An der Digitalisierung der Arbeit führt kein Weg vorbei: Davon ist Unternehmensberater Jens Wiesner (48) aus Höchberg bei Würzburg überzeugt. Er berät in ganz Deutschland Firmen in dieser Hinsicht. An diesem Donnerstag wird er beim „Zukunftsforum Arbeitswelt 4.0“ der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt darüber sprechen, was auf die Unternehmen zukommt.
Frage: Herr Wiesner, Sie behaupten: Unternehmen 4.0 braucht Personal 4.0. Was heißt das genau, was muss in Unternehmen geschehen?
Jens Wiesner: Es muss vor allem ein Umdenken geschehen. Menschen müssen anders eingebunden werden als das bisher der Fall ist. Sie müssen viel mehr eigenverantwortlich arbeiten.
Auch der Arbeiter ganz unten in der Hierarchie?
Wiesner: Auch der. Oft ist der in der Vergangenheit vernachlässigt worden und man wundert sich dann doch immer wieder in den Unternehmen, wie viel Wissen und Kreativität in den Köpfen der einfachen Arbeiter steckt.
Kann sich irgendeine Abteilung in einem Unternehmen XY sicher sein, dass sie nicht 4.0 wird?
Wiesner: Das glaube ich nicht. Jede Abteilung wird in irgendeiner Art und Weise in Richtung 4.0 tendieren müssen.
Wie werden sich Berufe wegen 4.0 ändern?
Wiesner: Es wird mehr dahin gehen, dass wir Problemstellungen lösen müssen und weniger, dass wir Routinearbeiten machen. Wir werden immer vernetzter arbeiten, unsere Möglichkeiten steigen – damit steigen auch die Anforderungen unserer Kunden. Auf diese Anforderungen müssen wir reagieren.
In Mainfranken, Bayern oder Deutschland: Wie viele Jobs wird 4.0 unterm Strich kosten?
Wiesner: Ich glaube gar nicht, dass es Jobs kosten wird. Es wird höchstens denjenigen den Job kosten, der die Entwicklung nicht mitmacht und der darauf beharrt, dass er seinen Routinejob behält. Diejenigen, die mitgehen und sich damit den Verantwortungen stellen, die werden sogar interessantere Jobs als bisher bekommen.
Müssen wir jetzt alle Programmieren lernen?
Wiesner: Im Gegenteil, immer weniger. Selbst ein Programmierer muss ja heute nicht mehr so tief in Programmiersprachen absteigen wie früher. Ich habe als Elektrotechnik-Student und dann in meinem ersten Job noch Codes geschrieben, Zeile für Zeile. Heutzutage geht Vieles modular und mit visuellen Objekten. Da tut sich Einiges.
Wie wird also der Job eines Arbeiters am Fließband in Zukunft aussehen?
Wiesner: Am Fließband wird es immer weniger darum gehen, die Maschinen nur zu bedienen, sondern einzurichten, Prozesse mitzugestalten und die Fertigung zu überwachen.
Haben die Chefetagen in den Unternehmen verstanden, welche Wucht 4.0 hat?
Wiesner: Nein, sicherlich nicht. Von einer Wucht kann man aber nicht sprechen, denn 4.0 wird für jedes Unternehmen anders aussehen. Je nachdem, wie es sich involvieren will, wie es die eigenen Prozesse und den Umgang mit Daten ändern möchte und wie es für das jeweilige Unternehmen notwendig ist.
Gutes Stichwort: Es gibt im Handel oder Handwerk Berufe, da tut man sich als Laie schwer, sich die Digitalisierung vorzustellen. Metzger, Bäcker, Modeverkäuferin zum Beispiel. Was kommt auf solche Berufe zu?
Wiesner: Sicherlich die Auswertung von Daten, die jetzt schon erhoben werden oder die verfügbar sind.
Zum Beispiel?
Wiesner: Zum Beispiel die Frage, wie das Hackfleisch die Woche über verkauft wird. Wann sind die Spitzenzeiten? Wann muss ich mehr Schnitzel bereitstellen, wann weniger? Wie ist der Durchsatz in meinem Laden? Wann habe ich wie viele Kunden? Brauche ich vielleicht zu bestimmten Zeiten mehr Personal, wann komme ich hingegen als Ladenbesitzer alleine klar? Das sind Daten, die auswertbar wären.
Heißt also, dass diese Unternehmer solche Fragen nicht mehr aus dem Bauch heraus beantworten müssen, sondern eine konkrete Datengrundlage dafür haben?
Wiesner: Genau. Und damit sehen sie auch ihre Einsparpozentiale und Entwicklungsmöglichkeiten klarer.
Muss irgendjemand in der arbeitenden Bevölkerung Angst vor 4.0 haben?
Wiesner: Niemand sollte das haben. Eigentlich sind wir ja alle selbst Treiber dieser Entwicklung. Denn jeden Tag nutzen wir ganz selbstverständlich schon Tablets und Smartphones. Warum sollten wir dann in der Arbeitswelt Angst davor haben?
Wie viel Zeit haben die Unternehmen hier zu Lande noch, um sich auf 4.0 einzustellen?
Wiesner: Möchte ich dabei sein, möchte ich mitgestalten – dann heißt es, jetzt loszulegen. Möchte ich hinterher laufen und schauen, was für mich zu tun bleibt – dann denke ich, bleiben noch ein oder zwei Jahre.
IHK-Zukunftsforum
Unternehmen 4.0 braucht Personal 4.0: So lautet das Thema, über das Unternehmensberater Jens Wiesner am Donnerstag, 26. Januar, beim „Zukunftsforum Arbeitswelt 4.0“ sprechen wird. Das Forum (16 bis 19.30 Uhr, Eintritt frei) findet in Schweinfurt in der IHK-Geschäftsstelle in der Karl-Götz-Straße 7 statt.
Referenten: Es geht um die Frage, wie wir in Zukunft arbeiten werden. Neben Wiesner werden Axel Winkelmann (Uni Würzburg, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik), Christian Heinrich (Quadriga Hochschule Berlin, Lehrstuhl für Digitale Transformation) und Erich Schöls (Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt, Multimedia-Professur) sprechen. Anmeldung und weitere Infos: www.wuerzburg.ihk.de/arbeitswelt40
Mit dem Begriff 4.0 wird die Digitalisierung unseres Leben umschrieben. Am bekanntesten ist „Industrie 4.0“ geworden, worunter die vierte industrielle Revolution zu verstehen ist. Kern: Alle Vorgänge in Betrieben werden digital erfasst, die Daten für den Produktionsprozess entsprechend live ausgewertet. Produktionsteile tragen die Daten in sich und teilen den vernetzten Maschinen mit, was wann wo zu tun ist. aug
Das glaubt aber auch nur Herr Wiesner.