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Estenfeld
"Das ist die eigene Identität, die da brennt": Nach dem verheerenden Brand in der "Weißen Mühle" steht Estenfeld unter Schock
Eine Familie hat ihr Zuhause verloren, ein Baudenkmal ist zerstört: Die "Weiße Mühle" in Estenfeld hat gebrannt. Der Wiederaufbau wird teuer.
Flammen schlagen in der Nacht auf Dienstag aus dem Dach der 'Weißen Mühle' in Estenfeld. 
Foto: Julian Koppenhöhl | Flammen schlagen in der Nacht auf Dienstag aus dem Dach der "Weißen Mühle" in Estenfeld. 
Lara Meißner
 |  aktualisiert: 21.04.2024 02:36 Uhr

Ulrich Weisensel und Bernd Michel blicken nach oben. Dort ragt in den hellblauen Morgenhimmel das, was nach der Nacht noch übrig ist: ein schwarz verkohltes Gerippe. Während um sie herum Mitarbeiter der Spurensicherung in ihren weißen Schutzanzügen wuseln, Brandermittler der Polizei fotografieren und Mitarbeiter des Bauhofs Rohre ausgraben, die beim Löschen geborsten sind, stehen die zwei Männer ganz still. 

"Das ist der Schock, ich hab das noch gar nicht richtig begriffen", sagt Ulrich Weisensel. 28 Jahre war er Hausmeister der Estenfelder "Weißen Mühle". Dort hatte es in der Nacht von Montag auf Dienstag gebrannt. Während die Mehrzweckhalle und die derzeit geschlossene Gastronomie des gemeindeeigenen Anwesens weitestgehend verschont geblieben sind, ist der Wohntrakt komplett zerstört. Eine vierköpfige Familie wurde dabei obdachlos. Verletzt wurde niemand.

"Die 'Weiße Mühle' ist mein Baby."

"Das war für mich mehr als ein Job. Die 'Weiße Mühle', sie ist noch immer mein Baby", sagt der langjährige Hausmeister Weisensel am Dienstagmorgen fassungslos. Immer wieder kommen Estenfelder auf den Parkplatz, betrachten das verkohlte Gebäude, sind entsetzt.

Neben Weisensel steht sein Nachfolger. "Die Bewohner der Mühle hatten mich direkt nach der Feuerwehr alarmiert. Ich bin aus dem Bett gesprungen und sofort los, ich hab' nur 500 Meter hier runter", sagt Michel. Er war noch vor den Einsatzkräften vor Ort. Das Bild, das sich ihm bot, wird er nie vergessen: "Meterhoch haben die Flammen aus dem Dach geschlagen. Ich war nur froh, dass sich alle Bewohner selbst retten konnten."

Am Dienstagmorgen ist das Feuer gelöscht. Von Dachstuhl steht nur noch verkohltes Gerippe. 
Foto: Lara Meißner | Am Dienstagmorgen ist das Feuer gelöscht. Von Dachstuhl steht nur noch verkohltes Gerippe. 

Zunächst hatte es laut Einsatzleiter Julian Koppenhöhl von der Estenfelder Feuerwehr in der Wohnung im ersten Stock des Gebäudes gebrannt. "Als wir kamen, war das Feuer bereits auf den Dachstuhl übergesprungen. Das geht bei so einem alten Fachwerkhaus rasend schnell." Binnen fünf Minuten, so Koppenhöhl, "war der Dachstuhl komplett durch gezündet."

Wäre die Feuerwehr nur wenig später gekommen, hätte das Feuer schon auf den angrenzenden Gebäudeteil übergegriffen, sagt Koppenhöhl. Auch der Leiter der Estenfelder Feuerwehr, Konrad Hasch, ist sich sicher: "Das war Rettung in allerletzter Minute." Gerade alte Baudenkmäler wie die "Weiße Mühle" seien nicht nach heutigen Brandschutzstandards gebaut. "So ein Fachwerkhaus brennt ganz anders als ein Neubau", sagt Hasch.

Da sich glücklicherweise niemand mehr im Gebäude befand, konnten sich die Feuerwehrleute sofort voll auf die Brandbekämpfung konzentrieren. Mindestens 130 Männer und Frauen waren laut Hasch im Einsatz, die Wehren aus Kürnach, Lengfeld, Mühlhausen, Gerbrunn, Maidbronn, Rottendorf sowie die Würzburer Berufsfeuerwehr unterstützten die Estenfelder. 

Um ausreichend Wasser zur Verfügung zu haben, wurde die Kürnach gestaut, die an der Weißen Mühle vorbeifließt. Trotzdem scheinen die Wassermassen, die an den Hydraten abgezapft wurden, das Rohrsystem des Ortes auf eine harte Probe gestellt zu haben: Drei Wasserrohrbrüche ereigneten sich in der Nacht in Estenfeld.

"Das ist ein Stück Identität, dass da brennt."
Estenfelds Bürgermeisterin Rosi Schraud

Auch diese stehen am Dienstag auf der To-do-Liste von Bürgermeisterin Rosi Schraud. Sie war nachts vor Ort, am Tag danach ist sie noch immer fassungslos. "Auf die 'Weiße Mühle' waren wir einfach stolz, sie ist ein Aushängeschild und über Estenfeld hinaus bekannt."

Zuletzt war der Gebäudekomplex auch immer wieder ein Politikum. Nach jahrelangem Hin- und Her im Gemeinderat und Problemen mit dem vorherigen Pächter, beschloss das Gremium just in der vergangenen Sitzung, dass zeitnah ein neuer Pächter gesucht werden soll. "Das wird sich jetzt wohl hinziehen", sagt Schraud. Der Brand sei ein Schock: "Das ist die eigene Identität, die da brennt."

Eine vierköpfige Familie hat ihr Zuhause verloren.

Trotzdem muss man "sofort weiter funktionieren, so bitter das auch alles ist", meint die Bürgermeisterin. Noch in der Nacht machte sie gemeinsam mit anderen Estenfeldern eine Unterkunft für die Familie ausfindig, die durch den Brand ihre Wohnung verloren hat. "Sie werden vorerst im Estenfelder Gästehaus unterkommen", sagt Schraud.

Der Dachstuhl des Wohntraktes ist komplett zerstört, das Löschwasser hat den unteren Teil des Gebäudes beschädigt. 
Foto: Konrad Hasch | Der Dachstuhl des Wohntraktes ist komplett zerstört, das Löschwasser hat den unteren Teil des Gebäudes beschädigt. 

Langfristig brauchen sie aber eine neue Wohnung, denn die Weiße Mühle wird so schnell nicht mehr bewohnbar sein: "Wir sind gerade dabei, mit Versicherungen, Denkmalamt und Gutachtern zu eruieren, wie groß der Schaden ist. Wenn die Kripo die Ruine freigegeben hat, werden wir mehr wissen." Derzeit können weder Bürgermeisterin, Polizei noch Feuerwehr etwas zur Brandursache sagen. Laut Polizeipräsidium Unterfranken werden Ergebnisse der Kripo-Brandermittlung am Mittwoch erwartet. 

Klar ist aber: Der Wiederaufbau des Baudenkmals wird dauern - und kosten. Noch während des Brandes ist der Dachstuhl eingestürzt. Was vom Haus noch übrig ist, hat sich "voll gesogen wie ein Schwamm, ganz typisch für alte Lehmwände und -decken", sagt Konrad Hasch von der Feuerwehr. "Die Höhe des Schadens liegt nach ersten Schätzungen in einem hohen sechsstelligen Bereich", schrieb die Polizei in den frühen Morgenstunden am Dienstag. Hausmeister Bernd Michel ist da pessimistischer. Er meint: "Das steht hier alles unter Denkmalschutz, das Wasser hat den kompletten Wohntrakt zerstört. Das wird in die Millionen gehen. "

 
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