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Region Würzburg
Der Rübenanbau zwischen Preisverfall und "Bauern-Bashing"
Die Bauern sind ernüchtert über schlechte Erzeugerpreise. Anbauerverband und Südzucker-Konzern werben trotzdem um Vertrauen in den Zuckerrübenanbau.
Mit Aufrufen und Transparenten werben Zuckerrübenbauern um Gehör für ihre Anliegen, auch bei der Winterversammlung des Anbauerverbands in Erbshausen.
Foto: Irene Konrad | Mit Aufrufen und Transparenten werben Zuckerrübenbauern um Gehör für ihre Anliegen, auch bei der Winterversammlung des Anbauerverbands in Erbshausen.
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:01 Uhr

Die Preise im Keller, die Umweltauflagen steigen. Frankens Zuckerrübenbauern sind hart im liberalisierten Zuckermarkt gelandet. Entsprechend groß ist die Ernüchterung und die Sorge, dass der Zuckerrübenanbau in Franken auf Dauer ganz zum Erliegen kommen könnte, wie bei den Winterversammlungen des Verbands fränkischer Zuckerrübenbauer (VFZ) in Giebelstadt und Erbshausen deutlich wurde. VFZ und die Südzucker AG haben dort ihren Strategiewechsel erläutert.

Vor drei Jahren war man noch zuversichtlich, den Wegfall der Zuckermarktordnung mit festen Mindestpreisen und Produktionsquoten gut meistern zu können. Die Südzucker AG als exklusiver Abnehmer der fränkischen Rüben setzte darauf, im Verdrängungswettbewerb mit wirtschaftlich schwächeren Konkurrenten die Oberhand zu behalten und so langfristig die führende Marktstellung auszubauen. VFZ-Vorsitzender Stefan Streng bringt die Strategie auf eine einfache Formel: "Wir geben Vollgas bei der Produktion, der Markt wird sich bereinigen und wir stehen als Gewinner da." Womit man nicht gerechnet hat, ist der rasante Preisverfall auf den Märkten dank der weltweit guten Ernten. Knapp über 300 Euro pendelt der Erlös pro Tonne Zucker. 450 Euro gelten als wirtschaftliche Untergrenze.

Schlechte Aussichten vor den Preisverhandlungen

Entsprechend schlecht sind die Aussichten vor den anstehenden Preisverhandlungen zwischen dem Konzern und den süddeutschen Anbauerverbänden. VFZ-Geschäftsführer Klaus Ziegler rechnet damit, dass der Deckungsbeitrag pro Hektar, also der Erlös nach Abzug der reinen Produktionskosten, im Durchschnitt zwischen 500 und 800 Euro liegen wird. Für einen Landwirt, der sein eigenes Feld bewirtschaftet, mag das gerade noch kostendeckend sein. Wer auch noch Pacht bezahlen muss, rutscht ins Minus, stellte ein Teilnehmer der Versammlung fest. 

Dabei hatte es die Zuckerrübe bisher auch in schlechten Jahren geschafft, immer noch einen besseren Deckungsbeitrag als Mais oder Getreide zu erzielen. Diesmal droht das Verhältnis zu kippen: Während die Getreidepreise im Jahresvergleich um rund zehn Prozent anzogen, stürzte der Zuckerpreis um rund ein Viertel ab. 2017, im ersten Jahr nach der Zuckermarktordnung, machte eine Rekordernte den Preisverfall noch wett. 2018 fielen die Erträge wegen der Trockenheit schlecht aus, und die Preise erholten sich nicht, weil in anderen Teilen der Welt gute Ernten eingebracht wurden. "Wir hatten immer mal schlechte Jahre", sagt VFZ-Vorsitzender Stefan Streng, "aber heuer kommt alles sehr gebündelt."

Negatives Umfeld in Gesellschaft und Politik

Alles, damit meint Streng auch die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Landwirtschaft und vor allem der Zucker würden schlechtgeredet. Nicht der Zucker mache krank, sondern eine insgesamt falsche Lebensweise mit zu vielen Kalorien und zu wenig Bewegung. Ein regelrechtes "Bauern-Bashing" sei losgetreten worden, sagt Streng, in dem auch Agrarministerin Julia Glöckner den nötigen Rückhalt für die Landwirte vermissen lasse.

Die süddeutschen Verbände haben sich deshalb mit einer Resolution an die Politik gewandt und fordern Beistand gegen unfaire Wettbewerbsbedingungen. "Wir haben früher unsere Probleme selber gelöst", so Streng, "aber wir haben gesehen, dass wir mehr an die Öffentlichkeit müssen." Unter dem Motto "Fairplay für die heimische Zuckerrübe" hatten Bauern unlängst am Rande einer Tagung in Veitshöchheim demonstriert. Inzwischen seien mehrere deutsche Anbauerverbände dem Beispiel gefolgt. 

Unfaire Wettbewerbsdingungen

Zu den unfairen Wettbewerbsbedingungen zählen auch Direktzahlungen, die in elf europäischen Ländern für den Zuckerrübenanbau geleistet werden. Polnische Zuckerrübenbauern haben dadurch einen Erlösvorteil von 390 Euro pro Hektar im Vergleich zu ihren deutschen Kollegen, führte Georg Vierling aus, Leiter des Geschäftsbereichs Produktion und Rüben bei Südzucker.

Der Konzern reagiert auf die Krise mit einer Rosskur. Zwei Werke in Deutschland sollen nach der Kampagne 2019 geschlossen werden. Weitere im übrigen Europa sollen folgen. Südzucker will die Produktion von derzeit rund 4,6 Millionen Tonnen jährlich um 700 000 Tonnen drosseln und dadurch Kosten von 100 Millionen Euro einsparen. Dabei sei im abgelaufenen Jahr in der EU schon weniger produziert als verbraucht worden. Aber um nachhaltig die Preise nach oben zu bringen, müssen weitere Mengen vom Markt.

"Wir haben nicht damit gerechnet, dass das Tal so tief wird, aber da müssen wir jetzt durch, und danach geht es auch wieder rauf."
Stefan Streng, VFZ-Vorsitzender

Spannend bleibe, wie Wettbewerber auf den Vorstoß von Südzucker reagieren, so Vierling. Auch die schreiben im Zuckersegment derzeit tiefrote Zahlen. Wohl dem, der rechtzeitig auf weitere Standbeine gesetzt hat. Bei Südzucker ist es vor allem das Geschäft mit Tiefkühlpizza und Fruchtzubereitungen, das im laufenden Geschäftsjahr noch einen operativen Erlös zwischen 25 und 125 Millionen Euro erwarten lässt. Im Zuckersegment hingegen werde das Minus voraussichtlich zwischen 150 und 250 Millionen Euro betragen. Das beantwortet auch die Frage eines Landwirts, ob es nicht besser gewesen wäre, mehr Geld in den Zucker zu investieren, statt den Konzern zu verbreitern. "Die Diversifizierung war richtig", sagt VFZ-Vorsitzender Streng, "im Moment subventionieren die übrigen Sparten den Zucker."

Die bange Frage kreist um die Anbauverträge für die Ernte 2020, die im kommenden Juni abschlossen werden. 25 000 Hektar Anbaufläche seien nötig, um die Ochsenfurter Fabrik wirtschaftlich auszulasten, rechnet VFZ-Geschäftsführer Klaus Ziegler vor. Die Bereitschaft der Bauern wird aber wesentlich von den Erlösaussichten abhängen. Über die Süddeutsche Zuckerrübenverwertungsgenossenschaft sind die Landwirte zu 58 Prozent an der Südzucker AG beteiligt. "Gerade in Zeiten wie diesen ist es wichtig, dass wir mitentscheiden können", fasst Stefan Streng die enge Verflechtung zwischen Bauern und Konzern zusammen. Deshalb sieht er die Zukunft des fränkischen Zuckerrübenanbaus trotz allem optimistisch und wirbt um Vertrauen. "Wir haben nicht damit gerechnet, dass das Tal so tief wird, aber da müssen wir jetzt durch, und danach geht es auch wieder rauf."

 
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  • Arcus
    Die Bauern- und Zuckerlobby versucht wieder mal mit Halbwahrheiten an Subventionen zu kommen. Tatsache ist, daß der Zucker, der bei uns in vielen Nahrungsmitteln versteckt ist, krank macht. Wären alle Lebensmittel vernünftig gekennzeichnet und würde es auf den versteckten Zucker eine Zuckersteuer geben, würde deutlich weniger konsumiert. Daran ist der Zuckerlobby aber keinenfalls gelegen.
    Gesund ernähren heißt eben auf Fertignahrungsmittel, in denen unsinnig hohe Zuckermengen stecken zu verzichten.
    Wir haben jahrelang eine verfehlte Zuckerindustriepolitik mit viel Steuergeld subventi oniert. Die krankheitsbedingten Kosten, an denen der Zucker einen hohen Anteil hat, zahlen wir alle nochmal über unsere Krankenversicherung.
    Ich kann nur hoffen, daß der Zuckerpreis weiter niedrig bleibt und der Großteil der Bauern den Zuckerrübenanbau aufgibt. Dann ist es vielleicht auch in Deutschland möglich eine verbraucherfreundliche und gesundheitsorientierte Lebensmittelkennzeichnung durchzusetzen
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