
Es ist viel los in der Würzburger Innenstadt – wie an beinahe jedem Samstag. Für den Info-Stand der Linken vor dem Galeria Kaufhof haben die meisten allerdings nur einen kurzen Blick übrig. Christina Kunkel probiert es trotzdem. Geht immer wieder auf Menschen zu, mit dem Kurzwahlprogramm ihrer Partei in der Hand. Wird abgewiesen. Probiert es wieder. "Ich finde es wichtig, Gespräche mit den Menschen zu führen", sagt sie. Auch wenn viele Menschen heute nicht sprechen wollen.
Kunkel ist Linke-Direktkandidatin für die Landtagswahl im Landkreis Würzburg. In die Partei ist sie vor gut zwei Jahren eingetreten, seit vergangenem Herbst ist sie im Vorstand des Kreisverbands Würzburg Mainfranken. "Es fällt mir nicht so leicht, Leute hier anzusprechen", gibt die 22-Jährige zu. Höflich, fast schon zurückhaltend geht sie auf Passantinnen und Passanten zu. Doch kommt das Gespräch auf ihre Partei, gerät Kunkel schnell in Fahrt.
Kunkel fordert gutes, selbstbestimmtes Leben für alle
"Die Politik der Linken ist eine Politik, die auch dem Großteil der Menschen zugutekommt", sagt sie. Es gehe ihr um soziale Gerechtigkeit und ein gutes, selbstbestimmtes Leben nicht nur für wenige Reiche, sondern für alle. "Bayern ist ein reiches Land. Es wäre also möglich", sagt Kunkel. Allerdings brauche es dafür eine andere Politik.
"Söder verspricht, 10.000 neue Sozialwohnungen zu bauen. Und nur ein paar Hundert wurden bisher tatsächlich fertiggestellt", kritisiert sie. Eine starke Opposition könne hier Druck machen. Zudem halte sie die Enteignung großer Wohnungskonzerne für einen wichtigen Schritt, so Kunkel. Immer wieder fällt das Schlagwort "Lebenshaltungskosten". Sie fordere etwa, dass zur Entlastung finanziell schlechter aufgestellter Menschen mehr Produkte als Grundnahrungsmittel gelten sollten und die Mehrwertsteuer auf diese abgeschafft wird.
Interesse an Politik schon in der Schule geweckt
Derzeit spüre sie vor allem den Frust vieler Menschen, sagt Christina Kunkel. Auch in den Gesprächen am Infostand in der Fußgängerzone wiederholen sich die immer gleichen Themen. Es geht um hohe Mieten, die Inflation und zu niedrige Renten und Sozialleistungen.
"Viele fühlen sich nicht gesehen", sagt die 22-jährige Würzburgerin. Sich selbst sieht sie in einer privilegierten Rolle. Denn neben ihrem Lehramtsstudium mit der Fächerkombination Englisch und Politik müsse sie dank der Unterstützung ihrer Eltern nicht arbeiten – und habe so Zeit für politisches Engagement.
"Ich weiß, das ist nicht bei allen so", sagt Kunkel. Für sie sei das eine umso größere Motivation, sich für diejenigen einzusetzen, die unter schwierigeren Bedingungen leben. "Es kommt für mich nicht infrage, wegzuschauen." Ihr Interesse für Politik habe zum ersten Mal der Geschichtsunterricht in der elften Klasse geweckt, später im Studium seien es die Theorien von Karl Marx gewesen. Um selbst mitwirken zu können, sei sie dann in die Linke eingetreten, war erst in Aschaffenburg aktiv, kam dann nach Würzburg.
Von schlechten Umfragewerten will sich Kunkel nicht entmutigen lassen
Lohnt sich ihr Engagement für eine Partei, deren Umfragewerte sich seit langem im Keller bewegen? "Aufgeben bringt uns nicht weiter", meint Kunkel. Und eine gewisse Frustrationstoleranz brauche es in der Politik ohnehin. Über die zerstrittene Parteiführung der Linken, Sahra Wagenknecht, eine drohende Spaltung spricht die Studentin dennoch ungern. "Wir in Bayern sind uns einig", sagt sie nur. Natürlich schade die Krise der Glaubwürdigkeit der Linken auch in Bayern. Trotzdem sehe sie das Problem vor allem auf Bundesebene. "Für uns vor Ort spielt das keine Rolle."
Für die Menschen in ihrem Stimmkreis wünsche sie sich unter anderem einen verbesserten öffentlichen Nahverkehr. "Ich komme ursprünglich aus einem Dorf, an dem an Sonn- und Feiertagen gar keine Busse gefahren sind", sagt Kunkel. Wer kein Auto habe oder sich die Spritkosten nicht leisten könne, stehe auf dem Land immer noch oft vor einem Problem. Deshalb halte sie den Ausbau des ÖPNV sowie günstigere Ticketpreise für wichtig. Dabei gehe es nicht nur um den sozialen, sondern auch um den Umweltaspekt, sagt Kunkel.
Auch Verbesserungen in der Landwirtschaft seien ihr ein Anliegen. "Wenn es so weiter geht, haben wir bald nur noch Großkonzerne oder gar keine Landwirtschaft im eigenen Land", fürchtet sie. Förderungen und Steuerentlastungen für kleine Betriebe und weniger Bürokratie könnten dem Höfesterben ihrer Meinung nach entgegenwirken.
Davon, dass die Linke um den Einzug ins bayerische Parlament auch diesmal zittern muss, will sich Christina Kunkel nicht entmutigen lassen: "Ich denke, es lohnt sich immer, für die eigenen Überzeugungen einzutreten."
Veranstaltungstipp: Wahlarena der Main-Post mit Direktkandidaten von im Landtag vertretenen Parteien (Stimmkreis Würzburg-Land) am Dienstag, 26. September, 19 Uhr, Mainfrankensäle Veitshöchheim. Eintritt frei.