Der Kampf hat ein Ende. Jahrelang hat die Umwelt- und Gesundheitsinitiative Würzburg-Tunnel für einen echten Autobahntunnel gekämpft. Einen unter dem Heuchelhof hindurch statt des ungeliebten Katzenberg-Trogs. Nun ist Schluss. In ihrer Mitgliederversammlung hat die Initiative die Beendigung ihres Einsatzes für den Tunnel beschlossen. In der Nacht auf Donnerstag verschickten der Vorsitzende Michael Kraus und die Sprecherinnen Dagmar Dewald und Johanna Paul die entsprechende Mitteilung an die Presse.
Auflösen wird sich die Initiative nicht. Man wolle weiter für die „von dem A3-Ausbau verletzten Rechte der Bürger auf gesunde Luft“ kämpfen, auf Lärmbelastungen aufmerksam machen sowie auf gesicherten Schutz vor drohenden Überschwemmungen am Heigelsbach und auf die Renaturierung zerstörter Umwelt mit Wiederaufforstung achten. Auch auf die bürgergerechte Ausgestaltung der zerstörten Verkehrswege wolle man künftig das Augenmerk legen – und weiter Missstände öffentlich machen.
Der Kampf gegen den Trog aber ist zu Ende. Der Vorsitzende der Initiative, Michael Kraus, fasst den Beschluss der jüngsten Mitgliederversammlung so zusammen: „Nach einem mehrjährigen zermürbenden Kampf gegen Ignoranz, Unvernunft und hintergründige Seilschaften sieht sich die Tunnelinitiative nicht mehr in der Lage, die mehrheitlich im Bürgerentscheid geforderte echte Tunnellösung beim A3-Ausbau durchzusetzen.“
Zu der Entscheidung habe der Stadtrat beigetragen, „der sich in einem in der demokratischen Geschichte Würzburgs einmaligem Vorgang mehrheitlich mit 25 zu 21 Stimmen dafür ausgesprochen hat, den Verpflichtungen aus dem Bürgerentscheid vom April 2014 nicht mehr nachkommen zu wollen.“ Nach Auffassung von Kraus „eine glatte Missachtung des Bürgerwillens“. Namentlich angegriffen wird in der Mitteilung Umweltreferent Wolfgang Kleiner. Unter dessen „maßgeblicher Federführung“ sei der Bürgerinitiative „die Keule aus der Hand geschlagen“ worden.
Die Mitgliederversammlung der Tunnelinitiative habe mit dem Beschluss, den Kampf zu beenden, auch die Konsequenzen daraus gezogen, dass die Autobahndirektion zwischenzeitlich trotz laufender gerichtlicher Auseinandersetzungen wesentliche Baumaßnahmen im Umfang von 206 Millionen Euro vergeben hat.
Die Bürgerinitiative weist darauf hin, dass noch Gerichtsverfahren gegen den A3-Ausbau in Trogbauweise und dessen umweltgefährliche Auswirkungen beim Bundesverwaltungsgericht anhängig sind. Der Europäische Gerichtshof werde in Folge einer EU-Beschwerde der Bürgerinitiative in diesem Herbst darüber entscheiden, ob das Bundesverwaltungsgericht die Schadstoffbelastung durch die Trogtrasse im Gerichtsverfahren einfach ausklammern und die Beeinträchtigung der Natur unbeachtet lassen durfte.
Doch selbst wenn damit feststünde, dass eine von der BI stets geforderte vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich gewesen wäre – es würde „nichts mehr an den zwischenzeitlich geschaffenen Fakten ändern“, schreiben die drei Unterzeichner. „Es wäre nur noch eine späte Genugtuung nach dem unermüdlichen Einsatz der Bürgerinitiative und den bisherigen Erfolgen des Bürgerentscheids.“
Stadtsprecher Christian Weiß kommentierte den Beschluss der BI am Donnerstag so: „Wir haben alles in unserer Kraft stehende getan, um den Bürgerentscheid umzusetzen.“ Dies habe Umweltreferent Wolfgang Kleiner auch in der Stadtratssitzung öffentlich dargelegt. Außerdem seien alle von der Stadt ergriffenen Maßnahmen in einer Chronik zusammengefasst worden und auf den Webseiten der Stadt veröffentlicht.
„Wir haben einfach gemerkt, dass es keinen Sinn mehr macht, gegen einen Betonberg anzurennen“, sagt BI-Vorsitzender Michael Kraus. Doch im Gespräch gibt er sich weiter kämpferisch. Das Ende des Kampfes für einen Tunnel unter dem Heuchelhof hindurch bedeute nicht das Ende des Kampfes für eine gesündere Umwelt. „Wir sind immer noch über 50 Mitglieder im Verein und werden die Baustelle weiterhin kritisch beobachten.“
Kraus' Ankündigung: „Wir werden darauf achten, ob der Flüsterasphalt auch wirklich eingebaut wird, ob die fünf Meter hohen Lärmschutzwände aufgestellt werden und ob die vor Gericht erstrittenen Lärmwerte eingehalten werden. Ebenso ob die ebenfalls vor Gericht erstrittene Beschränkung der Bauzeit zwischen 7 und 20 Uhr eingehalten wird.“
Auch die künftige Feinstaubbelastung werde man überprüfen. „Besonderes Augenmerk werde ich persönlich auf das Regenwasserproblem haben, da glaube ich nämlich nicht, dass die Berechnungen der Autobahndirektion stimmen“, sagt Kraus. „Bei einem hundertjährigen Starkregenereignis werden der Heigelsbach und der Zwischengemäuerbach in Heidingsfeld das Wasser meiner Ansicht nach nämlich nicht aufnehmen können und wir saufen ab“, befürchtet der Heidingsfelder.
Er werde sich auch weiter dafür einsetzen, dass in Heidingsfeld ein Stickoxyd- und Feinstaubmonitoring installiert und überwacht wird. „Wir bleiben am Ball und werden nicht hinnehmen, dass unsere Kinder vergiftet werden.“
Chronologie des Kampfes
Juli 2003: Pläne für einen dreispurigen Ausbau der A 3 bei Würzburg werden bekannt. Ohne Tunnel, der ist laut Autobahndirektion zu teuer.
Februar 2005: Fünf mögliche Varianten stellt die Autobahndirektion vor. Die Stadt wünscht sich einen Tunnel, den Planern genügen aus Kostengründen Lärmschutzwände. Geschätzte Kosten: 162 Millionen Euro, mit Einhausung rund 190 Millionen und mit Tunnel 250 Millionen Euro.
Juli 2005: Oberbürgermeisterin Pia Beckmann, Bundes- und Landtagsabgeordnete sowie Vertreter von IHK und Handwerkskammer demonstrieren für einen Tunnel. Bund, Land und Stadt gründen eine Lenkungsgruppe, um nach Kompromissen zu suchen.
Februar 2007: Vorschlag der Lenkungsgruppe: Die A3 rückt 20 Meter näher an Heidingsfeld heran. Die neue Talbrücke sitzt zehn Meter tiefer, wird 30 Meter kürzer und mündet in einen trogähnlichen Tunnel im Katzenberg.
Februar 2008: Stadt, Autobahndirektion und Bund einigen sich nach zähen Verhandlungen auf den „Trog“ als besten Lärmschutz. Mehrkosten: 24,3 Millionen Euro, von denen die Stadt 2,4 Millionen Euro übernimmt.
Januar 2009: Eine Bürgerinitiative „Heuchelhof A 3“ wird gegründet. In der beginnenden öffentlichen Anhörung des Planfeststellungsverfahrens werden rund 200 Unterschriften allein vom Heuchelhof eingereicht.
Dezember 2009: Zur Jahresschlusssitzung des Stadtrats überreicht Regierungspräsident Paul Beinhofer Oberbürgermeister Georg Rosenthal den Planfeststellungsbeschluss. Damit besteht Baurecht.
April 2010: Die neu gegründete Umwelt- und Gesundheitsinitiative Heuchelhoftunnel e.V. klagt gegen die Trogtrasse. Der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts kündigt eine Entscheidung darüber bis zum ersten Quartal 2011 an. Gleichzeitig hat das Gericht die Landesanwaltschaft Bayern aufgefordert, bis zu dieser Hauptentscheidung den Vollzug der Planfeststellung auszusetzen.
Februar 2011: 10 000 Unterschriften Würzburger Bürger pro Tunnel werden an die Regierung von Unterfranken und den OB überreicht.
März 2011: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig lehnt eine Klage gegen den Planfeststellungsbescheid der Regierung von Unterfranken ab.
April 2014: Ein Bürgerentscheid verpflichtet die Stadt, den Bund doch noch zur Umplanung mit einem Tunnel unter dem Heuchelhof zu bewegen.
Ende Mai 2015: Der Stadtrat beschließt nach der Frist von einem Jahr, dass seine Bindung an das Ergebnis des Bürgerentscheides erlischt. Auch eine erst kurz zuvor beim Bundesverwaltungsgericht erhobene Klage zieht die Stadt nun zurück.