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WÜRZBURG/BIEBELRIED
Das Problem der fehlenden Rettungsgassen
Der schreckliche Unfall auf der A 9 bei Münchberg hat gezeigt, wie lebenswichtig die Bildung einer Rettungsgasse ist. Doch Autofahrer im Stau reagieren oft falsch, klagen Experten.
Unser Unfall-Fotograf Berthold Diem beobachtet häufig, dass Autofahrer (hier bei Würzburg-West) Rettungsgassen blockieren.
Foto: Berthold Diem | Unser Unfall-Fotograf Berthold Diem beobachtet häufig, dass Autofahrer (hier bei Würzburg-West) Rettungsgassen blockieren.
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:53 Uhr

Vertreter des ADAC Nordbayern und der Verkehrspolizeiinspektion Biebelried nehmen den schrecklichen Unfall auf der A 9 bei Münchberg in Oberfranken zum Anlass, um Autofahrern die Notwendigkeit der Bildung einer Rettungsgasse nahezubringen.

Autofahrer seien in dieser Disziplin nicht so geübt wie sie es sein sollten, sagt Klaus Böhm, der Leiter der Verkehrspolizeiinspektion Biebelried. Seine Inspektion ist zuständig für die A 3 von Marktheidenfeld bis zum Rasthof Steigerwald in Oberfranken und für die A 7 von Gollhofen bis Gramschatz. „Dass wir wegen des Fehlens einer Rettungsgasse mit den Einsatzfahrzeugen nicht zu einem Unfallort durchkommen, das ist regelmäßig für uns ein Problem. Mindestens einmal pro Woche“, sagt Böhm.

Erst am Dienstag wieder – also gerade mal einen Tag nach dem Busunglück, bei dem die Rettungsgasse zu spät gebildet wurde – zeigten sich nach Böhms Worten Autofahrer auf der A 3 unwillig, eine Rettungsgasse zu bilden. Gegen 15.

15 Uhr war auf der A 3 Richtung Frankfurt ein Unfall passiert; bei Schlüsselfeld war der Fahrer eines Sattelzugs auf den Lkw vor ihm aufgefahren, der seinerseits ein Gespann und einen anderen Sattelzug rammte. Die Polizei sei relativ schnell an der Unfallstelle gewesen, berichtet Böhm, die Abschleppfahrzeuge seien von den Autofahrern aber erst nicht durchgelassen worden. Mit Blaulicht hätten seine Beamten diese Fahrzeuge durch den Stau eskortieren müssen.

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Wenige Minuten können entscheidend sein

In diesem Fall seien zwei Lkw-Fahrer nur leicht verletzt worden, um Leben und Tod sei es nicht gegangen, so Böhm. Aber es kann eben bei jedem Unfall um Leben und Tod gehen – und wenige Minuten können entscheidend sein.

Deshalb appelliert Böhm an alle Autofahrer, bei jedem Stau vernünftig zu handeln. „Eine Rettungsgasse bilden! Auch im Stau Abstand zum Vordermann halten, mindestens zwei Autolängen! Und die Rettungsgasse aufrecht halten!“, bittet Böhm. Manchmal würden Autofahrer die Rettungsgasse wieder schließen, nachdem der erste Rettungswagen durchgefahren sei. Das sei kontraproduktiv und koste Zeit.

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Aber sollen Autofahrer denn wirklich bei jedem kleinen Stau so reagieren? „Unbedingt“, empfiehlt auch Jürgen Walter, Verkehrsexperte beim ADAC Nordbayern. Wenn der Vordermann mit Warnblinken auf einen Stau aufmerksam mache, wisse ja niemand, ob es sich um eine kurze Stockung oder einen schlimmen Unfall handele. „Bequemlichkeit ist kein Argument; es geht um Menschenleben“, sagt Walter.

Seitenstreifen nach wie vor eine Standspur

Auf die Frage, warum denn die Rettungskräfte unbedingt eine Rettungsgasse bräuchten und nicht einfach über den Seitenstreifen zum Unfallort fahren könnten, reagiert der Verkehrsexperte konsterniert: Auch wenn heutzutage nicht mehr so viele Fahrzeuge wie in den Siebzigern liegen blieben, sei der Seitenstreifen dennoch eine Standspur – dort könnten havarierte Fahrzeuge stehen, an denen Einsatzfahrzeuge nicht vorbeikämen.

Außerdem sei die Breite der Seitenstreifen nicht einheitlich; bei manchen Autobahnen seien sie nicht durchgängig vorhanden oder zu schmal. In der Praxis allerdings müssen laut Polizei Einsatzfahrzeuge öfter mal auf den Seitenstreifen ausweichen, weil auf den regulären Fahrspuren kein Durchkommen ist.

Rettungsgasse darf keine Sackgasse sein

Die Freien Wähler wollen am Donnerstag im Plenum des Bayerischen Landtags einen Dringlichkeitsantrag einbringen, der dafür sorgen soll, dass das Bewusstsein der Autofahrer zur Bildung von Rettungsgassen gestärkt wird. „Die Rettungsgasse darf keine Sackgasse für die Rettung sein!“, fordern sie und wollen „mit Prävention und Fahrverbot“ die Wege öffnen.

Die Bayerische Staatsregierung soll sich nach dem Willen der Freien Wähler auf Bundesebene dafür einsetzen, dass Autofahrer, die sich der Rettungsgasse verweigern, ein deutlich höheres Bußgeld als bisher bezahlen müssen oder ein Fahrverbot bekommen. Derzeit sind – laut einem Bericht von faz.net vom März – für Blockierer von Rettungsgassen Geldstrafen von 20 Euro an der Tagesordnung.

Eine deutliche Erhöhung der Strafen für Rettungsgassen-Blockierer hält auch ADAC-Verkehrsexperte Walter für richtig. „Bisher sind die Strafen viel zu gering. Das wird sich erst ändern, wenn die Strafen den Blockieren richtig wehtun!“

 
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Kommentare
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  • A. F.
    Ich weiß gar nicht, warum hier über die Blödheit etlicher Autofahrer diskutiert wird!?

    Es ist das kleine Einmaleins, auf mehrspurigen Straßen bei Stau oder stockenden Verkehr eine Rettungsgasse zu bilden.

    Lernt jeder in der Fahrschule!

    Und wer dies nicht tut, soll zur Kasse gebeten werden!

    In Österreich, dass die Rettungsgasse erst vor ein paar Jahren eingeführt hat, kann der Verstoß bis zu über 2000 Euro kosten!

    Dieses Bußgeld sollte man auch bei uns sofort einführen!

    Da lach ich doch ´nen Ast ab, wenn der Dobrindet von einer Verzehnfachung der Strafe schwurfelt (von 20 Euro auf 200 Euro)

    Ergänzend sei aber auch noch anzumerken, dass nicht in allen Ländern eine Rettungsgasse Pflicht ist. Deshalb blendet man auf den LED-Tafeln auf den Autobahnen in Österreich, die für Verkehrshinweise aufgestellt worden sind, auch den Hinweis ein, dass bei Staus eine Rettungsgasse zu bilden ist. Und das in Deutsch und Englisch!
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  • J. H.
    Eigentlich müsste bereits bei einem Stau, ob Unfall oder nicht, das Bußgeld verhängt werden. Aber nach dem Einkommen desjenigen. Und kein fixer Betrag, egal ob arm oder reich.
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  • J. H.
    Was nutzen höhere Strafen, wenn sie dann selten bis gar nicht verhängt werden. Da fehlt bis jetzt noch das konsequente Handeln bei der Exekutive. Denn: Wo kein Kläger, auch kein Richter.
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  • J. S.
    Wahrscheinlich, weil sich für ein 20€ Knöllchen der ganze Aufwand nicht lohnt.
    Bei 1.000€ und Fahrverbot würde das schon anders aussehen.
    Ich wäre dafür!
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