Ab diesem Freitag gilt die neue Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Der Schutz der persönlichen Daten betrifft viele Lebensbereiche. Die damit verbundenen Änderungen spüren derzeit viele Menschen. Wir sprachen dazu mit Prof. Dr. Johannes Weberling. Die Berliner Kanzlei des 59-jährigen Juristen und Hochschullehrers an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) ist spezialisiert auf Medien- und Arbeitsrecht. Sie berät eine Reihe namhafter Medienhäuser in Deutschland, darunter die Mediengruppe Main-Post.
Frage: Was wir derzeit erleben, diese ganze Aufregung rund um die DSGVO, finden Sie das eigentlich gerechtfertigt?
Johannes Weberling: Na, ja. Ich kann das schon nachvollziehen. Allein, weil die DSGVO ein außerordentlich komplexes Werk ist und selbst für einen Juristen schwer verständlich. Aber bei Lichte betrachtet, muss man sagen, dass das alles kein so großer Unterschied ist zu den bislang geltenden Regelungen.
Also wird nur fortgeschrieben, was ohnehin schon geregelt war?
Weberling: So würde ich das jetzt nicht sagen. Da sind einige Punkte deutlich präzisiert und verschärft worden. Das, was vor allem die große Aufregung verursacht, sind die Dokumentationspflichten und damit verbunden auch die Bußgeldandrohungen. Da gibt es genügend Trittbrettfahrer, die diese Aufregung aus Eigeninteresse schüren, um Fortbildungen oder sich selbst als Sachverständiger anzubieten.
Manche sagen, jetzt bekäme der Datenschutz endlich Zähne zum Zubeißen.
Weberling: Die Zähne hatte er bislang auch schon. Was aber sicher richtig ist, dass der Datenschutz jetzt auch gegen außereuropäische Großkonzerne wie Facebook und Google durchaus wirksame Mittel in die Hand bekommt, mit denen die schlimmsten Auswüchse gestoppt werden können. Klar, die Bußgelder, die verhängen nicht die Datenschützer, das wird ganz normal nach Recht und Gesetz abgehandelt und von den Gerichten entschieden. Hat man vorsätzlich gehandelt oder nicht? Hat man schuldhaft gehandelt? Eins ist aber sicher: So eine Nummer wie der jüngste Facebook-Datenskandal, die läuft definitiv nicht mehr.
Bekommen wir jetzt mehr oder weniger Schutz für unsere persönlichen Daten? Es gibt ja auch Leute, die sagen, dass der neue europäische Standard hinter die bestehende Gesetzgebung zurückfällt.
Weberling: Richtig ist, dass wir bislang schon beim Datenschutz einen relativ hohen Standard hatten. Der galt aber eben nur für Deutschland. Und die DSGVO ist jetzt vielleicht in manchen Punkten ein bisschen lockerer, aber eben nur in manchen. Insgesamt haben wir jetzt ein Niveau erreicht, das unserem Niveau weitgehend entspricht – und das gilt europaweit. Ohne jemanden zu Nahe treten zu wollen: Für einige südosteuropäische Länder wird es sicherlich nicht leicht werden, diesen Standard zu erreichen. Ich kann mir das noch nicht so richtig vorstellen. Auf jeden Fall wird das spannend. Wir sollten aufpassen, dass da künftig nicht mit zweierlei Maß gemessen wird.
Es gibt Befürchtungen, dass die DSGVO die Arbeit von Journalisten, insbesondere von Fotografen, einschränken könnte. Wie sehen Sie das?
Weberling: Da kann ich Entwarnung geben. Es ist ja nicht alles neu gemacht worden. Bestehende datenschutzrechtliche Regelungen, die Persönlichkeitsrechte und Medienrechte in Ausgleich bringen, gelten unverändert weiter. Nehmen Sie zum Beispiel das Kunsturhebergesetz. Für Presse-Fotografen ändert sich im Prinzip nichts. Die mussten sich auch früher schon als Pressemenschen zu erkennen geben. Allerdings gilt jetzt Schweigen nicht mehr als Zustimmung: Nur weil jemand beim Fotografieren nichts sagt, heißt noch nicht, dass er damit einverstanden ist, auf dem Foto abgebildet zu werden.
Was bedeutet das für Vereine, die über ihre Arbeit in Wort und Bild auf ihrer Homepage oder in ihrer eigenen Zeitschrift berichten möchten?
Weberling: Nein, das ist klar. Die müssen was tun. Beispielsweise können Vereinssatzungen so geändert werden, dass Vereinsmitglieder mit der Zustimmung zur Satzung auch ihr Einverständnis geben, Gegenstand dieser Berichterstattung zu sein. Das sind Dinge, die man regeln muss. Aber so schlimm ist das alles nicht.
Ein Aufschrei geht auch durch die Szene der Netzaktivisten und Blogger. Es gibt die ersten, die ihren Blog einstellen, weil ihnen das alles zu aufwändig ist.
Weberling: Ja, diese Hysterie gibt es. Aber, noch mal, die Änderungen sind nicht so groß, wie sie jetzt manchmal gemacht werden. Es gab Missstände, und vielleicht sind die Datenschutzbehörden auch einfach nicht nachgekommen. Man hat sich Dinge leisten können, aber das heißt ja nicht, dass das richtig gewesen ist. Die DSGVO hat klare Regeln – und so tragisch ist das alles nicht.
Angela Merkel hat in der vergangenen Woche angedeutet, es könnte eventuell noch Änderungen an der DSGVO geben, sozusagen in letzter Minute. Was erwarten Sie noch von der Politik?
Weberling: Gar nichts. Die DSGVO ist seit zwei Jahren in Kraft. Jetzt endet die Übergangsfrist und sie wird verbindlich. Für Änderungen bräuchte man die Zustimmung aller beteiligten europäischen Gremien. Das dauert.
In einigen Jahren, wenn wir zurückschauen auf den 25. Mai, wie werden wir die DSGVO beurteilen?
Weberling: Zum einen wird sich das ganze in der Rückschau als großer Hype darstellen, ähnlich der Euro-Einführung oder wie der Millennium-Bug. Andererseits ist das schon eine Zäsur, vor allem deshalb, weil wir erstmals in ganz Europa einheitliche Regeln bekommen. Und das ist ein ganz großer Schritt.
Vermutlich brauchen Sie aber ein Ventil um irgendeinen Unmut loszuwerden. Europa eignet sich dafür hervorragend. Es gibt ja auch genügend Politiker vor allem an den rechten Rändern die das vormachen.
Vereine und kleine Handwerksbetriebe müssen kaum damit rechnen abgemahnt zu werden. Die Justizministerin hat da bereits ihre Unterstützung zugesagt. Übrigens, es ist wie viele Verschwörungstheoretiker verbreiten, nicht mit einer Abmahnwelle zu rechnen. Die bisherige deutsche Gesetzgebung hat zu deutlich mehr 90% die europäischen Vorgaben erfüllt.
Übrigens, auf den Internetseiten des Landesamtes für Datenschutzaifsicht gibts ausführliche , gut verständliche und übersichtliche Informationen.