Eine Eishockeyfläche ohne Eis ist wie ein weißer Strand ohne ein Sandkorn. Der ESV Würzburg sah sich dem Umstand in der Saison 2017/18 gegenüber. Im Sommerhalbjahr ist ob der Temperaturen ohnehin nicht an eine Eisdecke im Freien zu denken. Doch im Winter ist sie die Lebensversicherung für Freiluftklubs wie die Würzburger Eisbären.
Insofern sorgte der Start der Eisbahn-Umbauarbeiten am Nigglweg im Frühjahr 2017 schon für Unruhe im Verein. Als "echte Hiobsbotschaft" bezeichnet ESV-Vorsitzender Michael Saller die damalige Nachricht, dass der Neubau nicht wie geplant zum darauffolgenden Herbst fertiggestellt sein würde. "Denn sie kam erst im Spätsommer. Da waren die Mannschaften längst gemeldet und die Spielpläne aufgestellt“, bemerkt Saller, der mit seinen Vorstandskollegen von einer Jury aus Vertretern des Sports und dieser Redaktion nun mit dem Preis „Vorstand des Jahres“ geehrt worden ist. Die Auszeichnung wird in Zusammenarbeit von Main-Post, Verband Würzburger Sportvereine und Sparkasse Mainfranken vergeben – dieses Jahr zum 27. Mal. Am Montag erhielt der ESV-Vorstand den Pokal sowie 1000 Euro Prämie, gestiftet von der Sparkasse Mainfranken.
Zunächst wurde versucht, den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten
Für die Eisbären, das ESV-Vorzeigeteam, war mit der Hiobsbotschaft von 2017 die Saison gelaufen, ehe sie überhaupt beginnen konnte. Weil die Würzburger Bädergesellschaft, die in dessen Zuge auch den Umbau des Nautilandbads angestoßen hatte, als neuen Eisbahn-Freigabetermin das Weihnachtsfest 2017 anpeilte, versuchten die städtischen Kufenläufer zumindest mit den beiden Jugendmannschaften und dem Hobbybereich den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten. "Das war ein großer logistischer Aufwand", erinnert sich Petra Mundl, Abteilungsleiterin Nachwuchs.
Mit Kleinbussen und Pkw ging es zweimal wöchentlich bereits am Nachmittag in die angemieteten Eishallen nach Bad Kissingen und Schweinfurt. Zurück war der Tross erst am Abend zu einer Zeit, in der 12-Jährige eigentlich schon im Bett liegen sollten. "Hinzu kamen natürlich noch die Liga-Spiele am Wochenende", betont Petra Mundl, deren Mann Josef als Kassierer ebenfalls der ESV-Vorstandschaft angehört.
Dann kam die nächste Hiobsbotschaft: Ein kompletter Winter ohne Eis?
Und dann kam "die nächste Hiobsbotschaft", wie es Saller ausdrückt: "Auch der Weihnachtstermin konnte nicht gehalten werden." Nun war der ganze Zellerauer Klub mit seinen 160 Mitgliedern in Aufruhr. Ein kompletter Winter ohne Eis? "Der kostete in unserem Fall ungefähr 28 000 Euro, haben wir damals errechnet", sagt Saller. Auslagen für die Anmietung fremder Hallen, Reisekosten, Strafen für Rückzüge und Spielabsagen, entgangene Einnahmen aus dem Schlittschuhverleih an jedermann: Der kleine Verein kam schnell in Liquiditätsnöte und musste SOS-Signale senden.
Doch das Allerschlimmste stand noch bevor: "Fast die Hälfte der Jugendlichen meldete sich ab", berichtet Petra Mundl, "die Konkurrenz an anderen Sportarten ist in diesem Alter einfach hoch." Und dann waren da noch die Olympischen Winterspiele 2018 in Pyeongchang. Die deutsche Eishockey-Nationalauswahl stieß sensationell bis ins olympische Finale vor und löste einen vorübergehenden Hype dieser Sportart im ganzen Land aus. Auch die Anmeldezahlen in den Vereinen stiegen stark an.
Und der ESV Würzburg hatte davon: nichts. "Die WM findet ja meistens im Mai statt. Da ist unsere Eisbahn längst geschlossen. Beim Olympia-Erfolg wäre es einmal anders gewesen", trauert Benjamin Wiedenhofer, Abteilungsleiter der zweiten Mannschaft, dieser verpassten Chance noch heute hinterher.
Dass der Verein dennoch überlebt hat, verdankt er seinen treuen Mitgliedern, Sponsoren und der engagierten Vorstandschaft, die wirklich nichts unversucht gelassen hat, um an private und öffentliche Finanzspritzen zu gelangen. Irgendwie haben es die Eisbären über den Berg geschafft; der erste Winter bei laufendem Betrieb auf der neuen Eisbahn ist überstanden.
Auch die umgebaute Anlage hat ihre Tücken
Auch die aufgrund der Jahreszeit nun wieder eisfreie Anlage hat ihre Tücken: Ein Dach über der Eisfläche war nicht drin und die beiden Kabinen, die in die Festungsmauer integriert worden sind, haben für ein Team mit bis zu 20 Spielern nahezu Miniaturausmaße. Spinde gibt es nur einige wenige; Taschen und Utensilien müssen auf Regale unter die Decke gehievt werden. Petra Mundl hat sich kürzlich beim Versuch, eine Sporttasche herunterzuholen, das Kreuzband gerissen.
Weil die entstehende Wärme durch die Eisaufbereitung nun nicht mehr ins Schwimmbad, sondern in die Kabinen geleitet wird, ist es dort im Winter gefühlt so warm wie in einer Sauna. Das Plexiglas um die Eisbahn herum wird von einer Eisschicht überzogen, sobald es nasskalt ist, so dass die Zuschauer bei ESV-Heimspielen kaum etwas sehen. Vorstandszimmer oder gar ein Vereinsheim fehlen. "Doch alles in allem sind wir mit der neuen Situation sehr zufrieden", sagt Saller. Der ESV, er lebt auch über 30 Jahre nach seiner Gründung weiter. Die Nachwuchsschar ist beinahe wieder auf dem Niveau von vor der unfreiwilligen Schließung der Eisbahn am Nigglweg.