In der Mitte des Raumes steht ein Schreibtisch aus dunklem, massivem Holz. Darum herum zwei große Bücherregale, die von oben bis unten mit Literatur bestückt sind. Viele der Werke sehen gar wie Antiquitäten aus. Betritt man das Arbeitszimmer von Eva und Otto Schönberger, so wundert man sich über diesen Anblick nicht. Denn Sprache und Bücher sind ohne Zweifel der Lebensmittelpunkt der Eheleute.
Geboren und aufgewachsen ist Otto Schönberger in Dillingen an der Donau, wo er auch das Humanistische Gymnasium besuchte. Seine Passion galt schon damals der Sprache. Während seiner Schulzeit lernte er Latein, Griechisch und Französisch. Die Fremdsprachen sollten Schönberger bis heute durch sein gesamtes Leben begleiten.
Der zweite Weltkrieg bricht aus
Das große Leid der Menschen seiner Generation blieb aber auch ihm nicht erspart. Inmitten des zweiten Weltkrieges wurde er am 3. September 1942 eingezogen. Stationiert war er in Augsburg, wo er vormittags die Schule besuchte und nachmittags an der Flugabwehrkanone ausgebildet wurde. "Wenn wir Pech hatten, waren wir nachts noch im Einsatz", erklärt Schönberger.
Als die Stadt Augsburg im Januar 1944 zerbombt wurde, endete sein dortiger Einsatz. Nur zwei Monate später ging es für den jungen Otto Schönberger dann zur Luftwaffe. Während seiner Zeit als Soldat war er zwei Mal in Holland stationiert. Beide Male wurde er verletzt, saß außerdem in britischer Kriegsgefangenschaft ein und wurde dann aufgrund seiner Verwundungen endgültig entlassen. Verletzungen wären in diesem Falle etwas gutes gewesen, sagt er selbst.
Otto Schönberger beginnt sein Studium in Würzburg
Im Februar 1946 begann Otto Schönberger dann mit seinem Studium an der Universität Würzburg. Weil die Stadt zu diesem Zeitpunkt gänzlich in Trümmern lag war es nicht möglich, dort auch zu wohnen. Also pendelte er täglich zwischen Veitshöchheim und der Uni. Durch die Zerstörung des Krieges war kaum Platz in den Hörsälen. Sogar mit dem Essen in der Mensa wechselten sich die Studenten aus Platzgründen ab.
Nachdem Schönberger sein Studium im November 1949 beendete, folgte ein neunmonatiges Referendariat in Augsburg. Anschließend kehrte er 1950 wieder nach Würzburg zurück und begann seine Laufbahn als Lehrer am heutigen Wirsberg-Gymnasium.
Da nach dem Krieg Not am Mann herrschte, unterrichtete er neben seinen eigentlichen Fächern Latein, Deutsch, Griechisch und Philosophie auch Geschichte, Erdkunde und Sozialkunde. In dieser Zeit sei er kaum zum Schlafen gekommen, erinnert sich Otto Schönberger. Ab 1976 wechselte er dann als Oberstudiendirektor an das Siebold-Gymnasium in Würzburg, wo er bis zu seinem Ruhestand lehrte.
Eine Generation wird ihrer Jugend beraubt
Eva Schönberger, geborene Hüttmann, war das Älteste von vier Kindern und besuchte die Mädchenklasse einer Grundschule in Würzburg. Noch im Jahr ihrer Einschulung brach der Krieg aus. Das Novemberpogrom war ihr eindrücklichstes und übelstes Erlebnis. Sie erinnert sich daran, wie sie mit ihrer Familie am Fenster stand und in die Nacht hinaus blickte. Sie konnten sehen, wie die Synagoge in Heidingsfeld lichterloh brannte.
An die Worte ihres Vaters erinnert sie sich noch genau: "Das ist der Anfang vom Ende, aber wir müssen es ausbaden." Das war eine schlimme Zeit, auch für die Kinder, sagt sie. Besonders in den Nachkriegsjahren: Das ganze Land war praktisch zerstört, viele Männer waren im Krieg gefallen und so blieb nicht viel Freiraum für ein unbeschwertes Kindsein. "Wir haben Dinge gemacht, die wären heute strengstens verboten."
Nach der Grundschule besuchte Eva Schönberger das Mozart Gymnasium in Würzburg. Ab der sechsten Klasse hatte sie dann die Möglichkeit, Französisch abzuwählen und sich der lateinischen Sprache anzunehmen. Schon damals ließen sich ihre Mitschüler von ihr gerne Texte übersetzen.
Ein junges Paar findet zusammen
1951 lernte sich das Ehepaar Schönberger bei einer Tanzstunde im Studentenhaus kennen. Die beiden heirateten zwei Jahre später in der St. Peterskirche in Würzburg und sind bis heute ein Herz und eine Seele. 2018 feierte das Paar seine eiserne Hochzeit, also 65 gemeinsame Ehejahre. Sie bekamen vier Kinder, haben heute fünf Enkelkinder und einen Urenkel.
Die Eheleute Schönberger übersetzten schon immer gemeinsam Texte aus dem Griechischen oder Lateinischen ins Deutsche und tun das bis heute. Ihre Übersetzungen sind dabei einzigartig, denn die dicken Wälzer von weltbekannten Philosophen wie etwa Johannes Kepler, Michael Stifel oder Gregor Reisch waren vorher in der deutschen Sprache nicht vorhanden. "Wir wollten immer helfen, dass solche Dinge nicht in Vergessenheit geraten. Das geht nur, wenn die Leute auch etwas damit anfangen können", erklärt Otto Schönberger.
Bislang 42 Originalübersetzungen stammen von dem Ehepaar. Diese ermöglichen ihren Lesern die Auseinandersetzung sowohl mit klassischen als auch mit weniger bekannten Texten der europäischen Kultur- und Geistesgeschichte. Für ihr Lebenswerk wurden sie nun gemeinsam mit dem Akademie-Preis der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet. Dieser wird an Personen verliehen, die wesentliche wissenschaftliche Leistungen erbracht haben, ohne hauptamtlich in der Forschung tätig zu sein.