Mit 60 Jahren hat sich Ute Etzkorn entschieden, nochmal den Kindergarten zu besuchen. Den Musikkindergarten, um genau zu sein. So beschreibt sie selbst ihren Einstieg in die Eibelstädter Erwachsenenbläserklasse. Ohne jemals zuvor ein Instrument gespielt zu haben, ohne Noten lesen zu können, in ein Orchester eintreten? Das ist in Eibelstadt möglich, selbst wenn man schon aufs Rentenalter zusteuert.
Angebot richtet sich auch an Neueinsteiger
Das Experiment, das die Bläserjugend der Verwaltungsgemeinschaft Eibelstadt Anfang 2018 startete, wurde ein Erfolg. Von den 19 Musikschülern, die damals in die Erwachsenenbläserklasse eintraten, sind rund die Hälfte noch immer begeistert dabei. Dazu gehören Ramona Moedebeck, Elisabeth Reinelt und Ute Etzkorn, die zweite Vorsitzende der Bläserjugend.
Für Ute Etzkorn war die Vorstellung, im Alter von 60 Jahren mit einem so anspruchsvollen Hobby ganz neu zu beginnen, nie ein Hindernis. Weder konnte sie Noten lesen, noch hatte sie jemals zuvor ein Instrument gespielt. Jetzt ist die Bassklarinette ihr Instrument, und in der Erwachsenenbläserklasse fühlt sich die "Jungmusikerin" richtig wohl. "Von der ersten Note an haben wir zusammen gespielt", sagt sie. Bei einem Info-Abend erfuhren Interessierte vor rund drei Jahren, dass sich die geplante Erwachsenenbläserklasse tatsächlich auch für komplette Anfänger eigne.
Das ermutigte auch Ramona Moedebeck, die schon immer Querflöte spielen wollte. Ihren Traum verwirklichte sie schließlich in Eibelstadt. "Man macht ganz schnell erste Fortschritte", erzählt sie. Während sie anfangs ebenfalls keine Noten lesen konnte, ist sie jetzt in der Lage, sich allein anhand des Notenblattes eine Vorstellung von einem neuen Stück zu machen. "Bei Musik komme ich runter", sagt sie begeistert.
Elisabeth Reinelt hingegen besaß schon einige musikalische Vorkenntnisse, hatte früher Akkordeon und Klavier gespielt, "aber immer nur für mich allein". Dass sie in der Erwachsenenbläserklasse nun gemeinsam mit anderen spielen kann, bringt ihr sehr viel. "Dabei spüre ich mich selber. Es ist ein sehr sinnliches Vergnügen." 65 Jahre alt war Elisabeth Reinelt, als sie endlich das Instrument erlernen konnte, das sie schon immer geliebt hatte: das Saxophon. Als Musikschüler im fortgeschrittenen Alter werde man vielleicht nicht mehr so virtuos wie im Jugendalter, sagt sie. Aber das ist ja auch nicht das vorrangige Ziel der Gruppe.
Die meisten Mitglieder legen dennoch einen erheblichen Ehrgeiz an den Tag, lernen fleißig sowohl die Theorie als auch die Praxis. Mehrere Musiker der Erwachsenenbläserklasse hatten sich noch vor der Corona-Pandemie der Prüfung für das Junior-Abzeichen des Nordbayerischen Musikbundes gestellt, dem "musikalischen Seepferdchen", und auch bestanden.
Die Corona-Pandemie habe auch die Erwachsenenbläserklasse etwas ausgebremst, sagt Markus Schenk, der nicht nur Bürgermeister von Eibelstadt ist, sondern selbst begeisterter Musiker und außerdem Vorsitzender der Bläserjugend. In dieser Zeit fand der sonst in Eibelstadt stattfindende Einzelunterricht mit dem Dozenten online statt. In "normalen" Zeiten ist außerdem einmal die Woche Tutti-Probe, bei der alle zusammen spielen.
Erste gemeinsame Stücke schon nach einem halben Jahr
Natürlich möchte man als motivierter Musikschüler sein Können irgendwann einmal der Öffentlichkeit präsentieren. Auch dazu hatte die Erwachsenenbläserklasse, die den Namen "Old Youngsters" trägt, bereits mehr als einmal Gelegenheit. Entweder gemeinsam mit größeren Orchestern, oder in ihrer kleinen Formation, etwa beim Adventscafé im Schützenhaus oder im Seniorenheim.
"Im Prinzip kann man schon nach einem halben Jahr gemeinsam einfache Stücke spielen", sagt Markus Schenk. Vorausgesetzt, es finden sich nicht nur zehn Saxophonisten zusammen, sondern Liebhaber möglichst vieler unterschiedlicher Instrumente. Dann ergebe sich auch in einer kleineren Besetzung schon ein eindrucksvolles Klangerlebnis.
Zweite Erwachsenenbläserklasse ist geplant
Markus Schenk erzählt, dass nicht nur Mitglieder aus Eibelstadt in der Erwachsenenbläserklasse spielen, sondern auch welche aus anderen Orten. Denn allzu viele derartige Angebote gebe es im Landkreis bislang noch nicht. Schenk weiß von Erwachsenenbläserklassen in Rimpar, Güntersleben und Unterpleichfeld.
Um weiteren Musik-Neulingen dieses Erlebnis zu ermöglichen, plant die Eibelstädter Bläserjugend jetzt sogar eine zweite Erwachsenenbläserklasse, und auch Kinder sind als neue Mitglieder der Bläserjugend jederzeit willkommen. Ein Infotermin zum Thema Erwachsenenbläserklasse wird noch im Mitteilungsblatt bekannt gegeben.
