Trotz Corona-Krise ist der Prozess um den Missbrauch von sieben behinderten Buben vor dem Landgericht Würzburg an einem entscheidenden Punkt angekommen: Gespannt blicken Richter, Opfer und Verteidigung der Verhandlung an diesem Mittwoch entgegen. Der renommierte Psychiater Norbert Nedopil ergreift dann vor Gericht das Wort. Wieder einmal könnte einer der namhaftesten Gerichtsgutachter die Weichen dafür stellen, wie ein Verbrechen beurteilen wird und wie die Strafe ausfällt.
In zahlreichen Prozessen Einfluss genommen
Norbert Nedopil leitete früher die Forensik der Universität Würzburg. Sein Wort hat Gewicht, wenn es um die Frage geht, was im Kopf eines Angeklagten vorging. Aufsehen erregten seine Gutachten über den mörderischen „Maskenmann“ Martin Ney, den zu Unrecht eingesperrten Gustl Mollath oder über die Rechtsterroristin Beate Zschäpe.
Nun soll Nedopil dem Landgericht Würzburg Hilfestellung bei der Beurteilung des angeklagten Würzburger Logopäden geben. Der 38-Jährige hat gestanden, sieben behinderte Buben bis zur Vergewaltigung missbraucht und dabei gefilmt zu haben – während der Therapie, die laut Verteidigung auch den missbrauchten Kindern zugute gekommen sein sollen. Die Strategie der Anwälte hatte zuletzt zu heftigen Konflikten vor Gericht geführt, weil ein Verteidiger ungehemmt Fürsprecher für seinen Mandanten unter den früheren Betreuern der Kinder suchte.
Urteil im Mai?
Spannend bleiben für alle Prozessbeteiligte und die Opfer zwei Fragen: Ist der Angeklagte voll schuldfähig? Und sieht Gutachter Nedopil – dem sich der Logopäde in stundenlangen Gesprächen anvertraut haben soll - den 38-Jährigen als so gefährlich an, dass er nach Verbüßen einer jahrelangen Gefängnisstrafe in Haft bleiben muss, weil er sonst eine Gefahr für kleine Buben bleibt?
Je nach Aussage des Sachverständigen an diesem Mittwoch, könnten schon am Donnerstag die Plädoyers beginnen – und ein Urteil im Mai würde in greifbare Nähe rücken.