24 Stunden jeden Tag, alle Tage im Jahr ist die Ökumenische Bahnhofsmission für hilfesuchende Menschen geöffnet. In einer Pressekonferenz stellten Bahnhofsmissionsleiter Michael Lindner-Jung und seine Stellvertreterin Johanna Anken die Institution vor und berichteten, manche benötigten nur ein Pflaster oder ein warmes Getränk, andere Nahrung "für Leib und Seele". Oder sie brauchen das Gespräch in einer Krise, eine Unterkunft für die Nacht oder Begleitung beim Umsteigen. Wer kommt, werde bedingungslos aufgenommen. Alle Menschen seien willkommen unabhängig von Alter, Religion oder Herkunft – egal in welcher Notlage. Für viele hilfesuchende Menschen sei die Bahnhofsmission die nächste Anlaufstelle, für manche der letzte Rettungsanker. Das gelte besonders für jene, die mit ihrer Not alleine sind.
Zuversicht vermitteln
"Wir können nicht alles retten, aber eine Schlafstätte bieten", sagte Lindner-Jung. Er sprach von Zuversicht, die die Bahnhofsmission geben wolle, "den Glauben, dass es morgen gut wird. Viele Menschen, die zu uns kommen, haben den nicht".
Die Bahnhofsmission zählt nicht die Menschen, um die sie sich kümmert, sondern die Zahl ihrer Kontakte. So suchten Menschen im vergangenen Jahr über 45 000 Mal Unterstützung. Über 40 000 Mal nutzten sie die Bahnhofsmission als Aufenthaltsort und Schutzraum, fast 35 000 Mal das Gesprächs- und Beratungsangebot oder die Hilfe der Einrichtung als Kriseninterventionsstelle. 4500 Mal, so Lindner-Jung und Anken, vermittelte die Bahnhofsmission Hilfesuchende weiter an spezialisierte Dienste.
Die Bahnhofsmission musste sich in ihrer Geschichte stetig gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen. Der katholische Frauenbund und der Mädchenschutzverein gründeten sie 1888/99, um junge Frauen, die vom Land zur Arbeit kamen, vor den Gefahren der Großstadt zu schützen. Ein Jahr später stieg der evangelische Verein "Freundinnen junger Mädchen" ein.
Zahl der Hilfsbedürftigen stieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die Kriegsheimkehrer, Ausgebombten und Flüchtlinge in die Bahnhofsmission. In den Sechzigerjahren prägten ausländische Arbeitnehmer das Bild des Bahnhofs und die Zahl hilfsbedürftiger Reisender stieg.
In den Siebzigerjahren kamen immer mehr Aus- und Umsiedler, die Zahl jugendlicher Touristen aus Europa wuchs. "Besorgniserregend", so Lindner-Jung und Anken, war in den frühen Achtzigern die steigende Zahl junger Arbeitsloser, die sich im Bahnhofsbereich aufhielten. In der Mitte des Jahrzehnts suchten immer mehr osteuropäische und afrikanische Flüchtlinge die Hilfe der Bahnhofsmission, ab 1990 ehemalige DDR-Bürger. Zu Beginn der Neunzigerjahre zählte die Bahnhofsmission laut Anken jährlich etwa 1000 Kontakte mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Zur Mitte des Jahrzehnts seien es bis zu 7000 gewesen und gut 15 000 im Jahr 2000.
Tägliche Gäste
2018, berichtete Anken, waren die Besucher in fast 36 000 Kontakten mit mehr als einem Problem konfrontiert, 37 Prozent mehr als im Jahr 2013. Im gleichen Zeitraum sei die Zahl der Kontakte mit psychisch Erkrankten um 62 Prozent gestiegen. Um 300 Prozent wuchs in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der hilfsbedürftigen Menschen mit Wurzeln im Ausland.
Lindner-Jung zufolge hat die Bahnhofsmission auch Gäste, die täglich kommen. Ihnen bringe sie als "tagesstrukturierendes Element Sinn in den Tag". Die Aussicht, morgen wieder kommen zu können, bringe "Halt, Berechenbarkeit, Verlässlichkeit in einem Leben, das sonst keinen Halt hat".