Haben der im Herbst 1918 nach Holland geflüchtete ehemalige Kaiser Wilhelm II. und seine Familie, die Hohenzollern, dem Nationalsozialismus "erheblichen Vorschub" geleistet? Von der Beantwortung dieser Frage hängt es ab, ob die langjährige deutsche Herrscherfamilie entschädigt wird - dafür, dass Besitztümer, darunter Immobilien und Kunstschätze, 1945 von der Sowjetischen Militäradministration in der DDR enteignet wurden.
Viele Historiker beantworten die Frage mit "Ja". Wenn sich Gerichte dieser Meinung anschließen, würde das die Entschädigung verhindern. Zwischen dem Bund mit Ländern und den Hohenzollern wird seit 2014 darüber verhandelt. Laut Gesetz bekommt keinen Ausgleich, wer dem NS-System "erheblichen Vorschub geleistet hat". Bei der Justiz ist die Forderung der Hohenzollern deshalb gelandet, weil es keine gütliche Einigung zwischen dem Adelshaus und dem Land Brandenburg gab. Wann eine Entscheidung verkündet wird, steht nicht fest. Nach Ansicht der Hohenzollern geht es in den Fall nicht um eine Entschädigung, sondern um eine „Ausgleichsleistung“ und um die mögliche Rückgabe mobiler Güter. Bei diesen habe das Familienoberhaupt Georg Friedrich Prinz von Preußen immer wieder klargestellt, dass er sie für die Öffentlichkeit zugänglich erhalten möchte.
Meldung auf der Titelseite des Würzburger General-Anzeigers
Aus der Würzburger Perspektive des April 1932 ist die Sache klar. Am Montag, 4. April, meldete der Würzburger General-Anzeiger wie viele andere deutsche Blätter auf Seite 1: Der frühere Kronprinz, der 1882 geborene und nach seinem Vater benannte Wilhelm Prinz von Preußen, werde beim zweiten Wahlgang der Reichspräsidentenwahl für Adolf Hitler und nicht für den Amtsinhaber Paul von Hindenburg stimmen.
Zwar siegte Hindenburg am 10. April 1932. Der Kronprinz aber brüstete sich später damit, dass seine Wahlwerbung – neun Monate vor dem Machtantritt der Nazis – Hitler zwei Millionen Stimmen aus dem konservativen und monarchistisch gestimmten Lager gebracht habe.
Begleiter auf dem Propagandaflug
Dass Wilhelms jüngerer Bruder, der 1887 geborene August Wilhelm (genannt "Auwi), Adolf Hitler vor diesem Wahlgang auf einem seiner Propagandaflüge begleitet hat, ist eine historische Tatsache, ebenso wie vielerlei andere Unterstützung, die Angehörige der Hohenzollern-Dynastie den Nationalsozialisten gewährten.
Hauptziel der Hohenzollern war die Wiedererrichtung der Monarchie im seit 1918 republikanischen Deutschland, wobei allerdings niemand wusste, wer eigentlich Kaiser werden sollte: Der alte Wilhelm II. selbst? Der Kronprinz oder August Wilhelm? Oder gar einer der Enkel des Kaisers, zum Beispiel August Wilhelms 1912 geborener Sohn Alexander, der sich wie sein Vater schon vor 1933 ganz der Sache des Nationalsozialismus verschrieben hatte? Hitler freute sich über die Unterstützung der Hohenzollern, ging aber nie so weit, eine Wiedereinführung der Monarchie fest zuzusagen.
Wahlkampfflug in mehrere Städte - auch nach Würzburg
Dass bei jenen Wahlkampfflug, der am 5. April 1932 in Berlin-Tempelhof begann und am 6. April nach Würzburg führte, der 45-jährige August Wilhelm Prinz von Preußen dabei war, schilderte 1963 Sefton Delmer in seinen Erinnerungen. Delmer war 1932 Leiter des Berliner Büros des Daily Express gewesen, sprach fließend deutsch und sympathisierte mit den Nazis. Deshalb durfte der damals 27-Jährige Hitler als einziger Auslandsjournalist bei diesem mehrtägigen Flug begleiten. Pro Tag wurden drei Städte angesteuert, in denen Wahlveranstaltungen stattfanden.
"Am vorderen Ende, nahe der Pilotenkanzel saß Prinz August Wilhelm", schrieb Delmer über die Situation im Flugzeug, einer gecharterten Lufthansa-Maschine. "Er hatte eine große Schachtel Pralinen mitgebracht, die er nun herumreichte. Nur Hitler lehnte ab, davon zu nehmen – was bei seiner Leidenschaft für Süßigkeiten überraschen musste." Die meisten aus Hitlers engerem Zirkel, die mitflogen, hätten versucht, die Aufmerksamkeit des NSDAP-Vorsitzenden auf sich zu lenken. So in Selfton Delmers Worten auch der Kaisersohn: "'Auwi' hielt Hitler die Titelseite des 'Völkischen Beobachters' hin, damit dieser die eindrucksvolle typographische Aufmachung seiner letzten Wahlrede bewundern konnte."
Als Kaisersohn Mitglied in SA und NSDAP
August Wilhelm war 1930 in die NSDAP und 1931 in die SA eingetreten. Er war homosexuell, hatte zum Schein geheiratet und mit seiner adeligen Frau einen Sohn bekommen, wurde dann aber von dieser zugunsten eines Bürgerlichen verlassen und übte nie einen regelmäßigen Beruf aus. In SA und NSDAP fand er offenbar jene Gemeinschaft, die ihm seine Familie – vor allem der kaiserliche Vater sprach immer wieder abschätzig über ihn – nicht geben konnte.
"Auwi" war für die NSDAP zeitweise ein äußert wertvolles Mitglied, weil er durch seine Person die Breite der nationalsozialistischen Bewegung repräsentierte, die laut Propaganda von "ganz oben" bis zum einfachen Arbeiter reichte. In zahlreichen öffentlichen Auftritten verbürgte er sich für die angeblich ehrenhaften Ansichten Hitlers, dessen Nähe und Zuneigung er suchte, bis ihm diese später zu seiner immensen Enttäuschung entzogen wurden.
Propagandaflug: Hitler am Hubland, wo es Start- und Landebahn gab
Die ersten Stationen des Propagandafluges waren am 5. April 1932 Stolp in Pommern, der Ostseehafen Elbing und Königsberg. Am zweiten Tag stand als zweite Station Würzburg auf dem Programm, wo Hitler schon früher vor begeistertem Publikum aufgetreten war. Am Galgenberg - den späteren Leighton Barracks und dem heutigen Stadttteil Hubland - gab es eine Start- und Landebahn. Das Flugzeug landete am frühen Nachmittag. Hitler wurde von Robert Greim begrüßt, dem Leiter der benachbarten Fliegerschule.
Dass August Wilhelm dabei war, als Adolf Hitler um 17 Uhr in Würzburg seine Wahlkampfrede in der überfüllten Frankenhalle begann, ist nicht durch Dokumente belegt, aber so gut wie sicher. Er, der das Privileg genoss, den geliebten "Führer" begleiten zu dürfen, hätte die Wahlkampftour wohl kaum schon nach nur einem Tag verlassen. Dass er in Würzburg nicht selbst sprach – ebenso wenig wie bei der folgenden Veranstaltung am Abend in Nürnberg – zeigt den Realitätssinn der Nazis.
Keine Rede vom protestantischen Hohenzollern im katholischen Würzburg
Mochte August Wilhelm in Preußen ein wertvoller Bundesgenosse und Redner sein, so war er – ein geschiedener protestantischer Preuße – im katholischen Bayern schwerer zu vermitteln. Daher sprachen in Würzburg außer Hitler nur der Münchner Journalist und Stadtrat Hermann Esser, der schon 1921 bei der ersten Würzburger NSDAP-Veranstaltung aufgetreten war, der Reichstagsabgeordnete Hermann Göring und der Münchner NSDAP-Gauleiter Adolf Wagner.
Der General-Anzeiger gab Hitlers Rede – zum Teil wörtlich – ohne jede Distanzierung wieder. Das katholische Volksblatt hingegen setzte sich äußerst kritisch mit den Äußerungen auseinander und bezeichnete Hitler als "politischen Idioten" und "Geschichtsfälscher", den "lächerlicher Größenwahn" antreibe.
August Wilhelm war schon vor dem ersten Wahlgang der Reichspräsidentenwahl ausschließlich in Preußen aufgetreten, und zwar auf ausdrückliche Anweisung Hitlers. Er habe "mit dem Führer eingehend über meine Rednerverwendung zur Wahl gesprochen", schrieb er, "und er bat mich, nur in Preußen und zwar in den größten Städten zu sprechen".
Triumph wenig später als Spitzenkandidat der NSDAP
Freilich dürfte bereits die bloße Anwesenheit eines Preußenprinzen und potenziellen künftigen Kaisers an jenem Nachmittag des 6. April 1932 in Würzburg für Aufsehen gesorgt haben, wenngleich die Monarchisten unter den Zuhörern mehr daran interessiert waren, dass Kronprinz Rupprecht, der Sohn des 1921 gestorbenen letzten bayerischen Königs Ludwig III., den Thron in München besteigen würde. Die deutsche und preußische Krone war für sie eher sekundär.
August Wilhelm indes erlebte wenig später einen Triumph, als er bei der Landtagswahl in Preußen am 24. April 1932 als Spitzenkandidat die NSDAP mit fast 37 Prozent zur stärksten politische Kraft machte.
Die Hohenzollern und die Nazis
Über das Verhältnis der Hohenzollern zu den Nazis sind mehrere Bücher, zahllose Aufsätze und verschiedene Gutachten verfasst worden. Nicht immer war die Sache so eindeutig wie in jenem April 1932. Doch, so formulierte es der Marburger Historiker Prof. Eckart Conze, kann "überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass die Hohenzollern insgesamt und insbesondere der ehemalige Kronprinz Wilhelm" dem Nationalsozialismus "erheblichen Vorschub" geleistet haben.
Hitler-Verehrer August Wilhelm wurde am 8. Mai 1945 von amerikanischen Truppen verhaftet und zu drei Jahren Lagerhaft verurteilt. Er starb, bevor ein weiterer Haftbefehl vollstreckt werden konnte, 1949 in einem Krankenhaus in Stuttgart.
Entschädigungsforderungen gegen den deutschen Staat
Die Entschädigungsforderungen der Hohenzollern gegen den deutschen Staat sind noch anhängig. Hauptinitiator ist das derzeitige Familienoberhaupt, der 1976 geborene Georg Friedrich Prinz von Preußen. Der Ururenkel des ehemaligen Kaiser Wilhelm II. und Sohn von Donata Gräfin zu Castell-Rüdenhausen führt die Familiengeschäfte und vertritt die Hohenzollern in der Öffentlichkeit. Er zog Kritik auf sich, als er zahlreiche juristische Schritte gegen Wissenschaftler und Medien einleitete – wegen seiner Meinung nach falscher Berichterstattung über Details der Verhandlungen mit der öffentlichen Hand und damit in Bezug stehende Themen.
Hinweis: In dem Beitrag haben wir nachträglich zwei Passagen geändert. Der persönliche Referent von Georg Friedrich Prinz von Preußen hat in einer Stellungnahme zu dem Artikel darauf hingewiesen, dass dessen juristische Schritte sich lediglich gegen seiner Meinung nach falsche Berichterstattung über Details der Verhandlungen mit der öffentlichen Hand und damit in Bezug stehende Themen gewandt haben; dies ist zutreffend. Zudem gehe es in den Fall nicht um eine Entschädigung der Hohenzollern, sondern um eine „Ausgleichsleistung“ und um die mögliche Rückgabe mobiler Güter.
zu entschädigen wäre der blanke Hohn in den Augen der Kriegsgefangenen aus Polen oder anderen Ländern, die im Deutschland des Dritten Reiches Sklavendienste in Landwirtschaft und Industrie leisten mussten.
Was musste dieser Personenkreis Nachweise und Belege beibringen um im hohen Alter eine winzige Rente aus Deutschland zu bekommen.