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Gelchsheim
Die Kapelle "Zum gegeißelten Heiland" erinnert an die Gelchsheims Geschichte als Wallfahrtsort
Die Kapelle 'Zum gegeißelten Heiland' am Ortsrand von Gelchsheim, deren reiche barocke Ausstattung nahezu originalgetreu erhalten blieb, ist das letzte Werk des Baumeister Franz Joseph Roth. 
Foto: Hannelore Grimm | Die Kapelle "Zum gegeißelten Heiland" am Ortsrand von Gelchsheim, deren reiche barocke Ausstattung nahezu originalgetreu erhalten blieb, ist das letzte Werk des Baumeister Franz Joseph Roth. 
Hannelore Grimm
 |  aktualisiert: 01.06.2023 02:35 Uhr

Bereits im Jahre 1219 fasst der aus den Kreuzzügen hervorgegangene Deutsche Orden in Gelchsheim Fuß und herrschte bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts über das Dorf. In dieser Zeit hinterließen die Deutschherren zahlreiche Spuren in der Marktgemeinde, die bis heute sichtbar sind. Zu den markantesten Zeichen zählt die Kapelle "Zum gegeißelten Heiland" am östlichen Ortsrand, die zugleich von der fast vergessenen Geschichte Gelchsheims als Wallfahrtsort kündet. Vor 265 Jahren starb ihr Erbauer Franz Joseph Roth im Alter von 68 Jahren. Seine letzte Ruhe fand der Baumeister in der Pfarrkirche St. Ägidius. 

Die im Jahre 1754 erbaute Kapelle ist das letzte Werk, das der bedeutende Baudirektor des Deutschen Ordens geschaffen hat. Franz-Joseph Roth hatte sich nach einem Leben voller Höhen und Tiefen als Witwer zu seiner Tochter Maria Franziska Agricola und seinem Schwiegersohn, Amtmann Matthäus Agricola, in das Gelchsheimer Schloss zurückgezogen.

Der Baumeister wurde 1690 in Wien geboren. Im Mai 1716 heiratete er die die Tochter des Senators, Gastwirts und Posthalters Martin Keßler aus Mergentheim, das damals noch nicht die Bezeichnung "Bad" trug. Die zehn Kinder, die aus der Ehe hervorgingen, kamen in Mergentheim und in Ellingen zur Welt. Nachdem er 1721 das Mergentheimer Bürgerrecht erhalten hatte, baute er sich ein Haus und fungierte als sein eigener Werk-und Baumeister.

Die Statue des gegeißelten Heiland, die Michael und Barbara Öchsner  1750 stifteten, war der Grund für den Bau der Kapelle.
Foto: Hannelore Grimm | Die Statue des gegeißelten Heiland, die Michael und Barbara Öchsner 1750 stifteten, war der Grund für den Bau der Kapelle.

Viele Barockbauten tragen die Handschrift von Franz Joseph Roth

Roth verfügte nicht nur über Kenntnisse als Stuckateur, sondern war auch Architekt und stellte sein handwerkliches Können unter anderem an der Fassade der Mergentheimer Schlosskirche und der Spitalkapelle unter Beweis. Neben den vier großen Stuckfiguren, die er für die Deutschordenskirche in Heilbronn geschaffen hat und den Arbeiten im Jagdschloss Clemenswerth des Kölner Erzbischofs und Kurfürsten Clemens August I. von Bayern wirkte Roth, in der mittelfränkischen Kleinstadt Ellingen.

Das Treppenhaus und den Fürstensaal im Ellinger Schloss stuckierte er ebenso, wie er um 1730 herum in der Pfarrkirche St. Georg und der Maximilianskirche arbeitete. 1731 errichtete er die Maria-Hilf-Kapelle, die wenige Jahre später zur Grablege des Landkomturs der Deutschherren, Karl Heinrich von Hornstein, wurde. Ebenso tätig war er beim Bau eines jüdischen Wohnhauses, dem späteren Gasthaus "Zum römischen Kaiser".

Für ein ehrgeiziges Projekt stürzte sich Roth in die Verschuldung

Im Jahre 1732 übernahm Franz Joseph Roth als eigenständiger Bauunternehmer in der Deutschordens-Kommende Mainz die Innenausstattung des Hauptgebäudes und die Erbauung der Kapelle. Dass er diese unter dem Einsatz eigener Mittel viel kostbarer ausstattete als vorgesehen, führte zu seiner persönlichen Verschuldung.

Die Kapelle 'Zum gegeißelten Heiland' wurde gebaut, nachdem Gelchsheim  im 18. Jahrhundert zum Ziel von Wallfahrern geworden war.
Foto: Hannelore Grimm | Die Kapelle "Zum gegeißelten Heiland" wurde gebaut, nachdem Gelchsheim  im 18. Jahrhundert zum Ziel von Wallfahrern geworden war.

1743 wurde Roths Wohnhaus in Mergentheim versteigert. Die Aufträge, die er später in Ellingen mit dem Bau des Rathauses, der Instandsetzung der Schlosskirche und der Errichtung eines neuen Kirchturmes bekam, durfte Roth nicht mehr eigenfinanziert übernehmen, sondern nur gegen einmalige Abfindungen von jeweils 100 Dukaten. Von dieser Entlohnung wurde ein Teil einbehalten, um seine Gläubiger zu befriedigen.

In Ellingen, wo er 1753 noch einmal Aufträge für Stuckarbeiten am Spital des Deutschen Ordens bekam, kam es zu Auseinandersetzungen mit dem Orden, nachdem der von ihm 1748 begonnene Bau des Turms der Schlosskirche bereits ein Jahr später Risse zeigte.

Roths Lebensabend in Gelchsheim

Nach seinem Umzug nach Gelchsheim war nicht zuletzt sein Schwiegersohn Matthäus Agricola die treibende Kraft für den Bau einer Kapelle. Schon bevor Franz Joseph Roth bei seinem letzten Auftrag seine künstlerische Genialität beweisen konnte, schrieb der Gelchsheimer Michael Öchsner das erste Kapitel in der Entstehungsgeschichte: Der Kreuzwirt hatte 1749 eine Wallfahrt zu der nahe bei Weilheim gelegenen Wieskirche gemacht. Von der dortige Statue des gegeißelten Heilands zutiefst beeindruckt, ließ Michael Öchsner eine ebensolche von einem Ochsenfurter Bildhauer anfertigen.

Das Bildnis, das 1750 an dem Platz aufgestellt wurde, an dem kurz danach die Kapelle gebaut wurde, zog schon bald die Gläubigen an. Die Menschen, die in Scharen kamen, um zu beten, standen, jeder Witterung ausgesetzt, in dem angrenzenden Acker. Nachdem das Bildnis zunächst eine hölzerne Überdachung bekommen hatte, entstand der Plan, eine Kapelle und ein Kapuziner-Hospiz zu errichten.

Eine Statue des gegeißelten Heilands zog Wallfahrer an

Während das Gesuch, ein Hospiz zu errichten, ablehnend beschieden wurde, fassten die Gelchsheimer den Beschluss, mit den reichlichen Geldopfern der Wallfahrer und mit Mitteln der Gemeinde eine steinerne Kapelle zu bauen. Der Bau, den zu Beginn des Jahres 1754 die Deutschmeisterische Regierung von Mergentheim und wenig später die bischöfliche Behörde Würzburg genehmigten, wurde wenige Monate später in Angriff genommen und 1757 vollendet.

In der  Kapelle halten die Gelchsheimer Marktmusikanten mit ihrem Leiter Roland Schiffert (stehend) mit der Maiandacht die Erinnerung an den einstigen Wallfahrtsort wach.
Foto: Hannelore Grimm | In der Kapelle halten die Gelchsheimer Marktmusikanten mit ihrem Leiter Roland Schiffert (stehend) mit der Maiandacht die Erinnerung an den einstigen Wallfahrtsort wach.

Das dem Heiligen Nepomuk geweihte Gotteshaus mit der überlebensgroßen Sandsteinstatue der schmerzhaften Muttergottes über dem Portal wurde im Inneren reichhaltig im Stil des Rokoko ausgestattet und mit großer Opferbereitschaft der Gemeinde über mehr als zwei Jahrhunderte lang instand gehalten. Im Mittelpunkt des Hochaltares steht die Figur des gegeißelten Heiland, von dem aus die einstmalige Bedeutung als Wallfahrtsort ihren Anfang nahm.

Musikalische Maiandacht erinnert an den Baumeister

Heute dient die Kapelle für Hochzeiten und Trauerfeiern und für die alljährliche Mainandacht, die der Leiter der Gelchsheimer Marktmusikanten, Roland Schiffert, ins Leben gerufen hat. Am Pfingstsonntag um 19 Uhr findet diese Maiandacht zum 19. Mal statt. Sie erinnert auch an den 1758 verstorbenen Deutschordensbaumeister Franz Joseph Roth und an die große Vergangenheit, die hinter dem Wallfahrtsort Gelchsheim liegt.

 
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