Es könnte ein Weihnachten in großer Vorfreude werden: Das zweite Kind ist unterwegs, die Eltern wollen heiraten, sich eine gemeinsame Zukunft aufbauen. Doch dem Vater, 2017 aus Nigeria geflohen, droht die Abschiebung. Trotz Arbeitsstelle in einer Großküche, trotz erfolgreichem Integrations- und Sprachkurs.
Seit drei Jahren kämpft das Paar um ein Aufenthaltsrecht in Deutschland. Doch für eine Familienzusammenführung soll Victor Ogbodo zuerst nach Nigeria ausreisen, um dort an der deutschen Botschaft das reguläre Visa-Verfahren nachzuholen, das mehrere Monate beanspruchen kann. So wollen es die Aufenthaltsgesetze, solange eine vorübergehende Rückkehr in die Heimat als "zumutbar" gilt. Genau hieran scheiden sich die Geister.
Nigeria: 70 Tote bei Protesten, 300 Schüler entführt
Zurück in das Land, in dem er nach eigener Schilderung Gewalt erlebt hat und ethnisch-politisch motiviert bedroht wurde? Allein der Gedanke daran macht den 35-Jährigen panisch. Hinzu kommen Unruhen, die das westafrikanische Land erschüttern. Erst vor einigen Wochen wurden in der Metropole Lagos 70 Menschen bei Protesten gegen Polizeigewalt getötet. Vor wenigen Tagen verschleppte die islamistische Terrororganisation Boko Haram rund 300 Jugendliche aus einer Schule. Dazu kommen die Gefahren durch die Corona-Pandemie – in afrikanischen Ländern wegen fehlender Tests noch unwägbarer als sonst.
Deshalb hoffen Kathrin Wendel, Erzieherin und pädagogische Fachkraft an der Würzburger Pestalozzi-Schule, und ihr Verlobter, dass die Zentrale Ausländerbehörde – angesiedelt bei der Regierung von Unterfranken – einem zweiten Antrag auf einen Aufenthaltstitel über den Familiennachzug stattgibt. Dieser befinde sich noch in Prüfung, wie Regierungssprecher Johannes Hardenacke auf Anfrage bestätigte. Der Ausgang? Ungewiss. Ein erster Antrag war abgelehnt worden, ebenso wie der Asylantrag des Nigerianers durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BaMF).
Die fortdauernde Ungewissheit zehrt an den Nerven des Paares. "Wie ein Damoklesschwert" hänge die drohende Trennung über der Familie, sagt Wendel. Die 35-Jährige erwartet im März das zweite Kind. Ärztliche Atteste verweisen auf eine Risikoschwangerschaft, zusätzliche Belastungen seien zu vermeiden. Vater Victor betont, dass er für seine schwangere Frau und den kleinen Paul-Reuben, der im Mai 2018 auf die Welt kam, sorgen möchte: "Sie brauchen mich, wir gehören doch zusammen."
Auf dem Würzburger Africa Festival 2017 verliebt
Gefunkt hat es bei den Eltern auf dem Würzburger Africa Festival Ende Mai 2017. Ogbodo lebt da noch in einer Asylunterkunft in Wertheim, fortan besuchen die beiden sich regelmäßig, lernen sich kennen und lieben, ziehen in einer kleinen Wohnung zusammen, hegen gemeinsame Zukunftspläne. Von der schnellen Ablehnung des Asylgesuchs durch das BaMF lässt sich das Paar nicht beirren.
Die Schutzquote für Geflüchtete aus Nigeria liegt laut Bundesamt nur bei sieben Prozent (2019). So setzt Ogbodo auf eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe, berichtet auch hier von den gewaltsamen Übergriffen in seinem Heimatdorf – dokumentiert u.a. von der Organisation "Christen in Not". "Ich musste mich in Sicherheit bringen", sagt der 35-Jährige. Er schafft es mit einem griechischen Schengen-Visum, eigentlich gültig für die gesamte EU. Damit fliegt er im Februar 2017 nach Frankfurt. Vier Wochen später stellt er den Asylantrag.
Karlsruher Verwaltungsgericht zweifelt an Ogbodos Darstellung
Doch auch das Karlsruher Verwaltungsgericht zweifelt an Ogbodos Darstellungen, bestätigt im Januar 2020 die Ablehnung. Mit dem negativen Abschluss des Verfahrens erlischt im April seine vorübergehende Arbeitserlaubnis. Dabei hat der Familienvater Jobs, um für seinen Lebensunterhalt zu sorgen: Er arbeitet in einem Lager, dann in einer Würzburger Großküche. Hier will man ihn behalten, bietet ihm eine Verlängerung ab dem 1. Juli an.
"Ich kann für mich und meine Familie sorgen", sagt Ogbodo. Doch die Zentrale Ausländerbehörde für Unterfranken will einen weiteren Aufenthalt in Deutschland nur dulden, wenn sich der Geflüchtete schriftlich zur freiwilligen Rückreise nach Nigeria verpflichtet. Dort soll er ein korrektes Visum beantragen. Sein griechisches Touristen-Visum von 2017, so heißt es bei der Regierung, sei für einen Familiennachzug nicht gültig.
Etwa sechs Monate Bearbeitungszeit veranschlage die deutsche Botschaft in Lagos für die Bearbeitung des Visa-Antrags, so Regierungssprecher Hardenacke. So lange müsste Ogbodo in Nigeria bleiben, fernab von seiner Familie in Würzburg. Und es gibt Schilderungen von Fällen, in welchen die Bearbeitung deutlich länger gedauert hat. Deshalb hofft auch Kathrin Wendel, dass das benötigte Visum von Deutschland aus beantragt werden kann – ohne dass ihr Verlobter persönlich an der Botschaft in Nigeria vorsprechen muss. Grundsätzlich, entgegnet die Regierung, sei eine zeitlich begrenzte Trennung von Frau und Kind "möglich und zumutbar".
Regierung schließt Abschiebung vor der Geburt aus
Bis zur Geburt des zweiten Kindes schließt die Regierung von Unterfranken nun – auf Anfrage der Redaktion – eine Abschiebung aus, die Duldung werde bis dahin verlängert. Das gibt der Familie etwas Luft zum Atmen.
Die Hoffnungen ruhen nun nicht nur auf dem laufenden, zweiten Antrag zum Familiennachzug, sondern auch auf der Politik: Victor Ogbodo und Kathrin Wendel haben eine Petition an den Landtag eingereicht. Bei einer Ablehnung könnte sie der Petitionsausschuss in die Härtefallkommission geben. Es wäre dann wohl der letzte Strohhalm für die Familie und ihre Zukunft in Unterfranken.
Der Mann hat Arbeit, bezahlt Steuern und Sozialabgaben, kann für seine Familie sorgen. Dann frage ich mich: Wo ist das Problem? Oder wollen die Auslandsbehörden hier eine ‘hostile environment’ (feindliche Umwelt) kreieren, wie damals Frau Thatcher in Großbritannien? Ist ihr Ansatz: wir machen den Flüchtlingen das Leben so schwer, dass sie resignieren und von selbst ‘freiwillig’ ausreisen?
Er hat keine Arbeitserlaubnis mehr, entsprechend auch keine Arbeit.
war für ein toller Vorschlag von ihnen... die Bevölkerung Deutschlands überaltert zusehends und sie wollen eine gut ausgebildete Frau inkl. zwei Kindern die für die Zukunft Deutschlands sorgen können ans Ausland herschenken? - sie sind wahrlich ein echter Patriot...
Und, Herr Jungbauer, sind Sie zufrieden mit dem Feuerwerk in den Kommentaren?
Was wäre ihnen lieber? ein ausländischer Vater der Geld verdient und für seine Kinder aufkommt oder der dt. Staat und damit sie als Steuerzahler?