zurück
WÜRZBURG
Die Rückkehr der Bücher von Julius Echter
In der Ausstellung „Julius Echter. Patron der Künste“ im Martin von Wagner Museum in der Würzburger Residenz sind noch bis zum 24. September 2017 Originalbücher aus der Hofbibliothek des Fürstbischofs zu sehen.
Foto: Thomas Obermeier | In der Ausstellung „Julius Echter. Patron der Künste“ im Martin von Wagner Museum in der Würzburger Residenz sind noch bis zum 24.
Christine Jeske
 |  aktualisiert: 27.04.2023 04:38 Uhr

Für die Würzburger stellte die Hofbibliothek des Fürstbischofs Julius Echter lange Zeit ein großes Geheimnis dar, sagt Hans-Günter Schmidt, Leiter der Universitätsbibliothek. Mythen und Legenden rankten sich um die prachtvollen Bände, die vor beinahe 400 Jahren als Kriegsbeute die Domstadt in Richtung Schweden verlassen mussten.

Bereits in zeitgenössischen Lobreden, etwa in der des Theologieprofessors Daniel Mattsperger alias Christoph Marianus von 1604, tauchen nur Superlative auf, sagt Schmidt. Marianus pries sie als „eine der berühmtesten Bibliotheken in Gegenwart und Vergangenheit“. Die Bücher seien mit Sorgfalt und größtem Aufwand in solch großer Zahl erworben worden, dass die bis an die Decke reichenden Regale sie kaum fassen konnten. Die Bibliothek hätte jeden Vergleich mit antiken Bibliotheken ausgehalten.

Sagenumwobener Bücherschatz

Hans-Günter Schmidt hat sich für die Ausstellung „Julius Echter. Patron der Künste“ intensiv mit der Hofbibliothek beschäftigt, die einst in der Festung Marienberg beheimatet war. Nun gibt es im Martin von Wagner Museum in der Residenz erstmals einen visuellen Eindruck. Dort wird der sagenumwobene Bücherschatz präsentiert, zumindest teilweise. Die Leihgaben aus Schweden sind nur für kurze Zeit an ihren Entstehungsort zurückgekehrt.

Natürlich stehen nicht alle Bände in den Regalen und Vitrinen des Museumsraums. Über 3000 Exemplare soll die Bibliothek Echters einst umfasst haben. Ein die gesamte Wand füllendes Foto vermittelt Ausstellungsbesuchern jedoch einen realistischen Eindruck. Originale sind in einem eingeglasten Regal im Raum so nebeneinander angeordnet wie einst in der Hofbibliothek: nicht dicht an dicht, sondern mit Abstand. Ansonsten hätten die Messingschließen beim Herausziehen die Buchdeckel der benachbarten Bände beschädigt.

Die großen Folioformate stehen unten im Regal mit dem Schnitt nach vorne, auf dem in Gold der Besitzer „Jvlivs“ aufgeprägt ist, die Jahreszahl und der Kurztitel. Die kleineren Bände zeigen ihren Buchrücken.

In den Vitrinen an der Museumswand liegen aufgeschlagene Bände. Einige Themen sind ungewöhnlich, man vermutet sie nicht in der Buchsammlung eines Fürstbischofs, der als Verwaltungsgenie galt und antrat, die marode Finanzkasse zu sanieren sowie alle seine Untertanen wieder zum alten Glauben zurückzuführen. Dazu gehört etwa der Band über Kindermedizin und -pflege. Eine Abbildung zeigt ein Kleinkind im vergitterten Laufstall auf Rädern.

Kriegsbeute der Schweden

Der Ursprung der Mythenbildung rund um die Echtersche Hofbibliothek liegt jedoch nicht in diesen Themen, vielmehr im Jahr 1631. Fast ein Vierteljahrhundert nach dem Tod des Fürstbischofs wurden die kostbaren Bände im Dreißigjährigen Krieg von Schwedenkönig Gustav Adolf als Kriegsbeute konfisziert. Und nicht nur sie. Mehrere fränkische Buchsammlungen wurden damals geplündert.

Die bischöfliche Bibliothek war zu diesem Zeitpunkt noch jung. Julius Echter hatte sie zu Lebzeiten aufgebaut. Ein Jahr vor seinem Amtsantritt, 1572, war die Vorgängerbibliothek größtenteils zerstört worden.

Die Schweden haben bei ihrem Beutezug nicht alle Druckwerke und Handschriften mitgenommen. Einige wenige verblieben in Würzburg. Diese Relikte der Echterschen Bibliothek hätten in ihrem Äußeren, den prachtvoll wappengeschmückten Einbänden „außergewöhnlich qualitätvoll“ aus der nicht nur durch die Katastrophen des 16. und 17. Jahrhunderts mehrfach gebrochenen Würzburger Bibliotheksüberlieferung hervorgeragt – „wie Reliquien einer untergegangenen großen Zeit“, schreibt Hans-Günter Schmidt im opulent gestalteten Ausstellungskatalog.

Schenkung an die Akademie zu „Upsala“

Schwedenkönig Gustav Adolf schenkte die Echter-Bände „unserer Akademie zu Upsala“. So steht es in einem im November 1631 verfassten Schriftstück. Darin befahl der König auch, auf die Bücher „obacht zu haben“.

Der Wortlaut des Schenkungsbriefes lässt vermuten, schreibt Schmidt, dass es kurz nach der Eroberung der Festung und bis zum endgültigen Abtransport aus Würzburg bereits zu unkontrollierten Plünderungen aus der Kriegsbeute gekommen war.

Trotz aller „Obacht“ kam in Uppsala auch von der bereits dezimierten Echter-Bibliothek nicht alles an. Ein Teil gelangte auf verschlungenen und bis heute nicht restlos geklärten Wegen zum Beispiel an den schwedischen Hof in die Sammlung von Königin Christine, sowie nach Cambridge in England, aber auch nach Schweinfurt. Nach den Wirren des Krieges und im Lauf der Jahrhunderte sind zudem einige Exemplare in Privatbesitz gewandert. Dazu gehört zum Beispiel eine außerordentliche Rarität: das einzige bekannte Buch aus der Renaissancezeit mit kreisrundem Einband.

Ungewöhnliches „Rundbuch“

1923 wird das Rundbuch in einem Aufsatz erwähnt. Danach habe sich seine Spur wieder verloren, informiert die Würzburger Universitätsbibliothek. Erst 2006 bestand die Möglichkeit, das ungewöhnliche Werk des Buchbinders Gregor Schenk des Jüngeren (ca. 1545-1588) wieder nach Würzburg zurückzuholen. Es wurde damals im Auktionskatalog von Christie's im Auftrag des Cincinnati Museum Centers angeboten und stammte aus der bibliophilen Sammlung eines Erben einer amerikanischen Bierbrauerdynastie. Am 27. Juni 2006 war der Glückstag. Das Rundbuch konnte für einen höheren fünfstelligen Dollarbetrag ersteigert werden und gehört seither zum Bestand der Universitätsbibliothek.

Gregor Schenk d. J. wollte Hofbuchbinder werden, erzählt Hans-Günter Schmidt bei einer Führung durch die von ihm konzipierte „Ausstellung in der Ausstellung“ im Martin von Wagner Museum. Mit diesem komplizierten Buch in Form einer Torte (Durchmesser 27 Zentimeter, Höhe 5,5 Zentimeter) hat er sich beworben – und war erfolgreich. Schenk war 1574 sowie von 1585 bis 1588 Hofbuchbinder – also unter Fürstbischof Julius Echter, der von 1573 bis 1617 regierte.

Einband aus vergoldetem Kalbsleder

Der Einband des Rundbuches ist aus Pappe, die mit vergoldetem Kalbsleder überzogen wurde. Geschmückt ist er mit ineinander verschlungenen Mauresken-Ornamenten, Bogenlinien und einer umlaufenden Bandwerkbordüre. Der Buchschnitt ist ebenfalls vergoldet, ziseliert und mit Blumenranken und Wappen des Hochstifts, von Julius Echter und seiner Familie bemalt. Der Bucheinband ist in der Mitte in vier Halbdeckel geteilt.

Der Inhalt des Buches soll allerdings weniger spektakulär sein: Die Texte des Sammelbandes sind laut Beschreibung der Unibibliothek typisch für die katholische Bildung der Renaissance ohne herausragende geistesgeschichtliche Bedeutung. Bei dem Buch kam es wohl mehr auf das Äußere an. Es sollte ein Blickfang sein. Da Julius Echter Gregor Schenk zu seinem Hofbuchbinder gemacht hat, wird es ihm ins Auge gefallen sein.

Suparlibros mit Echterwappen

Die meisten anderen Julius-Echter-Bände sind ebenfalls äußerlich aufwendig gestaltet mit einem fast weißen Einband aus Schweinsleder über Holzdeckeln, der mit verschieden gestalteten Stempeln geschmückt ist. In den ersten 13 Regierungsjahren des Fürstbischofs war auf den Vorderdeckeln laut Hans-Günter Schmidt ein meist farbig bemaltes rundes oder eckiges Supralibros mit Echterwappen eingeprägt. Auch seine Vorgänger hätten diese besitzanzeigenden Wappen-Stempel verwendet.

Ab 1590 veränderte sich diese klassische Gestaltung. Auf den Bänden seien dann allegorische Figuren in ovalen Kartuschen aufgetaucht. „Die Renaissance-Ästhetik wich damit auch beim Bucheinband schrittweise neuen, den Barock ankündigenden Formen“, so Schmidt.

Mehrfach wurden im 19. Jahrhundert Versuche gestartet, dass die Uni in Uppsala ihren Teil der bischöflichen Bibliothek zurückgibt. Vergeblich. Hans-Günter Schmidt denkt heute darüber hinaus.

Die Hofbibliothek könnte virtuell wieder zusammengeführt werden „zu einer europäischen Identität, wie sie auch im Geist des europäisch gebildeten, in Aschaffenburg, Würzburg, Mainz, Köln, Löwen, Douai, Paris, Angers und Pavia ausgebildeten Fürstbischofs Julius Echter angemessen wäre“.

Bücher für den Fürstbischof: Sonderführungen im Museum

Wie sah die Bibliothek zu Zeiten von Julius Echter auf der Festung Marienberg in Würzburg aus? Welche Odyssee haben die Bände im Laufe der Jahrhunderte durchgemacht? Was stand in der fürstbischöflichen Bibliothek? Diese Fragen beantwortet Hans-Günter Schmidt, Leiter der Würzburger Unibibliothek, an diesem Wochenende in der Residenz bei drei Sonderführungen in der Ausstellung „Julius Echter. Patron der Künste“. Termine: Samstag, 22. Juli, um 11 und 14 Uhr. Sonntag, 23. Juli, um 11.30 Uhr. Anmeldung ist nicht nötig, für Gruppen sind weitere Termine möglich: Tel. (09 31) 31-85 943.

Im Martin von Wagner Museum werden in der Echter-Ausstellung 21 Themen präsentiert, zum Beispiel „Bild und Selbstbild. Julius Echter im Porträt“ oder „Juliusstil: Gotik und Renaissance um 1600“. Die Schau ist noch bis 24. September zu sehen: Dienstag bis Samstag von 9.30 bis 17 Uhr, Sonntag von 9.30 bis 13.30 Uhr. Infos: www.martinvonwagner-museum.com

Im Museum am Dom läuft die Ausstellung „Julius Echter. Der umstrittene Fürstbischof“ bis zum 17. September: Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr. Info im Internet: www.echter2017.de

Das sogenannte Rundbuch aus der Hofbibliothek Fürstbischof Julius Echters wurde in der Werkstatt des Buchbinders Gregor Schenk d. J. geschaffen, wahrscheinlich 1573/74. Der Durchmesser der seltenen Einbandkuriosität beträgt 27, die Höhe 5,5 Zentimeter.
Foto: Universitätsbibliothek Würzbug | Das sogenannte Rundbuch aus der Hofbibliothek Fürstbischof Julius Echters wurde in der Werkstatt des Buchbinders Gregor Schenk d. J. geschaffen, wahrscheinlich 1573/74.
Die Hofbibliothek Fürstbischof Julius Echters ist für kurze Zeit nach Würzburg zurückgekehrt. Ihr ist in der Ausstellung „Patron der Künste“ im Martin von Wagner Museum ein ganzer Raum gewidmet.
Foto: Unibibliothek | Die Hofbibliothek Fürstbischof Julius Echters ist für kurze Zeit nach Würzburg zurückgekehrt. Ihr ist in der Ausstellung „Patron der Künste“ im Martin von Wagner Museum ein ganzer Raum gewidmet.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Christine Jeske
Festung Marienberg
Fürstbischöfe
Gustav Adolf
Kriegsbeute
Museen und Galerien
Universitätsbibliotheken
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top