
Wenn das "tauschbar" in Reichenberg bei Würzburg am Dienstag um 17 Uhr für zwei Stunden seine Türen öffnet, ist immer viel los im Laden in der Bahnhofstraße: "Eigentlich ist hier das ganze Dorf involviert", sagt Marion Koblenz. Die 50-Jährige koordiniert ein Team von gut fünfzehn Menschen, die sich seit zwei Jahren ehrenamtlich für ein beispielhaftes Nachhaltigkeitsprojekt im Landkreis Würzburg einsetzen.
Das Prinzip ist ebenso einfach wie erfolgreich: Reichenbergs Einwohner können gut erhaltene, gebrauchte Dinge im "tauschbar" abgeben oder sich ohne Einschränkung in den immer gut gefüllten Regalen bedienen. "Es muss nichts mitgebracht werden, man darf hier alles kostenlos mitnehmen", sagt Koblenz. Vor allem am Dienstag ist der Laden besonders gut besucht. Dann "werden immer sehr viele Dinge gebracht und auch viele wieder rausgetragen. Manchmal ist kaum ein Durchkommen. Die Kunden packen aber auch oft mit an", berichtet Alexandra Greser.
Ein beliebter Treffpunkt für viele in Reichenberg
Die 54-jährige Ärztin ist Teil des "tauschbar"-Teams, das in der Mehrzahl aus Frauen besteht. "Mir ist einfach der Nachhaltigkeitsgedanke sehr wichtig. Ich tue mir schwer damit, brauchbare Dinge wegzuwerfen und freue mich sehr, wenn sie einen neuen Besitzer finden", sagt sie. Der "tauschbar"-Laden hat außerdem am Donnerstag und jeden zweiten Samstag im Monat am Vormittag geöffnet. Die ehemalige Filiale der Sparkasse Mainfranken hat sich in kurzer Zeit zu einem beliebten Treffpunkt für viele Reichenbergerinnen und Reichenberger entwickelt.

Entstanden ist das Nachhaltigkeitsprojekt aus einer Hilfsaktion der Ehrenamtlichen für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Die Menschen in Reichenberg spendeten in der ersten Jahreshälfte 2022 großzügig Lebensmittel, Bekleidung und Fahrräder, die Geflüchteten konnten sich in der Wolfskeelhalle kostenlos mit allem Nötigen versorgen. Ein halbes Jahr später wurde daraus dann das "tauschbar", im Sommer 2023 erfolgte der Umzug in den rund 70 Quadratmeter großen und mitten im Ort gelegenen Laden.
Der Standort in der Bahnhofstraße hatte zur Folge, dass nach der Sturzflut Anfang August in Reichenberg das Ladenlokal und der Keller unter Wasser standen. Die Bedeutung des Projekts für den ganzen Ort und die große Hilfsbereitschaft der Reichenberger zeigte sich gleich am nächsten Vormittag: "Da standen Leute mit ihren Autos vor dem 'tauschbar' und haben Säcke mit Klamotten zum Waschen mit nach Hause genommen. Es waren sogar Menschen dabei, die selbst vom Hochwasser betroffen waren. So etwas schweißt zusammen", erzählt Marion Koblenz. Der Laden war bald trockengelegt und die Regale wieder gut gefüllt.
Das Schaufenster dient auch als schwarzes Brett
Auf Instagram und Facebook zeigt das Team regelmäßig, was das "tauschbar" im Angebot hat: Bekleidung, Schulbedarf, Glas, Porzellan, Spielzeug, kleinere Elektrogeräte, Werkzeug, Bastelartikel und vieles mehr. "Die Leute bringen alles. Auch wir Helfer haben alle schon Sachen gefunden, die wir gebrauchen konnten", sagen Koblenz und Greser.

Die Abteilung mit Elektrogeräten und Männerbekleidung wird von ihnen als "Männer-Bällebad" bezeichnet: "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Männer erst einmal gerne für sich sind und nicht beobachtet werden wollen." Weil der Platz im Laden begrenzt ist, dient das Schaufenster innen und außen zusätzlich als schwarzes Brett für Angebote und Gesuche größerer Dinge wie Betten oder Gartengeräte.
"Man kann hier etwa für die Gemeinschaft tun"
Die ehrenamtliche Arbeit im "tauschbar"-Team "ist so toll, dass sie jeder gerne macht", sagt Marion Koblenz. Sie engagiert sich, "weil man hier etwas für die Gemeinschaft tun kann und sich nicht nutzlos fühlt". Das gilt auch für andere Ehrenamtliche, deren Engagement in vielen Fällen über die eigentlichen Öffnungszeiten hinaus geht. Gewerkelt und sortiert wird im "tauschbar" nämlich an fast jedem Tag: "Man sieht hier wirklich zu den unmöglichsten Zeiten Licht."

Das Team aus Reichenberg hilft auch gerne, wenn an anderen Orten etwas gebraucht wird - zum Beispiel Kleidung für die Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft in Gerbrunn. "Dort wurden vor allem Bademäntel gebraucht, weil die Bewohner zum Duschen über den Hof gehen müssen", sagt Alexandra Greser.
Den Nachhaltigkeitsgedanken bekommen schon die Kinder aus der Kita und der Grundschule Reichenberg bei Besuchen im "tauschbar" beigebracht. Und sollten Menschen an anderen Orten Tipps und Ratschläge zur Einrichtung eines Nachhaltigkeitsladens brauchen: Das "tauschbar"-Team hilft gerne weiter. "Grundvoraussetzung ist eine Räumlichkeit und ein sozial motiviertes Team mit einem großen Herz", sagt Marion Koblenz.