Während Russlands Präsident Wladimir Putin seinen Angriffskrieg auf die Ukraine weiterhin fortführt, sorgte am Sonntagmittag ein Autokorso in Würzburg für Aufsehen. Rund 170 Fahrzeuge sind nach Angaben der Polizei hupend und mit Russlandflaggen durch die Stadt gefahren. Der Korso war laut Stadt Würzburg mit dem Titel "Demo gegen Diskriminierung gegen Russlanddeutsche" angemeldet worden.
Organsiert hatte die Autodemo Olesia Dolzhenko. Die 33-Jährige wohnt am Würzburger Heuchelhof und lebt seit acht Jahren in Würzburg. Dort gibt es eine Gruppe mit Russlanddeutschen, die aus Kasachstan, Kirkisistan, Russland oder der Ukraine kommen - und alle die gleiche Sprache sprechen, erzählt sie. Hier sei die Idee für den Autokorso entstanden. Er sollte ein Zeichen gegen die Diskriminierung von Russlanddeutschen sein, sagt sie.
Viele Menschen seien "von auswärts" zum Korso gekommen
Denn seit Kriegsausbruch gebe es viele Betroffene, die diskriminiert würden. Sie berichtet von Kindern, die in der Schule als "Agressor" oder "Nazis" bezeichnet werden. "Die Kinder aber haben nichts zu tun mit dem Krieg in der Ukraine", fügt die Frau hinzu, die mit einem Russlanddeutschen verheiratet ist und vor acht Jahren nach Würzburg kam. Ihr sei auch bekannt, dass ein Arbeitgeber einer Frau gekündigt habe, weil sie Russin sei. "Das hat er ihr ins Gesicht gesagt." Mittlerweile habe er die Kündigung aber wieder zurückgezogen, weil ein Rechtsanwalt eingeschaltet worden sei, fügt sie hinzu.
Schnell habe sich in den sozialen Medien und im Internet verbreitet, dass in Würzburg ein Autokorso stattfinde. "Viele sind deshalb von auswärts gekommen", sagt Dolzhenko. "Eingeladen hatten wir sie nicht." In der Folge war der Konvoi wesentlich größer geworden als geplant: Es beteiligten sich 170 Autos - statt wie angemeldet 35.
Gestartet sind die Fahrzeuge im Stadtteil Heuchelhof, über die Y-Spange ging es es bis nach Lengfeld und wieder zurück. In der ganzen Stadt sorgte der Konvoi für Aufsehen.
Doch ist eine dermaßen große Überschreitung der angemeldeten Teilnehmerzahl überhaupt rechtens? "Das Grundgesetz hängt die Versammlungsfreiheit hoch. Dass die Größenordnung gesprengt wurde, reicht nicht, um den Korso zu verbieten", teilt Martin Meilhammer, Pressesprecher der Polizeiinspektion Würzburg-Stadt, auf Anfrage der Redaktion mit. Da es zu keinen größeren Vorkommnissen kam und von Seiten der Polizei keinerlei Sicherheitsbedenken gab, durfte der Korso starten. Auch Stadtsprecher Georg Wagenbrenner berichtet, dass es sich bei den 35 Fahrzeugen um keine verbindliche Zahl gehandelt habe.
Keine einzige ukrainische Flagge war zu sehen
War der Konvoi, bei dem viele russische Fahnen, manchmal auch die der ehemaligen Sowjetunion oder eine russische Marineflagge und etliche Nationalfahnen Kasachstans zu sehen waren, wirklich eine Demonstration gegen die Diskriminierung Russlanddeutscher? Oder doch ein pro-russischer Autokorso? Denn keine einzige ukrainische Flagge war zu sehen.
"Uns alle verbindet die gemeinsame Sprache. Viele sind in der ehemaligen Sowjetunion aufgewachsen", sagt Dolzhenko. Ist sie auch gegen den Krieg in der Ukraine? "Ich bin dagegen, dass Menschen getötet werden, egal wo", sagt sie und fügt hinzu: "Ja, ich bin auch gegen den Krieg." Aber sie möchte "neutral" bleiben und sich auf keine Seite schlagen. "Ich kann nicht sagen, die einen sind Schuld daran oder die anderen. Ich bin keine Richterin." Dabei steht fest, dass der Einmarsch des russischen Militärs in der Ukraine völkerrechtswidrig ist, weil Putins Truppen die Souveränität und die Integrität der Ukraine durch den Angriffskrieg verletzt haben.
Stadträtin Christiane Kerner hatte von Konvoi abgeraten
"Mir hat das Vorhaben von vornherein Bauchschmerzen bereitet", sagt Christiane Kerner, Stadträtin und Vorsitzende des Bürgervereins Heuchelhof. Sie ist gut vernetzt im Stadtteil, hatte im Vorfeld vom geplanten Korso erfahren. "Ich habe den Organisatoren davon abgeraten", sagt sie. Auch wenn sie verstehe, dass es für viele Russlanddeutsche derzeit belastend ist, als "die bösen Russen" zu gelten - "ein Korso mit vielen Flaggen und lautem Hupen erweckt derzeit einfach einen bedrohlichen Eindruck."
Die Stimmung am Heuchelhof vor dem Hintergrund des Angriffskriegs beschreibt sie als angespannt. "Ich versuche zu vermitteln, wo es nur geht. Jeden Tag frage ich mich derzeit: Wie soll es weiter gehen in meinem Stadtteil?" Sie spricht von Mischehen, in denen es auf einmal politisch wird, russischen Kindern, die in der Schule gemobbt werden - aber auch von einer russischen Kultur, in der wenig bis gar nicht über Politik gesprochen, sondern das Geschehene verdrängt wird.
Dennoch möchte Kerner vor allem eines aus ihrem Stadtteil hervorheben: "Ich bin stolz, zu sehen, wie schnell und deutlich wir am Heuchelhof auch positive Signale senden können." Sie spielt auf das spontan einberufene Friedensgebet an der Gethsemanekirche an, nachdem die Kirche an mehreren Stellen mit dem Z, dem Zeichen der russischen Streitkräfte, beschmiert wurde.
Zum Friedensgebet war auch Olesia Dolzhenko nach dem Autokonvoi gekommen. "Wir haben nichts zu tun mit diesem Vandalismus", sagt sie. Und möchte jetzt zusammen mit anderen aus der Gruppe der Russlandsprachigen diese Kriegssymbole wieder "wegputzen".
Ich denke diese Vorstellung hilft ganz gut das Ansinnen und die Argumentation dieser Russen zu verstehen …
auch Russlanddeutsche dürfen nicht diskriminiert werde. Es reicht aber nicht aus, nur gegen das „Töten von Menschen“ und gegen „einen Krieg“ zu sein und neutral bleiben zu wollen. Herr Putin hat schon mehrmals völkerrechtswidrig einen Krieg begonnen, Menschen in England und Deutschland auf offener Straße ermorden lassen. Da darf man nicht unparteiisch, neutral oder „Freund“ bleiben. Das mindeste ist, dass man Farbe bekennt und Unrecht beim Namen benennt, wenn man das Westliche Werte- und Wohlstandssystem genießt.
Liege ich da falsch?
Zu dem Angriffskrieg in der Ukraine kann ich Partei für die Ukraine ergreifen, für Russland sein oder mich neutral verhalten.
Bin ich für die Ukraine, schwenke ich eine blau-gelbe Flagge, bin ich neutral schwenke ich keine oder eine Friedensfahne, bin ich für Russland wedle ich mit dem russischen Banner.
Alles andere ist unlogisch und dumm.
Demnach hatten wir es mit einer prorussischen Demonstration zu tun. Jede andere Interpretation ist bestenfalls naiv, aber eher scheinheilig, perfide und verlogen.
Russland freut sich sicher über solche Patrioten.
Ich gehe fest davon aus, dass der Verfassungsschutz ein wachsames Auge auf Russlands Hobbyagenten hat.
Den Moskauer Ring sollte die Stadt fix in Kiewer Ring umbenennen.
Russlandfahnen in diesen Zeiten wehen zu lassen ist ein Schlag ins Gesicht all derjenigen die gerade unter diesem Krieg leiden müssen. Dieser Korso war unerträglich und erweckt bei der übrigen Bevölkerung genau das Gegenteil der vorgeblichen Ziele dieser Veranstaltung.
Dann stellen sich für mich gleich mehrere Fragen:
1) Warum sprechen nicht weniger dieser "Deutschen" heute immer noch kaum ein Wort deutsch?
2) Wer sich als Russlanddeutscher hier diskriminiert fühlt, sollte sich mal fragen, wie es mit seiner eigenen, persönlichen Integrationsfähigkeit und vor allem Integrationswilligkeit steht?
3) Wer es noch kann (es dürften nicht mehr viele sein) soll sich mal mit seiner Eltern- oder besser noch Großelterngeneration unterhalten. Russlanddeutsche lebten bis zum Einmarsch Hitlers in die SU in der sogenannten Wolgarepublik, friedlich und mit ihrer Kultur und Sprache. Ab Kriegsbeginn wurde die Sprache verboten, viele nach Sibirien etc. deportiert, in Lager gesteckt, Zwangsarbeit - usw. DAS war Diskriminierung - von RUSSEN!
Das führte dann halt teilweise zur freiwilligen Ghettobildung wie am Heuchelhof (den kenne ich persönlich). In Dörfern und Kleinstädten schaut es besser aus mit der Integration.
Außerdem ist das nicht die Frage - sondern es geht darum, dass hier von Diskriminierung der Russland-Deutschen die Rede ist, gegen die hier angeblich protestiert werden soll! - und dann jubeln diese Menschen einem Staat zu, der sie bzw. ihre Vorfahren über Jahrzehnte massiv diskriminiert und verfolg hat!
Da fehlt jedes Bewusstsein für Geschichte und historische Zusammenhänge!
Wenn man einem Kriegsverbrecher huldigt, einem Despoten, der geltendes Recht mit Füßen tritt (Versammlungsfreiheit ist in der russischen Verfassung garantiert), der sein Staatsvolk und den Rest der Welt belügt, der Verträge bricht (der Ukraine wurde vertraglich die Integrität ihres Staatsgebiets garantiert (gegen Rückgabe der Atomwaffen)), der schon alleine durch einen Angriffskrieg auf einen souveränen Staat ein Kriegsverbrechen begeht, der gezielt Zivilisten und besonders geschützte Einrichtungen wie Krankenhäuser bombardieren lässt, ist gemäß Haager Landkriegsordnung ein Kriegsverbrecher und muss zwingen angeklagt werden.
Wie kann man all das richtig finden und einem solchen Menschen huldigen!
Niemand hat Euch gerufen! Packt Eure Koffer und geht, macht Eure Wohnungen frei - für das vertriebene ukrainisches Brudervolk!
Eines hat die Heuchelhof-Gang und ihre angereisten Fans doch tatsächlich erreicht: Kommentatoren, die sich sonst spinnefeind sind, sind einmal, ein einziges Mal, einer Meinung!
Wer mir an dieser Stelle wirklich leid tut sind sie anständigen Russen, die es nämlich auch noch gibt. Die werden oft mit diesen hirnlosen Kriegshetzern in einen Topf geworfen - und das ist wirklich schade und unfair.
Es ist so einfach, aus einem Land mit einem Despoten zu fliehen und dann aus der Ferne für ihn zu demonstrieren. Da darf man sich aber nicht wundern, wenn ein solches Verhalten nicht jedem passt und Reaktionen folgen.
Das ist keine Demo gegen den Krieg, das war eine Sympathiekundgebung.
Ein russisches Militärfahrzeug mit der Flagge der nicht mehr existierenden UdSSR, die ja immer für Unterdrückung und Gewalt gegen die eigene Bevölkerung stand, und zusätzlich mit der russischen Flagge? Geht's noch?
Hätten die signalisiert, dass sie alle aus dem Bereich der ehemaligen UdSSR stammen, und der Ukraine beistehen wollen, wäre das ein anderes Signal gewesen. Denn auch ich habe die vielen Übergriffe auf Menschen aus dieser Region bisher massiv verurteilt. Hier sprechen viele Menschen russisch, auch wenn sie nie Russen waren.
Doch das war offensichtlich eine deutliche Demonstration für Putin, ähnlich wie wir sie schon bei Demos für Erdogan in Deutschland sehen mussten.
Wie es aussieht, findet diese ideologische Debatte, gegen meine bisherige Vermutung, doch auch bei uns statt. Dann frage ich mich jedoch, warum diese Menschen denn zu uns gekommen sind, wenn sie für die Diktatoren ihrer Heimatländer bei uns auf die Straße gehen?