Egal, ob Handwerk, Pflege, Gastronomie oder Einzelhandel: Der Fachkräftemangel zieht sich durch fast alle Wirtschaftsbereiche. Inzwischen zeigt er sich an einer Stelle, die den täglichen Einkauf einschränken kann: an der Frischetheke im Supermarkt.
Mitunter sind Öffnungszeiten reduziert worden, so dass es Wurst, Fleisch, Käse oder Fisch nur noch im Regal gibt. So bei Edeka in Schonungen (Lkr. Schweinfurt), wo die Betreiber schon Ende Juli auf Facebook bekanntgaben, "aufgrund von Personalmangel" die Zeiten an der Frischetheke anzupassen.
Beispiel Schonungen: So reagiert der Edeka-Markt
Seither ist sie nach Angaben der Marktbetreiber von Montag bis Donnerstag schon ab 16 Uhr nicht mehr besetzt, freitags und samstags ab 18 Uhr. Der Supermarkt indes hat an allen Tagen die gängigen Öffnungszeiten von 7 bis 20 Uhr.
An der Einschränkung bei der Frischetheke habe sich bis heute nichts geändert, war aus der Geschäftsleitung in Schonungen zu erfahren. "Wir arbeiten aber dran, dass wir das jetzt korrigieren." Mehr sei nicht zu sagen, hieß es schmallippig.
Mehr zur aktuellen Situation schilderte auf Anfrage Marco Trabold, der in Würzburg, Eisingen (Lkr. Würzburg), Zellingen und Gemünden (beide Lkr. Main-Spessart) insgesamt fünf Edeka-Märkte mit insgesamt 270 Beschäftigten führt. Auch er spüre den Fachkräftemangel: "Wir suchen für die Frischetheke immer Personal."
Beispiel Edeka Trabold: Wie dem Mangel im Raum Würzburg begegnet wird
Aber Einschränkungen bei den Öffnungszeiten wie in Schonungen "machen wir aktuell nicht". Für Trabold wäre das zudem "der Anfang vom Ende", denn den Frische-Bereich sieht er als Fundament seiner Märkte an. Deshalb sei der Erhalt der Bedientheken "mein oberstes Ziel".
Trabold fängt Engpässe nach eigenen Worten auf, indem er das Frischetheke-Personal in den fünf Niederlassungen rollierend einsetzt. Allenfalls, wenn Krankheitsfälle hinzukommen, könne es beim Bedienen der Kundschaft eng werden. Durch entsprechende Hinweisschilder im Laden bitte er dann um Verständnis.
Edeka-Zentrale in Rottendorf spricht von Ausnahmen
Dass die Personaldecke mitunter auf Kante genäht sein kann, räumt auch die für die Märkte in Nordbayern, Sachsen und Thüringen zuständige Edeka-Zentrale in Rottendorf bei Würzburg ein. Wenn es wegen Urlaub oder Krankheit zeitweise zu reduzierten Öffnungszeiten der Läden oder deren Bedientheken komme, dann sei das aber "die große Ausnahme", hieß es auf Anfrage. Wegen der genossenschaftlichen Struktur des Edeka-Verbundes entscheide die jeweilige Marktleitung "eigenständig über entsprechende Personalthemen".
Das haben die Verantwortlichen im ebenfalls dem Edeka-Verbund angeschlossenen Marktkauf in Schweinfurt bereits getan. Wie zu erfahren war, ist dort die Frischetheke seit acht Wochen täglich schon ab 18 Uhr nicht mehr besetzt – zwei Stunden vor Ladenschluss. Es fehle schlicht und einfach an Personal, sagte ein Mitarbeiter, der namentlich nicht genannt werden wollte.
Wie die Lage bei Rewe und Kaufland ist
Nach seinen Worten gingen in jüngster Zeit 17 Stellenanzeigen auf diversen Kanälen raus. Ergebnis: zwei Neueinstellungen. Fünf hätte er benötigt, sagte der Mann. "Man findet kaum jemanden." Das sei kein Problem seines Unternehmens, sondern flächendeckend "ein Handelsproblem".
Den Engpass in der Branche unterstreicht Edeka-Händler Trabold: "Wir merken, dass es schlimmer wird." Je kleiner ein Markt, desto heftiger sei das Problem. "Wir brauchen dringend Zuzug aus dem Ausland", bekräftigt Trabold eine auch aus der Politik gehörte Meinung zur Bekämpfung des Fachkräftemangels.
In Medienberichten über reduzierte Öffnungszeiten an den Frischetheken wurde in den vergangenen Tagen auch Rewe genannt. Sprecher Thomas Borath wies auf Anfrage aber energisch zurück, dass es Probleme gebe. "Mir ist kein einziger Rewe-Markt bekannt, der in den vergangenen Wochen wegen permanentem Personalmangel die Servicetheke länger schließen oder die Zeiten drastisch kürzen musste." Auch in Mainfranken gebe es "keine substanziellen Einschränkungen", so Borath.
Springer füllen die Lücken
Die zu Lidl gehörende Supermarktkette Kaufland machte auf Anfrage nur allgemeine Angaben. In allen Filialen werde der übliche Service geboten, "auch an den Frischetheken", teilte die Pressestelle mit.
Aus dem Kaufland-Markt in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) war hinter vorgehaltener Hand zu erfahren, dass dort sogenannte Springer-Kräfte an den Bedientheken eingesetzt werden, um Lücken in der Personaldecke zu füllen. Öffnungszeiten müssten deswegen aber nicht verändert werden. Gesucht werden neue Beschäftigte dennoch: "Bewerben kann man sich immer", hieß es.
Ihr macht das Prima.
Ja, definitiv. Aber auch diese Menschen kann man nicht auf ewig mit schlechten Arbeitsbedingungen und/oder Löhnen zufrieden stellen. Man muss sich auch kritisch selbst hinterfragen, warum einem das Personal wegrennt und man kein Neues findet. Zur Wahrheit gehört auch, dass die genannten Märkte nur deshalb so erfolgreich sind, weil sie aufgrund ihrer Größe und Marktmacht an allen Ecken und Enden die Preise bestimmen. Dieses fragwürdige Geschäftsmodell, das zu Lasten der Erzeuger und des eigenen Personals geht, kommt offensichtlich an seine Grenzen. Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass der Verbraucher nicht den tatsächlichen Wert der Produkte und der dahinter stehenden Arbeit bezahlt oder eher bezahlen möchte. Der Ruf nach Fachkräften aus dem Ausland ist nichts anderes als diese Grundproblematik weiterhin zu externalisieren - das Lieblingshobby der deutschen Kartoffel, um sich Normalität einzureden.
Dazu kommt wohl, dass einige Mitmenschen in Coronazeiten gemerkt haben, dass man mit Hartz 4 und, nennen wir es mal harmlos Nachbarschaftshilfe, auch ganz gut durchs (momentane) Leben
kommt.
35-Stunden-Woche, Samstagsarbeit und manchmal schmutzige Hände gilt jedenfalls als völlig uncool.