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Würzburg
Enormer Naturschaden: Hat der Verdächtige vor der Gülle-Welle auch Feuer in der Biogasanlage gelegt?
1000 Kubikmeter Gärreste sind aus den Silos einer Biogasanlage ausgelaufen, weil mutmaßlich ein 33-Jähriger die Luken geöffnet hat. Hat er im Juli 2021 auch ein Feuer gelegt?
Dunkelbraun ist das Wasser im Fuchsstädter Bach im Rottenbaurer Grund, nachdem in der Nacht auf Dienstag gut eine Million Liter Gärreste aus einer Biogasanlage gelaufen sind. Der Bach ist jetzt biologisch tot.
Foto: Thomas Fritz | Dunkelbraun ist das Wasser im Fuchsstädter Bach im Rottenbaurer Grund, nachdem in der Nacht auf Dienstag gut eine Million Liter Gärreste aus einer Biogasanlage gelaufen sind. Der Bach ist jetzt biologisch tot.
Thomas Fritz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:56 Uhr

Mittwochmorgen im Rottenbaurer Grund zwischen den Würzburger Stadtbezirken Rottenbauer und Heidingsfeld: Die Luft riecht noch leicht nach Gärresten, aber bei weitem nicht so beißend wie Jauche, die von Landwirten auf Feldern ausgebracht wird. Die Nacht über hat die Berufsfeuerwehr Würzburg noch jede Menge Gärsubstrat aus dem Fuchsstädter Bach gepumpt und über den Kanal in die Kläranlage nach Würzburg geleitet. Eine schwarze Brühe ist noch immer im Bachlauf zu sehen. Das Wasser ist dunkelbraun gefärbt. Und an manchen Stellen zeigt sich ein schwarzer Rand im Erdreich des Bachbetts.

In der Nacht auf Dienstag hat mutmaßlich ein 33 Jahre alter Mann aus dem Landkreis Würzburg vorsätzlich zwei Luken der Gärsubstrat-Silos einer Biogasanlage geöffnet - und gut eine Million Liter Biogas-Gülle konnten gut zwei Stunden lang über Entwässerungsgräben in den Fuchsstädter Bach fließen, der sich naturnah und idyllisch durch den Rottenbaurer Grund in Richtung Würzburg-Heidingsfeld schlängelt.

Steht der Tatverdächtige auch in Zusammenhang mit einem Feuer in der Biogasanlage?

Noch am Dienstag hat die Polizei den Tatverdächtigen vorläufig festgenommen, ihn erkennungsdienstlich behandelt und wieder frei gelassen, weil im Moment nur ein Anfangsverdacht gegen ihn vorliegt - aber keine Haftgründe, sagt Björn Schmitt, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken. Die Polizei geht von einer schwerwiegenden Umweltstraftat aus, die im Falle einer Verurteilung mit einer "empfindlichen" Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bestraft werden könnte. "Das war kein Kavaliersdelikt", so Schmitt.

Auch am Mittwoch pumpen Technisches Hilfswerk und die Würzburger Berufsfeuerwehr noch reichlich Gärreste aus dem Fuchsstädter Bach.
Foto: Thomas Fritz | Auch am Mittwoch pumpen Technisches Hilfswerk und die Würzburger Berufsfeuerwehr noch reichlich Gärreste aus dem Fuchsstädter Bach.

Wie der Mann die Auslässe der Gärsubstrat-Silos öffnen konnte, sei Gegenstand der Ermittlungen. Einfach sei dies aber nicht gewesen, heißt es von einem Beamten der Würburger Wasserschutzpolizei, der die Ermittlungen führt. Denn die Auslässe seien vorschriftsmäßig mehrfach gesichert.

Die Polizei ermittelt nun auch, inwieweit der Fall mit einem Brand der Biogasanlage im Juli 2021 zusammenhängt. In der Nacht auf den 5. Juli hatte ein Feuer das Maschinenhaus, das Herz der Anlage, komplett zerstört. "Im Zuge der kriminalpolizeilichen Ermittlungen ergaben sich Hinweise, die auf eine Brandstiftung hindeuten", sagt Schmitt. Einen Verdächtigen konnte die Polizei aber bislang nicht ermitteln. Ist der 33-Jährige auch der Brandstifter? "Bis jetzt haben wir dafür keine Erkenntnisse", so Schmitt.

Bachfeld wird jetzt gereinigt, um schwere Umweltfolgen zu verhindern

Während die Polizei weiter ermittelt, besprechen im Rottenbaurer Grund am Mittwochmorgen Behördenvertreter, wie es nun weitergeht. "Wir versuchen jetzt das Bachfeld zu reinigen", sagt Harald Rehmann, Chef der Berufsfeuerwehr, der die gute Zusammenarbeit aller Beteiligten lobt.

Um Folgewirkungen zu reduzieren, sollen abgelagerte Gärreste wegespült werden. Stark verunreinigte Bereiche sollen ausgebaggert und zwei weitere Dämme als Schlammfänge errichtet werden. Unter der Brücke der sogenannten Y-Spange, die das Würzburger Gewerbegebiet Heuchelhof mit der Bundesstraße 19 verbindet, werde weiter abgepumpt und die Zuflüsse reduziert, damit die Wassermenge so gering wie möglich bleibt, teilt die Pressestelle des Würzburger Landratsamtes mit.

Bund Naturschutz spricht von einem enormen Schaden für die Natur

Fest steht, dass der Entwässerungsgraben und der Fuchsstädter Bach unterhalb der Biogasanlage bis zur Sperre an der Y-Spange biologisch sehr stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Das haben Untersuchungen durch das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg ergeben, heißt es in einer Pressemitteilung des Landratsamtes. "Dieser Teil des Baches ist biologisch tot", stellte Dr. Klaus Maslowski bereits am Mittwoch fest. Weil die Feuerwehr schnell einen Damm angelegt hatte, konnte aber verhindert werden, dass auch der Heigelsbach, in den der Fuchsstädter Bach fließt, belastet wird.

Viele Einsatzkräfte sind am Mittwoch im Rottenbaurer Grund unterhalb der Brücke zwischen Gewerbegebiet Heuchelhof und Bundesstraße 19 noch damit beschäftigt, Gärreste aus dem Bauch zu pumpen.
Foto: Thomas Fritz | Viele Einsatzkräfte sind am Mittwoch im Rottenbaurer Grund unterhalb der Brücke zwischen Gewerbegebiet Heuchelhof und Bundesstraße 19 noch damit beschäftigt, Gärreste aus dem Bauch zu pumpen.

Bis zur Gülle-Welle war die Wasserqualität gut, sind sich Regierung von Unterfranken und Wasserwirtschaftsamt einig. Eckhard Beck ist oft im Rottenbaurer Grund unterwegs. Der Naturliebhaber und ehrenamtliche Naturschutzwächter hat noch im Mai kleine Fische im Bach gesehen. "Auch Insekten und andere Lebewesen haben sich hier wohlgefühlt und die ein oder andere Trockenperiode überlebt", weiß er.

"Wenn jemals Leben im Bach gewesen war, ist das jetzt über Jahre vorbei", sagt Martin Günder vom Wasserwirtschaftsamt, der auch am Mittwoch vor Ort ist. "Für die Natur ist das ein enormer Schaden", sagt Steffen Jodl, Geschäftsführer des Bund Naturschutzes in Würzburg. Er fürchtet, dass auch das Grundwasser betroffen sein könnte. Dazu kann Martin Günder vom Wasserwirtschaftsamt aber noch keine Aussage treffen.

Wie gefährlich ist Biogas-Gülle?

Bei der Biogas-Gülle handelt es sich um die Gärreste, die bei der Erzeugung von Biogas zurückbleiben. Aufgrund ihres Gehalts an Stickstoff, Phosphat und Kalium gilt sie als wertvoller Dünger. Um Auswaschungen von Stickstoff ins Grundwasser zu vermeiden, darf sie aber erst während der Vegetationszeit ausgebracht werden und wird deshalb in den Wintermonaten gelagert.
Im Gegensatz zu tierischen Ausscheidungen geht von der pflanzlich basierten Biogas-Gülle keine Gefahr durch Fäkalkeime aus. Für Gewässer sind die Gärreste trotzdem hochgefährlich, weil der Abbau des organischen Materials große Mengen Sauerstoff verzehrt, der dem Gewässer entzogen wird. Dadurch sterben nicht nur Fische, sondern auch Kleinstlebewesen ab, die für den biologischen Zustand des Gewässers und seine Selbstreinigungskraft von großer Bedeutung sind. Das Gewässer gilt als tot.
Dr. Klaus Maslowski, am Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg zuständig für die Gewässeraufsicht, geht davon aus, dass es mindestens ein Jahr dauert, bis sich ein totes Gewässer regeneriert und wieder von Kleinstlebewesen besiedelt wird. Die Regeneration wird verzögert, wenn das Gewässer nur einen geringen Zulauf hat, oder organisch belasteter Schlamm zurückbleibt, der über einen langen Zeitraum weiter Sauerstoff verbraucht.
Quelle: WWA, AELF, meg
 
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  • W. G.
    Antwort an Remag:

    https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/guelle-austritt-warum-die-biogasanlage-in-fuchsstadt-keinen-sicherheitswall-hat-art-10733002
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  • H. S.
    Es gibt halt nichts ohne Risiko.
    Atomkraftwerke machen Angst
    Kohle und Gas schädigen das Klima
    Windräder schreddern Vögel
    Photovoltaikanlagen verschandeln das Landschaftsbild
    Biogasanlagen zerstören jetzt die Umwelt und verseuchen Trinkwasser.
    Das diese Biogasgülle eine wertvoller Dünger für Bio-Äcker ist, stört niemand.
    Und mit Aussagen zu Umweltschäden sollte man vorsichtiger sein.
    Als beim 1. Irakkrieg Millonen Tonnen Erdöl in den Persischen Golf flossen, ging man davon aus, dass dieser 100 Jahre ohne Leben sei.
    Nach 10 Jahren wunderten sich Biologen, dass mehr Leben als vorher vorhanden war.
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  • W. G.
    Eloquent formuliert! Danke Rasputin!

    … und dennoch möchte jeder im gut beleuchteten, warmen Wohnzimmer sitzen, sich im Dezember an der Weihnachtsillumination erfreuen sich über sich über Handy, PC, Waschmaschine, Fernseher, … das Leben sonschön und gemütlich wie nur möglich machen…

    Alles geht einfach nicht!
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  • G. H.
    da wollte wohl einer die Umwelt schützen, dumm gelaufen. Schön das er erwischt wurde.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Es ist ja nicht der erste Unfall im Zusammenhang mit biogasanlagen. Wann endlich werden solche Anlagen besser überwacht und Schutzeinrichtungen vorgesehen?
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    Es war doch kein Unfall sondern Sabotage!
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  • M. G.
    Ist der Landwirt am meisten Schuld????, bis 2022 müssen sie eine Schutzvorrichten Bauen wegen Bruch und sonstige Schäden. Die Baubehörde hat lange genug Zeit gehabt um solche Schäden zu vermeiden, jetzt der Verdächtige Schuld, alles eine Schlamperei
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  • T. G.
    Das ist mal eine sachliche Berichterstattung und nicht so ein geschwurbel der letzten Tage.
    Manchmal wäre es besser erstmal die Sachlage zu checken bevor hier in der MP im wahrsten Sinne des Wortes ein Shitstorm abgeht.....
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  • M. R.
    Wird in der Anlage nun Gülle verarbeitet oder alleine Nutzpflanzen und der Begriff Gülle in der Überschrift und die Wortschöpfung „Biogas-Gülle“ dient nur der Schaffung einer erhöhten Aufmerksamkeit beim Leser?

    Unabhängig von der Tatsache, dass diese Straftat Sch****e für die Natur ist…
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