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Würzburg
Der Auferstandene hat ausgedient: Wie die religiöse Bedeutung von Ostern aus unseren Bilderwelten verschwand
Postkarten zu Ostern waren wie Insta heute: Einst waren die Menschen vertraut mit christlichen Symbolen. Das hat sich dramatisch verändert, sagt Expertin Birgit Speckle.
Massenmedium Bildpostkarte: Kulturwissenschaftlerin Birgit Speckle vom Bezirk Unterfranken hat historische Postkarten mit Ostermotiven untersucht.
Foto: Silvia Gralla | Massenmedium Bildpostkarte: Kulturwissenschaftlerin Birgit Speckle vom Bezirk Unterfranken hat historische Postkarten mit Ostermotiven untersucht.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 20.04.2025 11:15 Uhr

Bildpostkarten und Fotografien sind Birgit Speckles liebste Forschungsquelle. Die promovierte Kulturwissenschaftlerin betreut beim Bezirk Unterfranken das Sachgebiet Musik, Theater und Heimatpflege. Speckle hat eine Privatsammlung von Postkarten zum Thema Ostern aus dem frühen 20. Jahrhundert untersucht und in der Zeitschrift "Schönere Heimat" des Landesvereins für Heimatpflege die erste Arbeit zum Thema überhaupt veröffentlicht. Titel: "Früher war mehr Halleluja".

Die 59-Jährige hat nachgewiesen, dass die Vertrautheit der Menschen mit biblischer Geschichte und christlichen Bräuchen vor gut 100 Jahren ungleich größer war als heute. Allerdings hat sie auch verblüffende Parallelen zwischen einst und heute entdeckt. Ein Gespräch über das Halleluja von früher - und was davon übrig blieb.

Frau Speckle, Sie zeigen, dass die Bildpostkarte um die Wende zum 20. Jahrhundert ein echtes Massenmedium war. Wer hat denn damals zu Ostern diese Karten verschickt?

Birgit Speckle: Alle haben zu Ostern geschrieben. Einfach alle. Man kann sich das durchaus vorstellen, wie mit den GIFs auf Whatsapp oder Insta heute: Da kommt was Schickes, Lustiges, Originelles. Und die Leute sagen: Das muss ich unbedingt auch verschicken! Das ging für das damalige Empfinden unfassbar schnell. Die Post kam mehrmals täglich, alles war spätestens am nächsten Tag da.

Wie ging das vonstatten?

Speckle: Es gab eine riesige Auswahl an Motiven, man musste nur zu einem Kiosk oder in einen Laden gehen, die es damals noch überall gab, ein bisschen Geld hinlegen und brauchte sich nicht, wie beim Brief, selbst was auszudenken. Die Produzenten passten sich blitzschnell an Kundenwünsche an. Auf vielen Karten stand schon "Frohe Ostern...", und man musste nur noch reinschreiben "wünscht Ihnen..." Abkürzungen gab es damals übrigens auch schon, "GSJC", zum Beispiel, "Gelobt sei Jesus Christus". "GLG" habe ich allerdings nirgends gefunden.

Das Jesuskind mit Johannes dem Täufer. Die Karte gab es 1907 in Österreich. Es ist davon auszugehen, dass Absender und Adressat wussten, wer dargestellt war.
Foto: Matthias Ettinger | Das Jesuskind mit Johannes dem Täufer. Die Karte gab es 1907 in Österreich. Es ist davon auszugehen, dass Absender und Adressat wussten, wer dargestellt war.
So viel hat sich also nicht geändert?

Speckle: Von der Mentalität her jedenfalls nicht. Man will Kontakt halten mit Menschen, die man mag, oder denen man sich verpflichtet fühlt. Und man ist froh über ein Angebot, mit dem das einfach und schnell geht. Die Produzenten waren alle international aufgestellt, die Aufdrucke erschienen in verschiedenen Sprachen, zum Beispiel in der gesamten Donaumonarchie.

Weiß man, wie hoch die Auflagen waren? 

Speckle: Darüber ist leider nichts bekannt. Schon über die Verlage wissen wir sehr wenig. Was wir wissen: Die Karten, auf die ja meist noch Glimmer, Stoffstückchen aus Atlas oder Satin oder Moose geklebt wurden, entstanden in prekärer Heimarbeit, meist in Kinderarbeit, bei miserablem Lohn. Übrigens auch hier eine Parallele: Unsere heutigen elektronischen Endgeräte enthalten Seltene Erden, die in den Herkunftsländern unter schrecklichen Bedingungen geschürft werden. Und der Elektronikmüll landet auch nicht vor unseren Haustüren.

Wie sind die aufwändiger gestalteten Karten heil ans Ziel gelangt?

Speckle: Die wurden in Umschlägen verschickt. Nur die mit Glimmer nicht. Das wurde irgendwann verboten, weil es Beschwerden aus den Postämtern gab. Die Postangestellten standen knöcheltief in Glimmer, der sich gelöst hatte. Da hieß es dann: So geht's nicht mehr! Auch Glimmer muss im Umschlag verschickt werden!

Auf den Karten sieht man Jesus in allen möglichen Kontexten - zum Beispiel mit Gießkanne. Sie zeigen, dass das auf eine Bibelstelle zurückgeht: Maria Magdalena hielt den Auferstandenen zunächst für einen Gärtner. Haben die Menschen das damals verstanden?

Speckle: Das darf man voraussetzen. Vor allem in den ländlichen Gebieten. Es gab ja auch noch die Sonntagsschule, in der man den Katechismus gelernt hat. Darstellungen von Jesus als Gärtner gehen übrigens weit zurück bis ins 13. Jahrhundert. In der Burkarderkirche in Würzburg können Sie ein Relief aus dieser Zeit sehen. Auf der Postkarte steht Jesus dann ganz biedermeierlich zwischen Malven in einem Bauerngarten und hat eine Gießkanne mit goldgesprenkeltem Rand in der Hand. Da konnte man sich Jesus im eigenen Hausgarten vorstellen.

Jesus mit Gießkanne. Selbst diese Szene hat biblischen Hintergrund: Als Maria Magdalena zum Grab Jesu kam, hielt sie den Auferstandenen zunächst für einen Gärtner.
Foto: Matthias Ettinger | Jesus mit Gießkanne. Selbst diese Szene hat biblischen Hintergrund: Als Maria Magdalena zum Grab Jesu kam, hielt sie den Auferstandenen zunächst für einen Gärtner.
Jesus als Sämann. Die Szene auf dieser Karte, die 1902 verschickt wurde, bezieht sich auf das Markus-Evangelium: Es geht um den Samen, der auf unterschiedliche Böden fällt.
Foto: Matthias Ettinger | Jesus als Sämann. Die Szene auf dieser Karte, die 1902 verschickt wurde, bezieht sich auf das Markus-Evangelium: Es geht um den Samen, der auf unterschiedliche Böden fällt.
Das Osterlamm steht für Jesus Christus. Landschaft und Dorf auf dieser Karte, die 1902 lief, sind bewusst so gestaltet, dass Menschen an vielen Orten darin ihre Heimat erkennen konnten.
Foto: Matthias Ettinger | Das Osterlamm steht für Jesus Christus. Landschaft und Dorf auf dieser Karte, die 1902 lief, sind bewusst so gestaltet, dass Menschen an vielen Orten darin ihre Heimat erkennen konnten.
Wie wäre das heute?

Speckle: Diese gute Kenntnis zu Details der christlichen Ikonografie ist heute in weiten Teilen der Bevölkerung nicht mehr vorhanden. Das hat bereits in den 1960er, 1970er Jahren begonnen. Christus als guter Hirte oder als Erlöser, das sind heute weniger bekannte Darstellungen. Oder das Motiv, dass Jesus an die Tür klopft. Das kommt aus dem protestantischen Bereich und bedeutet: "Lass mich in dein Herz!" Auch die Legende, dass die Glocken in der Karwoche schweigen, weil sie in Rom sind, um vom Papst gesegnet zu werden, ist nicht mehr flächendeckend bekannt.

Wer's kunstgeschichtlich etwas anspruchsvoller wollte, griff auf Motive wie dieses zurück, das an Leonardo da Vincis letztes Abendmahl angelehnt ist. 
Foto: Matthias Ettinger | Wer's kunstgeschichtlich etwas anspruchsvoller wollte, griff auf Motive wie dieses zurück, das an Leonardo da Vincis letztes Abendmahl angelehnt ist. 
Das heißt, ohne Anleitung sind diese Karten heute für viele Menschen so exotisch wie eine fernöstliche Religion?

Speckle: Genau darin liegt eine Vermittlungsaufgabe der Heimatpflege - man kann nur Bedeutungen erkennen, über die man Bescheid weiß. Kurios ist übrigens auch eine Karte, die quasi beide großen Feste abdeckt. Man konnte sie, mit verschiedenen Eindrucken, zu Ostern und zu Weihnachten verkaufen. Tatsächlich hat das Motiv einen zweifachen heilsgeschichtlichen Hintergrund: Das Jesuskind sitzt auf der Krippe, hält aber bereits die Dornenkrone in der Hand, die auf den Kreuzestod Jesu und seine Auferstehung verweist.

Viele der Karten kommen uns heute ziemlich schrill vor, auf jeden Fall aber kitschig. Wie haben das die Menschen damals gesehen, war beim Verschicken auch in bisschen Ironie dabei?

Speckle: Dazu gibt es keine Äußerungen. Das alte Problem der Forschung in der Kulturgeschichte: Wer redet schon über Sachen, die so selbstverständlich sind? Bei den Beschriftungen gibt es keine Spuren von Ironie. Und Zwinkersmileys gab es eben noch nicht. Man kann aber mit ziemlicher Sicherheit sagen: Menschen aus der bildungsbürgerlichen Schicht fanden die Sachen damals schon kitschig. Die haben eben zu anderen Motiven gegriffen. Das Angebot war ja riesig, übrigens weit über religiöse Motive hinaus.

Neben der Siegesfahne als Zeichen der Auferstehungshoffnung hat der Verlag auf dieser im Jahr 1905 verschickten Karte noch Hinweise auf das weltliche Osterfest untergebracht: Ei und Küken.
Foto: Matthias Ettinger | Neben der Siegesfahne als Zeichen der Auferstehungshoffnung hat der Verlag auf dieser im Jahr 1905 verschickten Karte noch Hinweise auf das weltliche Osterfest untergebracht: Ei und Küken.
Auf viele Karten wurden Glimmer, Stoffstückchen aus Atlas oder Satin oder Moose geklebt. Das geschah in prekärer Heimarbeit, meist in Kinderarbeit, bei miserablem Lohn.
Foto: Matthias Ettinger | Auf viele Karten wurden Glimmer, Stoffstückchen aus Atlas oder Satin oder Moose geklebt. Das geschah in prekärer Heimarbeit, meist in Kinderarbeit, bei miserablem Lohn.
Welche Motive symbolisieren denn heute Ostern für die Menschen? Die christlichen scheinen ja völlig verschwunden zu sein.

Speckle: Das sind allenfalls noch abstrahierte Schutzengel. Ansonsten Hasen und Eier. Aber Motive mit der Auferstehung des Herrn, die das christliche Fest überhaupt erst begründet, sind in der populären Bildsprache vollkommen aus dem Blick geraten.

Ist das mit Weihnachten genauso, oder sind da noch Reste von Wissen da?

Speckle: Weihnachten ist ganz anders, und das hat einen guten Grund - die Krippen. Die stehen immer noch in vielen Wohnzimmern. Und da ist eben die Geburt Jesu dargestellt.

 
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  • Martin Dobat
    Jesus ist der Sieger, der Auferstandene ist der König aller Könige - lasst Euch nicht täuschen!
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  • Hartmut Haas-Hyronimus
    Die ganze christliche Symbolik hat sich ja auch schon sehr früh verändert. Das Symbol der Christen in der Urkirche war ja eigentlich das Christusmonogramm ☧, also die griechischen Anfangsbuchstaben Chi und rho von Christus.
    Mit der Symbolik des Kreuzes wurden dann eher die germanischen Heiden bedient, die da wohl an den aufgehängten Wodan dachten, ebenso weil die Begriffe Kreuz und Galgen ja auch austauschbar waren. Dazu das Fest der Frühlingsgöttin Ostara zur gleichen Zeit, zusätzlich noch mit den Fruchtbarkeitssymbolen Hase und Eiern.
    Es gäbe also anderes, über das man sich mehr aufregen könnte - z.B., wofür die Bezeichnung "christlich" heute missbraucht wird.
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