Eine Bäuerin beim Rechen auf dem Feld. Ein Lattenzaun um ein Stückchen Wiese. Ein Landwirt, der die Sense wetzt. Eine alte Frau vor dem Misthaufen, sie hält ein Ferkel auf dem Arm. Ein Gaul mit Pfluggespann, neben ihm kauert ein Mann auf dem grob gefurchten Acker. Ein Streuobstbaum. Ein Stück Weinberg. Und immer wieder Fenster, Türen, Giebel. Alt, verwittert, trotzdem schön.
So wie die geöffneten Hände, die – voller Furchen, Falten, schwarzen Spuren lebenslanger Arbeit – eine Frau der Kamera zeigt. Es sind eindrucksvolle Bilder. Alle schwarz-weiß. Alle schlicht, unspektakulär im ersten Moment. Und im zweiten, dritten und jedem weiteren Moment von erstaunlicher Gültigkeit und Tiefe. Valentin Schwab hat das Leben auf dem Land auf ganz besondere Weise erfasst. Und festgehalten. Bevor es ganz verschwunden war.
Künstler, Kameramann, weitgereist, heimatverbunden: Von Unterfranken in Krisengebiete und zurück
Valentin Schwab, unterfränkischer Künstler, Kameramann, Dokumentar. 1948 in Arnstein geboren, 2012 gestorben, viel zu früh. Das Museum im Kulturspeicher Würzburg nennt ihn den "großen Unbekannten der deutschen Fotografiegeschichte" und widmet ihm jetzt eine große Retrospektive. Fast 150 Arbeiten aus Schwabs Nachlass und dem eigenen Bestand sind im Kulturspeicher zu sehen. Die Werke eines Heimatverbundenen, der weitgereist war und der – zurück in Main-Spessart – mit globalem Blick auf die Menschen, auf die Landschaften, Orte, Veränderungen schaute.
"Seit den 1970er Jahren hat Valentin Schwab ein Werk vorgelegt, das in Konsequenz, engagierter Haltung und Qualität des fotografischen Blicks in der deutschen Dokumentarfotografie des 20. Jahrhunderts seinesgleichen sucht", sagt Henrike Holsing, die Kuratorin der Werkschau. "Zu Unrecht", so Museumsdirektorin Luisa Heese, sei Schwab "nicht so bekannt". Aber dem Künstler aus Arnstein, der später in Stadelhofen bei Karlstadt lebte, sei es eben nie um die Karriere, nie um die Bestückung großer Ausstellungen gegangen. Sondern: "Um die Wirklichkeit. Um die Realität vor der Linse."
Die Realität vor der Linse: eine dramatische Veränderung. Schwab, Sohn eines Zahnarztes und aufgewachsen in einer Großfamilie mit acht Geschwistern, hatte mit fünf Jahren zum ersten Mal auf den Auslöser der wertvollen Balgenkamera seines Vaters gedrückt. Er hatte oft den Kindergarten geschwänzt und war lieber bei den Handwerkern, Bauern, Winzern gesessen und hatte ihnen bei der Arbeit zugeschaut. Er hatte mit 14 in Würzburg bei der Reederei Käufer angeheuert, eine Binnenschiffer-Lehre begonnen und war quer durch Deutschland geschippert.
Nach Grafik-Fotografie-Film-Studium in Kassel und freier Tätigkeit für den Hessischen Rundfunk und Dokumentaraufnahmen in Libanon und Sudan kehrte Schwab Ende der 1970er Jahre nach Arnstein zurück. Und fand die Bilder seiner Kindheit nicht wieder.
Lost Places und der Verlust einer dörflichen Kultur
Die Würzburger Ausstellungsmacher zeigen im Kulturspeicher auch eindrucksvolle Arbeiten aus den Fotoserien, die in Eritrea, El Salvador oder auf Kuba entstanden. Aufnahmen, in denen Schwab – immer getragen von Sympathie, Respekt, Blick für soziale Themen – das Leben der Menschen festhielt. Vor allem aber würdigt die Retrospektive Valentin Schwabs Arbeiten in der Heimat.
Und diese Heimat, sie hatte sich verändert, sie veränderte sich. Flurbereinigung, Strukturwandel – Dorfgrün musste Straßen und Parkplätzen weichen. Statt hölzernen Klappläden wurden Rollläden montiert. Flachdachgaragen wurden vor Fachwerk gesetzt, Betonwände gezogen, kahle Mauern. Ländliches Leben verschwand, das fränkische Dorf bekam ein anonymes Gesicht. Standardisierte Billigbauweise – Hässlichkeit, wo zuvor ein alter Schuppen stand. Vielleicht windschief und schräg, aber authentisch. Und auf seine Art . . . schön.
Das Bemerkenswerte an den Arbeiten von Valentin Schwab: Er näherte sich den Menschen vorsichtig, achtsam. Gewann Vertrauen. Machte einige wenige Aufnahmen – und wählte am Ende eine, die gültig war. Wie eben die Aufnahme dieser verfurchten Handflächen der Bäuerin, vielleicht sein berühmtestes Bild.
"LAND" nannte Schwab seine Beobachtungen später, sie wurden sein Lebenswerk. Schwab sei es darum gegangen, die Menschen und das Land festzuhalten, die Veränderungen zu dokumentieren, Vergehendes zu bewahren und gegenwärtige Entwicklungen infrage zu stellen, sagt Kuratorin Henrike Holsing. Fast obsessiv hatte Schwab Unterfrankens Dörfer und das Land durchwandert. Mehrere Regalmeter an Negativmaterial in seinem Nachlass, alphabetisch sortiert von A wie Arnstein bis Z wie Zellingen, zeugen von den jahrzehntelangen Streifzügen.
Moira Scholz, Schwabs Witwe, erzählt, wie ihr Mann sorgfältig und geduldig seine Motive wählte. Auf Ausflügen mit der Familie zum Beispiel habe er nie die Kamera dabei gehabt. Aber wenn ihm ein Winkel, ein Baum, ein Landschaftsdetail auffiel, dann ging er wieder hin. Manchmal drei, vier Mal. Bei einer bestimmten Witterung oder Tageszeit, wenn Wolken am Himmel waren oder die Sonne wie gewünscht stand. Der Fotograf wartete, bis der Rahmen so war, wie er es brauchte. Bis die Bedingungen für ihn stimmten.
Erst dann drückte er auf den Auslöser. Und kam zurück, vielleicht nur mit einem einzigen oder drei wenigen Bildern. Und in der Dunkelkammer, da schnitt er nicht mehr. Veränderte nichts. Ein Dokumentar, der die Realität einfing. In seiner Heimat, die exemplarisch steht.
Die Ausstellung: "Valentin Schwab – Eine Retrospektive", Museum im Kulturspeicher Würzburg, bis 21. Mai. Zur Ausstellung ist ein Katalog mit allen gezeigten Aufnahmen erschienen.
Ich freue mich auf die Ausstellung, denn schon jetzt, im Pixelformat, machen Valentin Schwabs Fotografien einen nachhaltigen und tiefen Eindruck!