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Würzburg
Diözese zahlt 7000 Euro für ein Missbrauchsopfer
Christine Jeske
 |  aktualisiert: 28.11.2016 03:39 Uhr

Der Missbrauchsbeauftragte der Diözese Würzburg spricht von einem „Serientäter“. Dieser wurde vor 16 Jahren strafrechtlich wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt. Im Juni 2015 reagierte auch die Kirche endgültig. Der damals bereits suspendierte Pfarrer W. wurde laisiert beziehungsweise aus dem Klerikerstand entlassen. Der Mann ist also kein Geistlicher mehr – auf höchste Anordnung von Papst Franziskus hin.

Anhänger des Ex-Pfarrers bezichtigen Opfer der Unglaubwürdigkeit

Es ist die Höchststrafe für einen Geistlichen. Anhänger von W. beurteilen den Fall anders: Sie bezichtigen Opfer der Unglaubwürdigkeit und betonen, dass sie W., der nach wie vor seine Unschuld beteuern würde, glauben.

Ex-Pfarrer W. wird vorgeworfen, während seiner Zeit als Pfarrer in drei Diözesen Kinder missbraucht zu haben: in Eichenbühl und später in Miltenberg im Bistum Würzburg sowie auch in Gemeinden im Bistum Limburg und im Bistum Bamberg. Im Jahr 2000 wurde W. wegen sexuellen Missbrauchs von drei Kindern in sieben Fällen vom Landgericht Coburg verurteilt. Daraufhin versetzte ihn das Bistum Würzburg in den zwangsweisen Ruhestand. 2009 erfolgte seine Suspendierung, nachdem W. Privatdetektive beauftragt hatte, die Opfer und ihre Familien bewegen sollten, ihre Aussagen zurückzunehmen.

Fünf neue Opfer haben sich seit 2010 gemeldet

Professor Klaus Laubenthal bestätigt auf Nachfrage: Noch immer melden sich Opfer von Ex-Pfarrer W. bei ihm. Seit März 2010 ist der Würzburger Strafrechtler und Kriminologe als Missbrauchsbeauftragter der Diözese im Auftrag von Bischof Hofmann tätig. Seither hat Laubenthal fünf neue Anschuldigungen gegen W. geprüft und für plausibel erachtet.

Es sind verjährte Fälle, sie können somit vor einem staatlichen Gericht nicht mehr verhandelt werden. Die katholische Kirche untersucht jedoch seit 2010 auch Anschuldigungen, die strafrechtlich nicht mehr geklärt werden können und zieht gegebenenfalls Konsequenzen; das heißt, sie spricht Strafen gegen Priester aus – wie eben im Fall von W. mit zwangsweisem Ruhestand, Suspendierung, mit Kürzung der Bezüge um 20 Prozent sowie letztendlich der Laisierung.

Vier der fünf Opfer haben nach Angaben des Missbrauchsbeauftragten einen Antrag auf Anerkennung des Leids gestellt. Laubenthal bestätigt: Sie wurden alle von der bei der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn angesiedelten zentralen Koordinierungsstelle für Missbrauchsfragen positiv beschieden. Ein Opfer, das sich 2016 beim Missbrauchsbeauftragten gemeldet hat, sei sogar als Härtefall eingestuft worden und habe 7000 Euro erhalten; durchschnittlich sind es 5000 Euro. Ein anderes Opfer habe keinen Antrag stellen wollen. Das komme immer mal vor, so Laubenthal, manche wollten nur reden – wenn sie dazu in der Lage sind. Das dauere oft Jahre.

Insgesamt 82000 Euro für Missbrauchsopfer

Seit März 2010 ist Professor Laubenthal Missbrauchsbeauftragter. Seit dieser Zeit wurden den Opfern sexuellen Missbrauchs vom Bistum Würzburg 82 000 Euro zugesprochen. „Fast ein Viertel der Summe ist also alleine für die Opfer von Ex-Pfarrer W.“, rechnet Klaus Laubenthal vor: Für die vier Betroffenen beträgt den Angaben zufolge die Summe pauschaler Leistungen in Anerkennung des Leids insgesamt 19 000 Euro. In diesem Betrag seien noch nicht individuelle Erstattungskosten für Therapien enthalten. „Die kommen noch hinzu“, sagt Professor Laubenthal.

Gegenüber dieser Redaktion hat sich aktuell ein weiteres Opfer von W. gemeldet und angekündigt, sich beim Missbrauchsbeauftragten in Würzburg zu melden. „Eigentlich dachte ich, da mein Fall bekannt ist und ich auch gegen ihn im Coburger Prozess ausgesagt und bereits als Kind dem Bischof einen Brief geschrieben habe, dass sich die Kirche bei mir meldet“, sagte die junge Frau aus Miltenberg am Telefon.

Ex-Pfarrer lebt noch in Kirchenwohnung

Trotz alledem und trotz der von Rom angeordneten Entlassung aus dem Klerikerstand musste der Ex-Pfarrer aus seiner Kirchenwohnung mitten in Würzburg nicht ausziehen. Auf Nachfrage teilte Bistumssprecher Bernhard Schweßinger mit: „Herr W. wohnt in einer kircheneigenen Wohnung und zahlt hierfür Miete. In diesem Haus wohnen keine Familien mit Kindern.“

Auf die Frage, ob die angeordnete Laisierung mittlerweile umgesetzt wurde, schreibt der Bistumssprecher: „W. wurde aus dem Klerikerstand entlassen. Die Entscheidung des Papstes vom 26. Juni 2015 hat sofortige Wirkung. Mit der Entlassung aus dem Klerikerstand sind Herrn W. alle Rechte und Pflichten entzogen, die mit dem Klerikerstand verbunden sind. Die Ausübung des priesterlichen Dienstes ist ihm untersagt. Er gehört nicht mehr zum Klerus der Diözese Würzburg.“

Zu einer Laisierung gehört auch die Nachzahlung der Sozialversicherungsbeiträge, die bei einem über 40 Jahre als Pfarrer tätigen Mann nicht unbeträchtlich sein dürfte. Dazu Bistumssprecher Schweßinger: „Auf Grund der Entlassung aus dem Klerikerstand entfallen für Herrn W. die einem Priester zustehenden Rentenbezüge. Auch der Beihilfeanspruch über die Diözese Würzburg entfällt. Er erhält eine monatliche, nicht dynamisierte Versorgungszusage. Eine Nachversicherung der gesamten Dienstzeit hätte erheblich höhere Kosten verursacht.“

 
 
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  • johannes-fasel@t-online.de
    Wie soll man sich erklären, dass der römisch-katholische Serientäter unter dem Deckmäntelchen seiner Institution Jahrzehnte lang so ziemlich das Gegenteil von dem praktizieren konnte, was seine Institution lehrt und er von der Kanzel verkündete? Statt ihn kirchlicherseits frühzeitig aus dem "Verkehr" (Wortspiel) zu ziehen, wurde er hin und her versetzt, auf dass er ungehindert seinen verbrecherischen Missbrauch, seine Scharlatanerie, seinen Hokuspokus weiter praktizieren konnte. Viele "halten ihm noch heute die Stange". Kann das hochverehrte Publikum keinen faulen Zauber durchschauen?
    Die amerikanische Armee kennt die "unehrenhafte Entlassung". Die Bundeswehr kennt die "Beendigung des Dienstverhältnisses unter Verlust aller Dienst- und Sachbezüge". Die katholische Kirche kürzt die Bezüge um 20 Prozent - sehr sehr milde. Eine Krähe ...???
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  • ursulafischer
    und wenn, dann wird es mit Glauben begründet und damit ist es per se wahr. Wobei ich "Glauben" mit " nicht Wissen" gleich setze.
    Wenn ich mit Gläubigen spreche, ihnen zu höre, ihr Leben und Verhalten betrachte, dann sehe meist nichts mildtätiges oder was der Heilslehre entspräche. Dieses spezielle Thema ist natürlich ein "Krähen-Thema" und dem Grunde nach eine Perversion, die ihre Ursache wesentlich im Zölibat hat. Um "faulen Zauber" zu durchschauen müsste der Gläubige schonmal das Grundsatzpapier - die Bibel - lesen, aber das tun die wenigsten. Professionel allerdings die, die davon profitieren und das gilt für alle Glaubensrichtungen. Wer sich mit Kirche und deren Geschichte (gilt auch für andere Religionen) beschäftigt, stellt schnell fest, dass das von Menschen für einige wenige Menschen zurecht-interpretiert-gedreht wurde. Zurück zum gefallenen Pfarrer; er ist einfach nur ein Sexualstraftäter mit pikantem Hintergrund. Daher sollte sich der Staat dieser Angelegenheit annehmen.
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  • Die Kirche tut sich noch immer schwer mit der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen. Aber es gibt erste Schritte in die richtige Richtung.
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  • frankaw
    Letzten Endes bezahlen es wieder die Steuerzahler. Oder wird dem Täter das Geld genommen zwinkern
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  • Mainheini
    als Entschädigung für sexuellen Mißbrauch? Armutszeugnis für die reiche Kirche.
    Und die Medien berichten wieder tränenreich über die armen Straftäter, die keine Rente mehr haben (damit später der Allgemeinheit zur Last fallen), nun Miete zahlen müssen und vielleicht ihren Job verlieren.
    Wann hört das endlich auf, dass medienwirksam die Täter auch noch bedauert werden?
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