fotografen, der sich wohl um 1890 mit seiner Plattenkamera vor ihnen aufgebaut hat. Schön die Luft anhalten und nur nicht wackeln! Fotografieren ist vor 130 Jahren keine Selbstverständlichkeit wie heute, und wenn schon der Fotograf im Dorf vorbeikommt, dann soll es auch ein schönes Bild werden. Die Männer sind kostümiert: Ist es ein altes Faschingsbild?
Dass es das Bilddokument aus einer längst vergangenen Zeit noch so gut erhalten gibt, ist Michael Arnold zu verdanken. Der 34-Jährige aus Mädelhofen hat das Bild zusammen mit einigen anderen alten, teils schon vergilbten Fotos auf dem Dachboden wiederentdeckt. "Das Bild ist aus unserem Familienbesitz", sagt Arnold. Die kleine Sammlung hat Arnold in einem Fotostudio digitalisieren lassen, "um sie für die Nachwelt zu sichern", wie er sagt.
Ist das Bild an Fasching gemacht worden?
Bemerkenswert an dem Mädelhofener Bild ist, dass ausschließlich Männer vor die Kamera getreten sind. Auffällig sind auch die teils ähnlichen Kostüme mit offensichtlich historischem und orientalischem Bezug. Auch deshalb stellt sich die Frage, ob das Bild tatsächlich an Fasching entstanden ist oder ob vielleicht ein anderes Ereignis der Hintergrund der Kostümierung war. "Mein Großvater, bei dem das Bild früher an der Wand hing, hat immer gesagt, dass es an Fasching gemacht wurde", sagt Michael Arnold. Näheres dazu weiß er allerdings nicht, auch nicht über die abgebildeten Personen.
Dass Fasching in Mädelhofen Tradition hatte, zeigt ein 1910 entstandenes Foto, das in der Ortschronik Roßbrunn/Mädelhofen abgedruckt ist. Auffällig auf diesem Bild: Hier feiern auch Frauen mit, die Kostüme sind thematisch bunt gemischt – beides ein Kontrast zu Arnolds Foto.
Bernhard Ziesemer, der 2006 gemeinsam mit Helene Ringelmann die Ortschronik herausgegeben hat, ist sich dennoch sicher: Michael Arnolds Bild ist ebenfalls an Fasching gemacht worden. "Mädelhofen hatte damals schon eine Faschingsgesellschaft, die Männer tragen Fantasiekostüme", sagt er im Gespräch mit der Redaktion. Und wo genau ist das Bild entstanden? Michael Arnold nennt als möglichen Aufnahmeort die Alte Schule. Bernhard Ziesemer bestätigt diese Vermutung ebenfalls, auch wenn auf dem Foto neben der Tür das Schild "Posthülfsstelle" zu sehen ist: "Das Gebäude wurde nicht durchgehend als Schule genutzt."
Bekannter Name in der Region: Fotograf Joseph Heer
Bekannt ist auch der Fotograf. Hierbei handelt es sich um Joseph Heer (1832-1903), Inhaber einer "Photographischen Anstalt" und Begründer einer Fotografen-Dynastie in Tauberbischofsheim. Sein Firmenschildchen prangt auf der Rückseite des Fotos. Heer und seine Nachkommen waren nicht nur Fotografen, sondern auch leidenschaftliche Sammler historischer Fotos der Region.
Im Jahr 2005 hat die Stadt Tauberbischofsheim das über drei Generationen aufgebaute Fotoarchiv übernommen. "Im städtischen Fotoarchiv Heer sind mehr als 20.000 Papierabzüge, Glas- und Kunststoffnegative sowie Dia-Positive archiviert", heißt es auf der Website der Stadt Tauberbischofsheim. Michael Arnold besitzt mit seinem Foto somit nicht nur eine Familienerinnerung, sondern auch ein schönes Werk eines bedeutenden Fotografen der Region.