Wahlkampf beginnt mit dem Kampf um Aufmerksamkeit. Wer mit potenziellen Wählerinnen und Wählern erst gar nicht in Kontakt kommt, kann ihnen auch nicht vom Parteiprogramm vorschwärmen. Um junge Leute für sich zu gewinnen, setzten Politikerinnen und Politiker vor der Bundestagswahl am 26. September verstärkt auf soziale Medien. Die Entwicklung der vergangenen Jahre setzt sich fort - und wird wohl auch durch die Corona-Pandemie noch verstärkt.
Twitter, Facebook und Instagram gehören zum Standardrepertoire der Parteien. "Die sozialen Netzwerke geben uns die Möglichkeit, junge Menschen zu erreichen und mit ihnen über Politik zu diskutieren", sagt Niclas Hornung, Sprecher der Jungen Liberalen in Unterfranken. Der Fokus auf das Digitale sei "massiv gestiegen". Gerade Instagram sei für den Kontakt der FDP-Jugendorganisation zu jungen Wählerinnen und Wählern besonders geeignet.
Umfragen unter Abonnenten und Bilder von Ortsterminen
Diese Plattform nutzt auch Jessica Klug von den Freien Wählern (FW) am liebsten: "Instagram ist ein Segen, was Politik angeht, wenn man es richtig macht. Ich versuche da komprimiert Politik anschaulich darzustellen." Die Bundestagskandidatin aus Obernburg (Lkr. Miltenberg) macht Umfragen unter ihren Abonnenten, teilt kurze Videos oder Bilder von Ortsterminen im Biergarten, mit dem Fahrrad, auf dem Kartoffelacker.
Neu – und auch der Pandemie geschuldet – sind die vielen Online-Gesprächsrunden. "Was juckt die Jugend?", wollte beispielsweise die CSU im Wahlkreis Main-Spessart herausfinden. Bundestagskandidat Alexander Hoffmann lud zum virtuellen Gespräch mit CDU-Kollege Philipp Amthor ein. Um "die Jugend" ging es nur am Rande. Dafür gab es ein Speeddating mit Fragen an den 28-jährigen Politiker: Womit er seine Freizeit verbringt (Antwort: jagen, Tennis spielen, politische Sachbücher lesen) und ob er seine Reden selbst schreibt (teils teils).
Diese Reden des CDU-Politikers haben auf Youtube jedenfalls zum Teil mehrere Millionen Klicks. "Phillip Amthor wurde als Kind auf Klassenfahrt im Bundestag vergessen und seitdem wurde er von Politikern aufgezogen wie Tarzan oder Mogli", kommentiert ein Nutzer ein Video. Amthors rhetorisches Geschick sorgt für Aufsehen, seine Person polarisiert. Bundestagskandidat Hoffmann sagt, Amthor verfüge über das "Talent, junge Leute zu interessieren". Auch in etlichen Memes wird Amthor aufs Korn genommen. Die Vertreter der Jungen Union (JU) wollten beim virtuellen Treffen wissen, wie er selbst zu den Text-Bild-Collagen steht, die oft aus dem Zusammenhang gerissen sind. Amthors Antwort: "Meistens kann ich darüber lachen." Manches müsse man aber auch mit einer Unterlassungsklage regeln.
Facebook verliert bei jungen Menschen an Relevanz
Die Jusos nutzen aktuell vor allem Instagram, um mit jungen Menschen politisch zu kommunizieren. "Facebook hat sich mittlerweile als kaum noch relevant herausgestellt, um Menschen zwischen 18 und 35 zu erreichen", sagt Michael Reitmair, Vorsitzender der SPD-Jugend in Würzburg. Seine Auffassung: Die Belange junger Menschen werden am besten von jungen Menschen repräsentiert. "Als Jusos kommunizieren wir unsere eigenen jugendpolitischen Forderungen und setzen im Wahlkampf eigene Schwerpunkte."
Diese auf Instagram verbreiteten Bilder sind die Wahlplakate des Internets geworden. Alle Parteien nutzen sie, um eigene Standpunkte deutlich zu machen, Gesichtern Bekanntheit zu verschaffen oder um zu Veranstaltungen einzuladen.
Auch die Jungen Liberalen heben bei der Auswahl der Themen die Interessen der Jugend besonders hervor. "Bei der Sprache der Überschriften setzen wir auf fesselnde und teilweise auch auf provokante Formulierungen", sagt Sprecher Niclas Hornung. Dass die junge Generation nicht mehr auf Inhalte achte, stimme nicht. Durch den Kontakt in den sozialen Netzwerken gebe man ihnen die Möglichkeit, sich näher mit einem bestimmten Thema zu befassen und aufs Wahlprogramm einzugehen.
So geht auch Jessica Klug vor. Die Freie Wählerin erklärt neben ihren eigenen Standpunkten beispielsweise auch das Wahlsystem und die Bedeutung von Erst- und Zweitstimmen. Grundwissen, von der sie selbst früher auch nur "halbherzig" Ahnung hatte, sagt die 25-jährige Kandidatin: "Texte werden natürlich immer weniger gelesen. Deswegen setzte ich verstärkt auf Kurzvideos."
Alltagssprache junger Menschen wird verwendet
"Generell nimmt Social Media einen größeren Stellenwert ein", sagt Jana Hock von der Grünen Jugend. Politische Kommunikation finde dort "systematischer und intensiver" statt. Für die junge Zielgruppe nutze man eine andere Anrede, mehr Anglizismen und Jugend- oder Alltagssprache. Und Videokonferenzen: "Bei größeren Veranstaltungen bieten wir nun auch einen Livestream an."
"Kontaktarmer Wahlkampf" habe "definitiv an Bedeutung gewonnen", sagt Jana Hock. Ganz ohne direkten Austausch gehe es aber auch in der Pandemie nicht: "Analoge Veranstaltungen sind aufgrund von Corona unsicherer zu planen und waren anfangs überhaupt nicht möglich", sagt die junge Politikerin der Grünen. Veranstaltungen führe man ausschließlich im Freien - und damit risikoarm - durch, auch wenn das Wetter Unwägbarkeiten birgt. Die Würzburger Grüne Jugend trifft sich zum Beispiel zum "Chillen im Ringpark" und bietet so Gesprächsrunden an.
Doch unabhängig davon, wäre es enorm wichtig, den Nutzern dort den Unterschied zwischen einer kommerzialisierten Plattform, und der unabhängigen Berichterstattung, wie sie in den öffentlich rechtlichen Medien stattfindet, zu verdeutlichen!
Viele Menschen in der jüngeren Bevölkerung vertrauen den öffentlich rechtlichen, und den etablierten Print-Medien nicht mehr.
Dagegen muss eine Kampagne gefahren werden, um diese Menschen nicht an irgendwelche Leute zu verlieren, die nur Fake-News verbreiten!