„Lieder, die klingen und nachklingen“ versprach Moderator Matthias Brodowy zu Beginn der über vierstündigen Show "Songs an einem Sommerabend" im Klosterpark von Himmelspforten, der seine Premiere als Open-Air-Gelände erlebte. Zwischen Bäumen war eine große Bühne aufgebaut, dahinter die Kulisse der Weinberge. Vor der Bühne machten es sich die Zuhörer auf der Wiese bequem. Die, die seitlich auf den Stühlen saßen, mussten sich erstmal die gleißende Abendsonne ins Gesicht scheinen lassen. Dennoch, ein Ambiente, das wie gemalt war, für diesen Abend der nachdenklichen und unterhaltsamen, melancholischen und bitterbösen Lieder.
Den Auftakt machte der Südtiroler Dominik Plangger, der seine kleine Tochter besang, um danach seinem Idol, dem „coolen Adriano Celentano“, zu huldigen, und in einer deutschen Übersetzung von Alan Taylors „Companieros“ an die Revolution in Kuba zu erinnern. Damit war der Rahmen für einen abwechslungsreichen Abend abgesteckt, es zeigte sich aber auch, und das galt für alle später noch auftretenden Künstler, dass man gerne mehr gehört hätte als die jeweils vorgegebenen etwa 20 Minuten Auftrittszeit.
Kostprobe des nächsten Albums
Für Carolin No war‘s ein Heimspiel, dem sie sich mit Bravour entledigten. Andi und Caro Obieglo entschieden sich unter anderem für Publikumshits wie „Ehrlich gesagt“ und „Favorite Sin“ und konnten das Publikum zum Mitmachen animieren. Und sie überraschten mit einer Kostprobe ihres nächsten Albums. Darauf vertonen sie lateinische Kirchengesänge zu einer „Messe für den Frieden“. Das andächtige „Da nobis pacem“ war wie gemacht für den Klostergarten.
Sänger und Pianist Manfred Maurenbrecher griff ganz tief in die Repertoire-Kiste. „Schau in die Nacht raus“, ein Dreiklang aus Chanson, Pop und Poesie, entstand wie das folgende „Bingerbrück“ schon den frühen 80er-Jahren. Maurenbrechers lakonisch vorgetragen Texte wurden ergänzt durch Richard Westers wunderbaren Saxophonton. Und dann packte der Berliner noch ein ganz neues, gerade vier Tage altes Stück aus. Eine bitterböse Abrechnung mit dem bayerischen Ministerpräsidenten, dem er vorwarf mit Grinsen vor Populisten zu warnen, von Recht und Ordnung zu sprechen, aber Macht und Gier zu meinen, und immer neue Kräfte zu aktivieren, um „die Schraube nach rechts anzuziehen, damit sie auch hält“. Es war der mit Abstand politischste Song des über vierstündigen Programms.
Partyschiff musste erst vorbeiziehen
Da passte Hanns Dieter Hüschs Gedicht „Das Phänomen“, eine Warnung vor Faschismus und Fremdenfeindlichkeit, 1981 verfasst, und vorgetragen von Matthias Brodowy, nur zu perfekt. Er leitete damit über zu einer fast vergessenen Tradition, dem jiddischen Lied, für dessen Weiterleben sich die Berlinerin Sharon Brauner und ihre Band einsetzen. „Padam“ war ein Hit für Edith Piaf und wurde geschrieben von dem in Würzburg geborenen jüdischen Komponisten Norbert Glanzberg, der vor den Nazis ins Exil nach Frankreich flüchten musste. Brauner trug es in jiddischer Sprache vor, stimmungsvoll und eindringlich.
Ehe Carminho, begleitet von einem exzellenten Gitarristen, den Fado durch den Garten wehen lassen konnte, musste man kurz vor 22 Uhr erstmal ein auf dem Main fahrendes Partyschiff passieren lassen. Die junge Portugiesin sang den klassischen wehmütigen und melancholischen „Blues Portugals“ ausdrucksstark und beseelt und kehrte ihr Innerstes nach außen.
Kunze spielte viele neue Stücke
Dann Heinz Rudolf Kunze: Der Wortakrobat und Literat unter den deutschen Liedermachern startete mit einem gesprochenen Text über einen Fußballfan, der sich die falsche Flagge ins Gesicht gemalt hat. Absurd, skurril, surreal – typisch Kunze eben. Dann der Song, mit dem alles begann: Mit dem „Balkonfrühstück in Nürnberg-Süd“ fing einst seine Karriere an - im Würzburger Stadttheater. 1980 war das. Eine feine Nuance hatte er im Text geändert. Im Nürnberger Polizeihof steht jetzt nicht mehr nur der Wagenpark der Wehrsportgruppe Hofmann, sondern auch der der AfD. Kunze spielte überwiegend Stücke seiner neuen CD „Schöne Grüße vom Schicksal“.
Wie hätte dieser Abend schöner enden können als mit der Klarinette von Giora Feidman. Vor wenigen Wochen hatte er sich noch eine Hand gebrochen, und der Auftritt in Würzburg sei einer der ersten nach der Verletzung, erzählte er den knapp 2000 Besuchern. Und er zeigte: Lieder müssen keine Worte haben. Der über 80-jährige Musiker ließ sein Instrument schluchzen und weinen, glänzen und jubilieren, jauchzen und leuchten. Feidman und Band spielten klasssischer Klezmer und zum Ende eine Hommage an Louis Armstrong mit „What a Wonderful World“. Das könnte auch für „Was für ein wundervoller Sommerabend“ gestanden haben.
Der endete dann mit einem gemeinsam von allen Künstlern gesungenen „Gute Nacht, Freunde“. Danach konnte nichts mehr kommen. Zumindest an diesem Abend. Im Programmheft werden nämlich schon die Songs 2019 angekündigt. Erwartet werden dann neben vielen anderen Klaus Hofmann und Hans-Jürgen Buchner von Haindling.