Festival Lied Würzburg, viertes Konzert: Der ganze Toscanasaal horcht auf - die Sopranistin Anne Schwanewilms und der Pianist Manuel Lange setzen an zu Claude Debussys "Proses lyriques" (1892/93). Debussy, der noch vor seinem Erfolg als Komponist den berühmten Soirées von Dichter Stéphane Mallarmé beiwohnte, verfasste selbst Gedichte, die er später vertonte. Diese vier Lieder spiegeln wider, was er in seinen späteren Werken noch ausarbeiten wird: ein Gefühl zwischen traumhafter Freiheit und bodenständiger Prägnanz. Vielseitig, emotional und in alle Richtungen ausufernd, was Schwanewilms und Langes Interpretation eindrucksvoll beweist.
Danach folgen die "sieben frühen Lieder" Alban Bergs (1905-1908) zu Texten verschiedener Dichter, unter anderem von Nikolaus Lenau, dessen "Lenz" Wolf-Dietrich Rammler einleitend rezitiert. Allerdings kommt es an diesem Abend nur zum Vortrag der ersten drei Stücke: Die Nachtigall kostet Schwanewilms kurzerhand die Stimme.
Ein Tee rettet den Rest des Abendprogramms
"An alle, die unseren Meisterkurs besuchen werden: Coolness bewahren und einfach mit dem Publikum kommunizieren", rät die Sängerin daraufhin. So etwas könne eben schon mal vorkommen. Tosender Applaus gibt ihr Recht. Ein Tee rettet den Rest des Abendprogramms: Stefan Heuckes "Dennoch", ein sieben Lieder umfassender Zyklus, in dem er ausgewählte Gedichte von Hilde Domin (1909-2006) vertont. Der Komponist selbst hält eine kurze Einleitung. Auch hier rezitiert Rammler eine Auswahl von Texten der Dichterin.
Das Werk dreht sich um das Gedicht "Abel steh auf" (1979), das Domin selbst ihr wichtigstes nennt. Die Lyrikerin, die 1939 wegen der Rassengesetze Deutschland verlassen musste, lebte etwa 22 Jahre im Exil in der Dominikanischen Republik. 1961 kehrte sie nach Deutschland zurück und wurde eine der wichtigsten Stimmen der deutschen Nachkriegslyrik.
Domins Gedichte sprechen Flucht und Vertreibung, Heimatsuche und Mut an. Und sind damit immer noch brandaktuell. Heucke deutet diese meist düsteren Texte klanglich aus: Triller erklingen, wenn Drosseln erwähnt werden, weite Strecken spielen sich an den äußeren Enden der Klaviatur ab, und der Tod kaskadiert mit langen Schatten in die Tiefe. Ist das lautmalerisch? Jedenfalls ist es ergreifend. Nachdrücklicher Applaus erfüllt den Toscanasaal. Schade, dass man bei solchen Aufführungen nicht nach Zugaben ruft.