Wenn einer über die Straßenbahn Bescheid weiß, dann ist es Paul Lehmann. Der gebürtige Rheinländer kam als Diplomingenieur 1983 zur Würzburger Straßenbahn GmbH (WSB) und ist seit 1992 deren Betriebsleiter. Im Interview spricht der 62-Jährige über umweltfreundlichen Nahverkehr, Fahrscheinkauf per Handy und exotische Fahrgäste.
Frage: Was bringt die Straßenbahn Würzburg?
Paul Lehmann: Dank des elektrischen Antriebs topmoderne Mobilität ohne Schadstoffausstoß. Wir fahren mit Ökostrom und verbessern so wesentlich die Klimabilanz. Zudem hat die Straßenbahn eine Rückgrat-Funktion im Innenstadtverkehr. Mit werktäglich rund 100 000 Fahrgästen wird dieser enorm entlastet. Über 40 Prozent der Bewegungen in der Stadt, Fußgänger inbegriffen, erfolgt per Straßenbahn. Das ist gewaltig. Und zukunftsträchtig. So denkt Regensburg über die Wiedereinführung der Straßenbahn nach.
Wie sieht die Zukunft der Straba aus?
Lehmann: Rosig. Und vielschichtig. Von der Erweiterung der Linie 5 zur Uniklinik in Grombühl werden viele Seiten profitieren. Das ließe sich auch für die Linie 6 zum Hubland sagen, auch wenn sie vielleicht erst in ferner Zukunft kommt. Bis die Straßenbahn zum Heuchelhof fuhr, hat's auch fast 20 Jahre gedauert. Bis 2021 wollen wir 18 neue Züge zum Stückpreis von etwa 3,5 Millionen Euro anschaffen. Mit bis zu 50 Jahre alten Waggons ist unser Fuhrpark nicht mehr der neueste. Ein großes Thema ist die Barrierefreiheit, für die einiges getan wird. Zudem beschäftigen wir uns mit elektronischem Service, zum Beispiel WLAN in den Zügen oder das Fahrschein lösen per Smartphone.
Die Straßenbahn verliert seit Jahren angeblich Fahrgäste. Warum?
Lehmann: Das stimmt nicht. Woher diesbezügliche Zahlen kommen, weiß ich nicht. Die Straßenbahn hatte in den vergangenen Jahren Zuwächse, wenn auch bescheidene zwischen einem halben und einem Prozent pro Jahr. 2016 Jahr stieg die Zahl der Nutzer um 2,8 Prozent. Von 2010 bis 2015 sind die Fahrgastzahlen von 20,46 Millionen auf 22,06 Millionen gewachsen. Diese Zahlen stammen aus unseren elektronischen Systemen in den Bahnen und sind real gezählte Fahrgäste.
Dennoch ist der ÖPNV ein Verlustgeschäft. Wieviel kostet das jährlich?
Lehmann: Bei der Straßenbahn müssen wir jährlich etwa 6,5 Millionen Euro drauf legen, bei den Bussen rund 8,5 Millionen. Der Busverkehr verursacht mehr Personalkosten bei vergleichsweise weniger Transportkapazität.
Wer sind denn die Straba-Nutzer?
Lehmann: Das sind die „Mussfahrer“ Schüler und auch viele Studenten, die das Semesterticket nutzen. Auch viele über Sechzigjährige fahren Straba. Dagegen sind die 30- bis 50-jährigen noch sehr aufs Auto fixiert.
Wie wollen Sie neue Kunden gewinnen?
Lehmann: Unser Ziel ist, dem Trend zu folgen und eine ganzheitlich vernetzte Mobilität zur Verfügung zu stellen. Bus und Straßenbahn sollen nicht mehr einzige Mobilitätsträger unseres Unternehmens sein. Bei der angestrebten Vernetzung rücken vor allem die Aspekte Bike & Ride, Park & Ride, Fahrradmitnahme, Leihfahrräder, Carsharing, E-Mobility, Taxi sowie der Weg zur Haltestelle in den Fokus. Generell: Die Wettbewerbsfähigkeit hängt vor allem von den politischen Rahmenbedingungen ab. Bei der Stadt Würzburg hat der ÖPNV einen hohen Stellenwert. Natürlich könnte manches noch besser sein. Es muss aber auch bezahlbar bleiben.
Wie oft fahren Sie selbst Straßenbahn?
Lehmann: Mindestens einmal im halben Jahr.
So selten?
Lehmann: Das betrifft nur meine Fahrten als Straßenbahnführer. Die brauche ich, um meine Lizenz zu behalten. Als normaler Fahrgast bin ich täglich unterwegs.
Sie sind seit 34 Jahren bei der Würzburger Straßenbahn. Haben Sie besondere Erinnerungen?
Lehmann: Jede Menge. Straßenbahn fahren ist ein Abbild des Lebens. Begegnungen aller Art, traurige und freudige Momente. So gab es Todesfälle in der Bahn wie auch Geburten.
War auch was Lustiges dabei?
Lehmann: Natürlich. Ein Mitarbeiter von einem Wanderzirkus wollte mal mit der Linie 5 vom Heuchelhof in die Stadt fahren. Mit einem Lama. Der Straßenbahnführer hat beide Augen zugedrückt So hatten wir wohl unseren exotischsten Fahrgast.