Wenn Putzfrau Ines Procter ihre blaue Kittelschürze ablegt und in elegantem Schwarz erscheint und Michl Müller sein Dreggsagg-Shirt gegen ein blütenweißes Hemd samt Krawatte tauscht, dann muss es sich um einen besonderen Fastnachtsabend handeln. So war?s denn auch: Der bayerische Staatsempfang anlässlich 30 Jahre „Fastnacht in Franken“ in Veitshöchheim war ein so noch nie dagewesenes Treffen der fränkischen Narrenschar.
600 geladene Gäste
Ministerpräsident Horst Seehofer hatte angesichts des Jubiläums 600 Gäste in die Mainfrankensäle eingeladen, um sich für die Brauchtumspflege rund um die Fastnacht zu bedanken. So waren neben Künstlern aus drei Jahrzehnten auch viele Verbandsmitarbeiter und ehrenamtlich Tätige aus den fränkischen Fastnachtsvereinen in den Würzburger Vorort gekommen. Zu den Ehrengästen gehörten der bayerische Justizminister Winfried Bausback, Regierungspräsident Paul Beinhofer und Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel sowie Josef Schuster, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, für den „die Fastnacht eine der attraktivsten und schönsten Arten der Kulturpflege ist, die es in Franken gibt“.
Gruppenbild mit Schweinfurts OB
Auch Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé gehörte zu den Gästen, die „Schwarze Elf“ aus seiner Stadt wird in diesem Jahr mit gleich drei Akteuren auf Bayerns größter Fastnachtsbühne vertreten sein: Altmeister Peter Kuhn, Jonas Paul sowie der erst 16-jährige Debütant Marco Breitenbach.
Bernhard Schlereth, Präsident des Fastnacht-Verbands Franken, und Landtagspräsidentin Barbara Stamm dankten den zahlreichen Ehrenamtlichen in der Fastnacht: „Was ihr da leistet, ist gar nicht hoch genug einzuschätzen“, sagte Stamm. Kathrin Degmair, Leiterin des für die Sendung verantwortlichen BR-Studios Franken, drechselte gar eine Büttenrede: „Alle wollen uns besuchen und ein Stück vom Quotenkuchen.
Ein Kern Wahrheit liegt im Spott
Ein bestens gelaunter Ministerpräsident Horst Seehofer wusste, was die Gäste hören wollten: „Wo ihr seid, ist oben“, sagte der CSU-Chef über die fränkischen Fastnachter. Seehofer, der nach vier Tagen Berlin froh war, „wieder bayerischen Boden unter den Füßen zu haben“, gestand, 2009 vor seinem ersten Besuch in Veitshöchheim Angst gehabt zu haben: „Doch die war unbegründet“. Viele Politiker seien nur beleidigt, „wenn sie in der Sendung nicht erwähnt werden“ – gerade in einem Wahljahr, möchte man hinzufügen. Die Qualität der Vorträge bezeichnete Seehofer als das Geheimnis des Erfolgs: „Veitshöchheim bietet Unterhaltung auf höchstem Niveau. Ihr macht Menschen nicht nur fröhlich, sondern glücklich“.
Seehofer, so scheint es, macht die Fastnacht tatsächlich Spaß, auch wenn die Staatsregierung häufig das Ziel von Spott ist: „Ein Kern Wahrheit ist auch immer dabei“, sagte der bayerische Regierungschef und fügte an: Die Fastnachter von Veitshöchheim seien in Wahrheit die weisen und Gelehrten, „für sie bräuchten wir eine Fakultät“. Eine Narren-Uni? Seehofer sollte Bernhard Schlereth nicht auf dumme Gedanken bringen, es wäre nicht das erste unmöglich anmutende Projekt, das er mit seiner fränkischen Sturheit durchgeboxt hätte.
Bundesverdienstkreuz für Bernhard Schlereth
Genau daran knüpfte der Ministerpräsident im zweiten Teil seiner Festrede an: Horst Seehofer verlieh im Auftrag des scheidenden Bundespräsidenten Joachim Gauck das Bundesverdienstkreuz am Bande an den Fastnachtspräsidenten. „Sie engagieren sich seit Jahrzehnten mit Herzblut für unser Land und die Heimat“, sagte der Ministerpräsident und würdigte Schlereths Verdienste im Fastnachtsverband ebenso wie ehrenamtliche Tätigkeiten in der Kommunalpolitik, dem Sport und der sozialen Arbeit. „Vergelt?s Gott“, so Seehofer, während die Gäste dem sichtlich gerührten Schlereth stehend applaudierten.
Bernhard Schlereth (65) führt den Fastnacht-Verband Franken mit seinen etwa 100 000 Mitgliedern aus knapp 330 Vereinen seit 2003 an. Seit 1971 ist er SPD-Mitglied, von 1984 bis 2008 saß der pensionierte Bahnbeamte im Veitshöchheimer Gemeinderat. Sechs Jahre lang war er auch stellvertretender Bürgermeister seiner Heimatgemeinde. Dem Würzburger Kreisrat gehört Bernhard Schlereth seit 2008 an. In den 80er Jahren leitete er als Vorsitzender die Geschicke des SV Veitshöchheim und führte den Sportverein damals aus einer prekären finanziellen Situation in ruhige Gewässer.
Sein Herz aber gehört der Fastnacht. Schlereth ist auf Seiten des Verbandes der Macher der TV-Prunksitzung, zudem war der 65-Jährige der Motor für den 4,5 Millionen Euro teuren Neubau des Deutschen Fastnacht-Museums in Kitzingen. Der Geehrte freute sich über die Würdigung, „die ich als Auszeichnung für das gesamte Team im Fastnachtsverband sehe“.
Anekdoten aus 30 Jahren
Bei der anschließenden Feier mit grober Winzerbratwurst und Kartoffelgurkensalat wurden viele Anekdoten aus 30 Jahren fränkischer Fernsehfastnacht ausgetauscht. Ex-Bürgermeister Rainer Kinzkofer, 27 Jahre lange Veitshöchheimer Ortsoberhaupt, erinnerte an Anfänge der Sendung, Künstler Oti Schmelzer an den familiären Charakter und Domkapitular Clemens Bieber an die Endlichkeit: Die Fastnacht sei eine wichtige Phase im Jahreslauf, weil die Menschen gelöst feiern und mal in andere Rollen schlüpfen können: „Die Fasenacht gewinnt aber in ihrer Bedeutung, wenn wir sie in ihrer Begrenztheit sehen. Wichtig ist deshalb die Zäsur am Aschermittwoch.“