Mit ihren beiden 60 Meter hohen, schlanken und spitzen Türmen ist die evangelische St. Johanniskirche ein markanter Punkt im Würzburger Stadtbild. Die Besonderheit beim Blick auf die Kirchenfassade ist jedoch zwischen den beiden Türmen zu sehen: Dort steht der Rest des Turmstumpfes des zwischen 1891 und 1895 errichteten neugotischen Vorgängerbaus, das einzige was von der Kirche beim Bombenangriff des 16. März 1945 übrig geblieben ist. In einer 120-seitigen Broschüre hat Stadtheimatpfleger Hans Steidle die wichtigsten Fakten über das Kirchengebäude, aber auch über die Bedeutung der Johanniskirche als Mahnmal und Denkort für den Frieden, zusammengestellt.
Diese Bedeutung lässt sich nicht nur an der Fassade ableiten, die sich direkt an den Betrachter wendet – als Ort der Mahnung und der Erinnerung an die Zerstörung Würzburgs kurz vor dem Ende des zweiten Weltkriegs. Aber auch daran, dass der Luftangriff, dem annähernd 90 Prozent der Stadt zum Opfer fielen und der über 3000 Tote forderte, im zwölfjährigen Terrorregime der Nationalsozialisten eine Ursache hatte.
Der Neubau nach der Zerstörung
Nach der Zerstörung der Johanniskirche wurde 1948 im Saalbau des Luisengartens in der Martin-Luther-Straße eine Notkirche eingeweiht. Dabei wurde auch eine Figurengruppe des Münchner Bildhauers Karl Hemmeter aufgestellt, die später in der heutigen Johanniskirche einen Platz gefunden hat. Sie zeigt die Fußwaschung der Jünger durch Jesus und ist laut Steidle eine erste Manifestation der modernen Kunst in einem Würzburger Kirchenraum nach der NS-Diktatur, habe somit also auch Symbolcharakter.
Als die Kirchengemeinde wuchs, entschied sich der Kirchenvorstand 1953 dafür, die Johanniskirche am alten Ort wieder aufzubauen und zwar nach einem Entwurf des Architekten Reinhard Riemerschmid. Der orientierte sich an einer nach dem Zweiten Weltkrieg aufkommenden Gestaltungsidee, dass bisherige Kriegsdenkmale wirkungslos sind, während zerstörte Kirchen als unmittelbare und anschauliche Zeitzeugnisse wirkten. Riemerschmid konnte diesem Gedanken viel abgewinnen und warb für die Integration der Kriegsruinen in die historisch sich verändernden Städte.
Die Plastik "Tod durch Bomben"
Anhand einzelner Bauelemente erläutert Steidle im Folgenden wie sich diese These in Riemerschmids Entwurf für die Johanniskirche niederschlug. Da wären zunächst die zwei schlanken Spitztürme, die wie zwei frische Triebe aus einer alten Wurzel aus dem erhaltenen Turm wachsen und so als Symbol für ein neues Leben oder eine neue Zeit verstanden werden könnten. Wichtig sei auch, dass die Spuren der Zerstörung sofort erkennbar sind wie beispielsweise die Brandspuren aus der Nacht des 16. März 1945.
Ein eigenes Kapitel widmet Steidle auch der Plastik „Tod durch Bomben“ des russisch-jüdischen Künstlers Vadim Sidur, die 1993 zentral vor der Johanniskirche aufgestellt wurde. Die Statue bildet einen Bestandteil der Kirche und trägt zu deren Charakter als Friedensmahnmal bei. Wie auch in anderen Textabschnitten stellt Steidle in seiner Betrachtung auch das Werk Sidurs in einen größeren Gesamtzusammenhang.
Geeigneter Ort zum Gedenken und Erinnern
Steidle erinnert zudem daran, dass die Johannsikirche als Gedenkort für den 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs genutzt wurde. „Tatsächlich“, so schreibt er, „scheint die Kirche von Architektur und Ausgestaltung der geeignete Ort, um an das Ende des Kriegs und damit vor allem auch an den Beginn des Friedens zu denken und zu erinnern.“
Steidles rund 70-seitigen Ausführungen zum Inneren und Äußeren der Johanniskirche schließt sich noch ein ausführlicher Bildteil mit Fotografien aus der Geschichte der Johanniskirche an. Die informative Broschüre kann bei der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde St. Johannis, Hofstallstraße 5, 97080 Würzburg, bezogen werden. Sie kostet 8,50 Euro.