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Würzburg
Das Prachtschloss als Arbeitsplatz: Menschen in der Residenz
Der Gärtner, der Hausmeister, die Restauratorin und die Gästeführerin: Ein Besuch bei Menschen, die im Weltkulturerbe Residenz arbeiten. Was ist ihr Lieblingsplatz?
Die Chefin des Besucherdienstes Susanne Streichfuß führt Gäste durch den Kaisersaal in der Residenz in Würzburg.
Foto: Daniel Peter | Die Chefin des Besucherdienstes Susanne Streichfuß führt Gäste durch den Kaisersaal in der Residenz in Würzburg.
Manuela Göbel
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:08 Uhr

Die Bayerische Schlösserverwaltung feiert ihr 100-jähriges Bestehen im November mit einem Festprogramm. Dabei stehen nicht die von der Behörde verwalteten Gebäude im Vordergrund, sondern die Menschen, die daran arbeiten, dass die 45 großen Schlösser, Burgen, Residenzen sowie die 27 Gartendenkmäler erhalten und besucht werden können.

Wie die Pressestelle der staatlichen Schlösserverwaltung in München mitteilt, gibt es zum Jubiläum inganz Bayern Führungen und Vorträge, mit denen Mitarbeiter – Gärtner, Kastellane, Restauratoren - ihre Arbeit präsentieren.

Restauratorin Vogt kümmert sich um die Ausstattung

In der Würzburger Residenz führt Restauratorin Sabine Vogt durch die Geschichte der Lüster im Kaisersaal. Die 50-Jährige kümmert sich im Weltkulturerbe Residenz um die Ausstattung.  "Wenn man hier mit einem feuchten Tuch drüber wischt, geht die Vergoldung mit ab", erklärt die studierte Kunsthistorikerin. Per Staubsauger entfernt sie den Staub vom  Tischbein, das mit einer  Sechszehntel Millimeter dünnen Schicht Gold belegt ist. Mit einem feinen Ziegenhaarpinsel reinigt sie die Vertiefungen.  

Wenn eine Krähe im Kaisersaal Flecken macht

Neben Pflege und Instandsetzung von Möbeln, Stuckaturen und Gemälden leistet die gelernte Vergolderin im Notfall auch Soforthilfe. Zum Beispiel als im Sommer eine Krähe durch den Schornstein in den Kaisersaal fiel und auf ein Ölgemälde kleckerte. Mit destilliertem Wasser und einem Tuch bekam Vogt den Fleck weg.

Kleinere Reparaturen führt sie in ihrer Werkstatt im Hofgarten durch, größere Aufträge werden an Firmen vergeben. Für knapp zehn Millionen Euro wurden in den vergangenen 20 Jahren Weißer Saal,  Kaiser- und Gartensaal sowie Treppenhaus und Hofkirche renoviert.  

Restauratorin Vogt kümmert sich aber auch um die Stücke, die Besucher nicht sehen. Seit 17 Jahren ist sie im Haus und seitdem inventarisiert sie die riesigen Depots der Residenz. Dort lagern ganze Öfen,  liturgische Gewänder,  400 Stühle... "Wir finden immer wieder Stücke, von denen wir gar nicht wussten, dass sie da sind."      

Teppiche sind älter als die Residenz

Sabine Vogt schwärmt von Handwerkskunst und der Einmaligkeit der ihr anvertrauten Objekte. "Das sind Einzelstücke, die es nur hier noch gibt." Sie zeigt auf einen Wandteppich, der älter als die Residenz ist. Er wurde von den Fürstbischöfen beim Umzug von der Festung mitgebracht. Gar nicht verstehen kann die Restauratorin deshalb, wenn Besucher in Ausstellungsräumen an solchen Stücken herumzupfen. "Das schadet den empfindlichen Textilien."   

Das Denkmal in seiner Wertigkeit für die Nachwelt zu erhalten, wollen alle 80 Mitarbeiter im Weltkulturerbe. Alle, mit denen die Redaktion gesprochen hat, identifizieren sich mit "ihrer" Residenz. Von der Reinigungskraft, der als erstes auffällt, wenn die ausgelaufene Wasserflasche eines Besuchers eine Pfütze auf dem Parkett hinter lässt, bis zum Herr des Hauses. 

Steinfiguren abbrechen, Wände bekritzeln

Gerhard Weiler ist seit 25  Jahren Chef der Würzburger Schlösserverwaltung. Er ist geübt im Spagat zwischen  größtmöglicher Öffnung des Denkmals und seinem Schutz. "Wir können hier Veranstaltungen abhalten, aber die müssen exklusiv bleiben", erklärt Weiler. Denn der Status Weltkulturerbe bedeute eben, dass der Schutz des Denkmals Residenz hohe Priorität hat.            

"Dass in den Räumen nichts gegessen werden darf, wollen manche nicht einsehen."
Susanne Streichfuß, Abteilungsleiterin des Führungsteams

Susanne Streichfuß erlebt diesen Spagat täglich. Die Abteilungsleiterin des Führungsteams weiß, wie uneinsichtig sich manche Besucher benehmen. "Es wird an die Wand gekritzelt oder es werden  Steinfiguren beschädigt", schildert sie extreme Fälle. Sie hält eigene Führungen und koordiniert den Einsatz der 25 Festangestellten und 12 Saisonkräfte, die von April bis Oktober mithelfen, täglich bis 2800 Menschen durch die Räume zu führen.

Restauratorin Sabine Vogt reinigt in einem prunkvollen Schlafzimmer der Residenz in Würzburg einen historischen Kristall-Kronleuchter.
Foto: Daniel Peter | Restauratorin Sabine Vogt reinigt in einem prunkvollen Schlafzimmer der Residenz in Würzburg einen historischen Kristall-Kronleuchter.

Einige der jährlich rund 350 000 Besucher wüssten nicht mehr, wie man sich in einem Museum benimmt. Gleichzeitig seien Besucher mit den Jahren immer anspruchsvoller und forscher geworden. "Dass in den Räumen nichts gegessen werden darf, wollen manche nicht einsehen."    

80 Prozent sind nette Gäste

Trotzdem hat die 50-Jährige auch nach 22 Jahren in der Residenz immer noch viel Spaß an ihrer Arbeit. Das liegt zum einen an "den 80 Prozent" netter Gäste. "Wenn eine Gruppe still wird und zu staunen anfängt, wenn man es schafft, dass sie anbeißt, das ist schon toll."    

Zweitens liebt sie ihren Arbeitsplatz. Auf die Frage nach ihrem Lieblingsplatz gibt Susanne Streitfuß viele Antworten. Sie schwärmt vom morgendlichen Licht im Kaisersaal, der überwältigenden Größe des Treppenhauses, dem silbern gehaltenen Ingelheimzimmer . . .      

"Die Luke im Dach, von wo aus die Fahne eingezogen wird", schätzt Christian Goblisch. "Denn der Blick von hier oben über die Stadt ist toll." Aber auch der Hausmeister und -techniker hat mehrere Lieblingsplätze.  

"Die 300 Jahre Geschichte spürt man in jedem Winkel."
Christian Goblisch, Hausmeister und -techniker

Der gelernte Elektriker ist zusammen mit einem Kollegen für den Schließdienst, Auf- und Abbau bei Veranstaltungen und für kleinere Reparaturen zuständig. Für größere Sanierungen kommen Fachfirmen ins Haus. Zwischen 400.000 und 500.000 Euro werden jährlich in den Bauunterhalt gesteckt.  

Hausmeister Christian Goblisch prüft in einer Küche neben dem Gartensaal der Residenz in Würzburg die Glühlampen eines großen Kronleuchters.
Foto: Daniel Peter | Hausmeister Christian Goblisch prüft in einer Küche neben dem Gartensaal der Residenz in Würzburg die Glühlampen eines großen Kronleuchters.

Der Hausmeister legt bis zu 15 Kilometer täglich zurück

"Viel Kleinkram, vom Entlüften der Heizkörper bis zur Befestigung lockerer Steckdosen", beschreibt Goblisch seinen Arbeitsalltag.  Seit einem Jahr ist er im Haus. In allen 300 Räumen der Residenz war er aber noch nicht. Obwohl er zwischen zehn und fünfzehn Kilometer täglich im rund 100 Meter tiefen und 180 Meter langen Gebäude zurücklegt. Zur Vorbereitung der Residenznacht sind es auch mal knapp 30 Kilometer täglich.   

Der Würzburger Goblisch fand die Residenz schon als Schulkind faszinierend. Dass sie jetzt sein Arbeitsplatz ist, freut ihn jeden Tag aufs Neue. "Die 300 Jahre Geschichte spürt man in jedem Winkel." 

Drei Gewächshäuser und gut neun Hektar Park sind das Reich von Gerald Schreier.  Der gelernte Zierpflanzenbauer ist im Hofgarten Allrounder, der sich mit der Anzucht von Blumen und Gemüse für die Beete, dem Schneiden der Sträucher sowie der Pflege von Bäumen und Kübelpflanzen gut auskennt.

Blick auf das Hauptgebäude der Residenz mit den großen Bäumen im Hofgarten.
Foto: Daniel Peter | Blick auf das Hauptgebäude der Residenz mit den großen Bäumen im Hofgarten.

"Lustgärtner bin ich auch", sagt der 53-Jährige. Denn die Kunst, einen Garten zum Lustwandeln zu schaffen, gehört auch zu den Tätigkeiten des Meisters und seiner 21 Mitarbeiter. So hat man zum Beispiel durch aufwändiges Schneiden im Küchengarten Apfelbäume in dreidimensionalen Spalieren zu Kessel- und Kegelkronen wachsen lassen - historische Formen, die in der Barockzeit im Schlossgarten wuchsen.        

Großbäume im französischen Garten

Das Ziel, den Hofgarten möglichst historisch wachsen zu lassen, steht über allem. Das geht vom Wechselflor in den Beeten, der möglichst aus Blumen zusammengesetzt ist, die im 18. Jahrhundert in Deutschland bekannt waren, bis zu den fast 200 Jahre alten Einzelbäumen, die nicht ersetzt werden, wenn einer abstirbt. "Weil diese Großbäume nicht in den französischen Garten gehören", erklärt Schreier.   

Trockenheit, Hitze, Buchsbaumzündler - drei Probleme, mit denen der Gärtner kämpft.  Die größte Bedrohung des Hofgartens sieht Schreier aber in einer "falschen Nutzung".  Auch dem Weltkulturerbe werde von einigen Besuchern nicht mehr die Wertschätzung entgegengebracht, die es verdiene. "Die Leute lassen ihren Müll liegen, die Hunde frei laufen und werden unverschämt, wenn man sie auffordert, die Wiesen nicht zu betreten."    

Gärtner Gerald Scheier bindet an der Orangerie im Hofgarten der Residenz einen Orangenbaum an einer Stange fest.
Foto: Daniel Peter | Gärtner Gerald Scheier bindet an der Orangerie im Hofgarten der Residenz einen Orangenbaum an einer Stange fest.

"Der Hofgarten ist aber keine Eventfläche, sondern ein Ort der Stille," sagt Schreier, der diese Stille gerne am neu mit Zitrusbäumchen gestalteten Platz an der Orangerie genießt. Aber auch Schreier sagt ähnlich wie seine Kollegen im Haus: "Es gibt so viele schöne Ecken, einen einzigen Lieblingsplatz habe ich nicht."   

Jubiläums-Programm
Der Bau der Würzburger Residenz wurde 1719 begonnen und 1744 vollendet. Bis zur Säkularisation war sie der Sitz der Würzburger Fürstbischöfe. Das Schloss zählt zu den bedeutendsten Residenzbauten des Spätbarock. Am 16. März 1945 brannte das Bauwerk fast völlig aus. Verschont blieb nur das Herzstück – Vestibül, Gartensaal, Weißer Saal, Kaisersaal und Treppenhaus samt Tiepolo-Fresko. Der Wiederaufbau dauerte bis 1987 und verschlang rund 20 Millionen Euro. 1981 wurde die Residenz einschließlich des Hofgartens zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Jubiläums-Programm in der Residenz  
Erhaltung eines UNESCO-Weltkulturerbes: Besucher erfahren von Susanne Streichfuß, Mathis Gruhn und Dr. Alexander Wiesneth, welche Maßnahmen in und um die Residenz zu deren Erhalt durchgeführt werden und was aufgrund des Weltkulturerbe-Status' zu berücksichtigen ist. Donnerstag, 8. November, 16 Uhr, Treffpunkt im Vestibül der Residenz, 60 bis 90 Minuten.
Die museale Wiedererweckung der Toskanazeit: Museumsreferent Dr. Werner Helmberger bietet Einblicke in das Tätigkeitsfeld der Ausstellungskonzeption am Beispiel der Dauerausstellung "So wohnte der Großherzog". Mittwoch,  14. November, 16 Uhr, Treffpunkt im Weißen Saal, circa 60 Minuten.
Lichterglanz im Kaisersaal: Die Restauratorinnen Sabine Vogt und Ingrid Stricker berichten über Geschichte, Restaurierung und Pflege der Lüster im Kaisersaal. Donnerstag, 15. November, 16 Uhr, Treffpunkt im Vestibül, 60 bis 90 Minuten.
Die Führungen sind nur für Erwachsene geeignet. Anmeldung erbeten unter: 0931/3551731 oder sgvwuerzburg@bsv.bayern.de
 
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Kommentare
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  • s. k.
    Bezüglich falscher Nutzung und "Der Hofgarten ist aber keine Eventfläche, sondern ein Ort der Stille" sollte man vielleicht mal überdenken, ob das Hofgartenweinfest dort und in diesem Ausmaß statt finden muss. Die Hecke an dem Weg zur Orangerie (wo die Buden immer stehen) sieht jedes Mal ziemlich zerrupft aus
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