Auch am vierten Verhandlungstag im Erlabrunn-Prozess schwieg der angeklagte Fahrer eines Streufahrzeugs weiter über den Unfall vom 5. Januar 2016, bei dem Gisela K. zu Tode kam. Aber möglicherweise hat er sich unter dem Druck der Ermittlungen zwei Wochen später einem Feuerwehrkameraden in Leinach anvertraut.
Der Leinacher Bürgermeister Uwe Klüpfel erinnerte sich: 14 Tage nach dem Unfall habe ihm ein ranghohes Mitglied der Wehr in Oberleinach während einer Autofahrt erzählt, der damalige Erlabrunner Kommandant, Fahrer des Streufahrzeuges, habe ihm während einer Übergabe von Funkgeräten gebeichtet, dass er an jenem Morgen des 5. Januar mit dem Traktor über etwas Weiches hinweg gefahren sei. Er sei aber weitergefahren und habe seine Frau am Telefon beauftragt, an der Stelle nach dem Rechten zu sehen.
Zeuge bestätigt Aussage des Leinacher Bürgermeisters
Klüpfel teilte diese Erzählung vier Wochen später während eines Bürgermeisterausflugs seinem Erlabrunner Kollegen Thomas Benkert mit. Der reichte die Information schließlich an die Polizei weiter. Beide bezeugten dies jetzt vor Gericht.
Der Leinacher Feuerwehrmann hatte vor Jahresfrist im ersten Prozess vor dem Amtsgericht zunächst ausgesagt, dass sein Bürgermeister da „etwas falsch verstanden haben müsse“. Der Zeuge war dann im Rahmen einer spektakulären Aktion wegen des Verdachts einer Falschaussage noch im Gerichtssaal für mehrere Stunden in Haft genommen worden. Anschließend war er zurückgerudert: Er könne sich nicht mehr konkret erinnern. Es sei aber möglich, dass er die Aussage so gemacht habe, wenn sich der Bürgermeister so deutlich daran erinnerte. Diese Aussage wiederholte er auch jetzt vor dem Landgericht. Ein zweiter Zeuge, der ebenfalls mit im Wagen gesessen hatte, bestätigte die Aussage des Bürgermeisters.
Anwalt Schrepfer: "Mehr Indizien braucht es eigentlich nicht"
Als sich die Ermittlungen im Januar 2016 immer stärker gegen den Gemeindearbeiter richteten, hatte ihn Erlabrunns Bürgermeister Benkert gefragt, ob er an der Unfallstelle rückwärts gefahren sei. Er fahre da nie rückwärts, habe dieser geantwortet. Dann hörte Benkert von seinem Stellvertreter das Gegenteil: Denn der habe Günther K. in dem Ortsbereich schon rückwärts fahren sehen.
Dass der Angeklagte weiter vor Gericht schweige, „ verstehe ich nicht“, sagte Rechtsanwalt Peter Auffermann, der mit zwei Kollegen die Hinterbliebenen von Gisela K. vertritt. „Mehr Indizien zur Schuldfrage braucht es eigentlich nicht,“ sagte sein Kollege Hanjo Schrepfer am Donnerstag. Er appellierte noch einmal an den Angeklagten, sein Schweigen zu brechen - ohne Reaktion.
Dafür hatte bereits am dritten Verhandlungstag der Verdacht auf gezielte Vertuschung des Geschehens neue Nahrung erhalten: Staatsanwältin Martina Pfister-Luz und die Anwälte der Familie der Verstorbenen gehen dem Verdacht nach, dass Handydaten gezielt gelöscht wurden, um Verabredungen zum Verschleiern einer Fahrerflucht zu tarnen.
Handydaten professionell gelöscht?
Die Telefone des Angeklagten sowie Beteiligter aus seinem Umfeld wiesen verdächtige Lücken auf - obwohl es Gespräche gegeben hat. Eine Sachverständige des Landeskriminalamtes machte deutlich: Die Daten seien nicht einfach gelöscht, wie dies Handy-Nutzer problemlos machen können. Dann bliebe eine Kopie der Daten auf der Handy-Festplatte. Doch in diesem Fall sei wohl ein Profi am Werk gewesen.
Anwalt Norman Jacob fragte den Leiter der Ermittlungen: Ob ihm bekannt sei, dass ein Verwandter eines der vier Besitzer der gelöschten Handys bei der Telekom beschäftigt gewesen sei? „Das höre ich zum ersten Mal“, bekannte er.
Bürgermeister Benkert berichtete in seiner fast zweistündigen Aussage auch: Man habe im Gemeinderat in den Wochen nach dem Unfall über eine Feier im Gewölbekeller des Angeklagten gesprochen. Der, selbst Mitglied im Gemeinderat, habe dies mit der Bemerkung zugesichert, „wenn ich bis dahin nicht im Gefängnis sitze“, erinnerte sich der Bürgermeister.
Aber irgendwie typisch Dorf.
Da geht's nicht um Schuld und Gerechtigkeit, sondern darum, wer im Ort die größere Anhängerschaft hat. Und jeder meint, mitmischen zu müssen.
Ein Gewissen scheint der -sehr mutmaßliche - Schuldige jedenfalls nicht zu haben.
Und diejenigen im Ort, die die Familie von Gisela K. auch noch "ächten" meinen zu müssen, erst recht nicht. Mich würde mal interessieren, was sie der Familie eigentlich vorwerfen. Vielleicht dass sie den Tod ihrer Angehörigen nicht einfach hinnehmen, sondern aufklären lassen wollen, obwohl sie erst seit 5 Generationen in Erlabrunn ansässig sind und die Familie des Angeklagten schon seit 10? Oder sind sie nicht katholisch, nicht im Fußballverein oder Elferrat, wählen möglicherweise SPD, oder der Uroppa hat eine Auswärdiche g'heiert?
Das ist ein Drama das keinerlei Verharmlosung verträgt.
Die Haftstrafe, die den Angeklagten erwartet, ist nichts gegen die lebenslänglichen Schuldgefühle.
Oh ja, ich kenne so was aus meinem dörflichen Ursprung. Da gab es ähnliches vor etwa 50 Jahren auch noch. Dann kam doch noch die Zivilisation.